Tischtennis:Erwartete Ausreißer

Tischtennis: Eine Kroatin für Kolbermoor: U21-Europameisterin Hana Arapovic kommt vom Absteiger Weil.

Eine Kroatin für Kolbermoor: U21-Europameisterin Hana Arapovic kommt vom Absteiger Weil.

(Foto: Gerd Gründl/Beautiful Sports/Imago)

Der SV-DJK Kolbermoor erreicht im Halbfinale um die deutsche Meisterschaft der Frauen gegen den Serienmeister TTC Berlin einen Achtungserfolg - und scheidet dennoch aus. Die Kaderplanung für die kommende Saison birgt ein Risiko, das sich auszahlen kann.

Von Andreas Liebmann

Josephina Neumann konnte einem fast ein bisschen leid tun. Ihre erste Profisaison neigte sich dem Ende zu, wie schon im Hinspiel dieses Playoff-Halbfinales gegen den SV-DJK Kolbermoor hatte die junge Tischtennisspielerin in Diensten des Serienmeisters TTC Berlin nur einen Einsatz im Doppel abbekommen, und dort stand sie vor einer mindestens mal schwierigen, wenn nicht unlösbaren Aufgabe: Irgendwie mitzuhalten in diesem sehr besonderen Quartett, das sich da um den Tisch versammelt hatte. Denn die Gegnerinnen aus Kolbermoor - die Schwedin Linda Bergström und die Russin Svetlana Ganina - hatten ihr eine Unmenge Erfahrung voraus, und ihre Partnerin Ding Yaping sowieso. Schließlich ist Bergström mehr als doppelt so alt, Ganina mehr als dreimal, Ding sogar mehr als viermal so alt wie sie, wobei man natürlich bedenken muss, dass Josephina Neumann ihre erste Profisaison als Zwölfjährige begann. Inzwischen ist sie 13. Als Ding Yaping 13 war und noch in China lebte, da wurden in Deutschland gerade die Grünen gegründet.

Die hochtalentierte Josephina Neumann ist es natürlich gewohnt, sehr viel jünger und unerfahrener als all ihre Gegnerinnen in der Bundesliga zu sein. Das hat ihr schon viele Schlagzeilen eingebracht, ebenso wie ihr zweiter Platz bei den deutschen Meisterschaften der Frauen im März, den sie im Doppel mit der noch 20 Tage jüngeren Koharu Itagaki vom TSV Bad Königshofen gewann. Doch das Alter allein war es diesmal nicht. Ding, 56, Ganina, 44, und Bergström, 28, sind allesamt Abwehrspielerinnen, die es vorzüglich verstehen, andere zu Fehlern zu verleiten, eine Strategie, die sie jeweils durch den Einsatz bestimmter Noppen-außen-Beläge unterstützen. Um es kurz zu machen: Neumann, die einzige Offensivspielerin, und Ding verloren recht chancenlos, 5:11, 6:11, 5:11.

Trotzdem endete für Kolbermoor am vergangenen Sonntag die Saison. Im Hinspiel zwei Tage zuvor hatten sie dem ewigen Favoriten vor eigenem Publikum noch ein 5:5 abgetrotzt, "das haben uns wahrscheinlich nur Wenige zugetraut", sagte Trainer und Abteilungsleiter Michael Fuchs. Sein Team sei sogar näher am Sieg dran gewesen. "Wir waren entspannt und hatten einen guten Teamgeist, bei Berlin war der Druck spürbar", fand er. Im Rückspiel setzte sich Berlin mit 6:2 durch. "Halbfinale ist ein gutes Ergebnis", urteilte Fuchs, "damit haben wir das erreicht, was wir mindestens erreichen wollten." Es gehe eng zu in der Liga, die meisten ihrer Saisonspiele seien über die volle Distanz gegangen, 6:4, 4:6, 5:5, "für die Zuschauer war das super". Nun aber war es nicht nur an der Zeit, ein Fazit zu ziehen, sondern sich neu zu orientieren. Denn noch vor dem Playoff-Finale, in dem Berlin am kommenden Wochenende auf den TTC Weinheim (mit der ehemaligen Schwabhauserin Mateja Jeger) trifft, stehen bereits alle Kader für die kommende Saison fest. Und da wird sich auch beim SV-DJK Kolbermoor wieder einiges ändern.

"So ist das Profigeschäft": Linda Bergström wird nach Frankreich zurückkehren

Vor allem werden die Zuschauer auf Linda Bergström verzichten müssen, die den Verein und die Liga nach nur einem Jahr wieder verlässt. "So ist das Profigeschäft", sagt Fuchs. Bergström werde nach Frankreich zurückkehren, wo sie ein gutes Angebot bekommen habe. Für die Zuschauer ist das bedauerlich, denn Bergströms variables Defensivspiel ist sehenswert. Auch die routinierte Ganina dürfte diesen Weggang bedauern. Für Abwehrspielerinnen ist es taktisch nämlich deutlich angenehmer, ein Doppel mit einer weiteren Verteidigungsspezialistin zu bilden als mit einer Angreiferin. Ganina/Bergström haben sowohl in der Hauptrunde als auch in den Playoffs jeweils nur eine Niederlage kassiert. Künftig wird Ganina aber wieder die einzige Abwehrspielerin im Kader sein.

Auch die junge Ukrainerin Solomija Bratejko wird gehen, sie wolle mehr Spielpraxis haben, sagt Fuchs: "Sie wird künftig in zwei Ligen spielen, vielleicht sogar in mehr." Mit einem Engagement in Deutschland lässt sich das nicht vereinbaren, weil die hiesigen Statuten keine Mehrfach-Spielberechtigungen erlauben - ein Umstand, der in der TTBL der Männer unlängst zum Streit mit dem TTC Neu-Ulm um Dimitrij Ovtcharov und letztlich zum Ausstieg des Klubs aus dem nationalen Spielbetrieb geführt hatte.

Bleiben werden neben Ganina die nicht minder routinierte Nummer eins Kristin Lang, dazu die 21-jährige Laura Tiefenbrunner und die 18-jährige Naomi Pranjkovic. Neu in den Kader kommen die Kroatin Hana Arapovic, 18, und die Inderin Swastika Ghosh, gerade 20 geworden. Die U21-Europameisterin Arapovic kommt vom Absteiger Weil, wo sie es als Nummer eins schwer hatte, dennoch, betont Fuchs, sei sie das vielleicht größte Talent in Europa. Ghosh werde monatsweise in Europa trainieren und in diesen Phasen Einsätze erhalten.

Eins zu eins ersetzen könne der neue Kader den Weggang von Bergström nicht. Trotzdem sagt Fuchs, dass er auch in der kommenden Saison gerne wieder im Halbfinale stehen würde. Die jungen Talente böten ein großes Entwicklungspotential, doch es werde in beide Richtungen Ausreißer geben, "nach oben wie nach unten". Es sei ein Risiko, das sich auch auszahlen könne. Und die Jüngsten werden sie ja auch wieder nicht sein.

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