Formel-1-Neuling Kimi AntonelliVon null an die Spitze in vier Wochen

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Der Jüngste, dem je eine schnellste Rennrunde zugeschrieben wurde: Kimi Antonelli  hat bei Mercedes den Platz des Rekordweltmeisters Lewis Hamilton übernommen.
Der Jüngste, dem je eine schnellste Rennrunde zugeschrieben wurde: Kimi Antonelli  hat bei Mercedes den Platz des Rekordweltmeisters Lewis Hamilton übernommen. (Foto: Clive Rose/Getty)

Keiner beschleunigt seine Rennfahrerkarriere derzeit besser als der 18-jährige Italiener Kimi Antonelli. Er reicht bereits an das Niveau seines Kollegen George Russell heran – das Mercedes-Team hofft auf weitere Großtaten.

Von Elmar Brümmer

Die Frage der Fernsehreporterin an George Russell war nett gemeint, aber sie klang natürlich auch ein bisschen gemein: „Wenn über die Favoriten auf den Weltmeistertitel geredet wird, fehlt dein Name meistens. Stört dich das?“ Die Reaktion der Briten war so höflich, wie er sich das selbst schuldig ist, Russell gilt als der besterzogene unter den Formel-1-Piloten: „So was ärgert mich nicht wirklich. Es geht nicht um die Wahrnehmung von außen, sondern um die Realitäten.“ Tatsächlich ist nach drei technisch schwierigen Jahren für das Mercedes-Werksteam ein Silberstreif am Horizont erkennbar: Russell hat nach drei Rennen als WM-Vierter 45 Punkte auf dem Konto, das ist mehr als er und Lewis Hamilton zum gleichen Vorjahreszeitraum gemeinsam errangen. Neuling Kimi Antonelli folgt mit 30 Punkten als Gesamtfünfter vor dem Großen Preis von Bahrain. Das bedeutet Rang zwei in der Konstruktionswertung.

Mercedes mischt also wieder mit, aber die ketzerische Fragestellung erfolgte nicht ohne Grund. Der deutsche Rennstall pflegt noch das Understatement der vergangenen Jahre, positioniert sich aber mit seiner konstanten Unauffälligkeit als erster Verfolger von McLaren und Red Bull Racing. Zu stören scheint das niemanden beim ehemaligen Champion-Team. Ruhe ist zwar immer etwas Trügerisches in diesem Sport, aber für die Truppe von Teamchef Toto Wolff war es wichtig, das Jahr eins nach Lewis Hamilton mit mehr Gelassenheit zu beginnen. Es ist das Jahr der Selbstfindung.

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George Russell, 27, muss in seinem siebten Formel-1-Jahr der Leader sein, den erst 18 Jahre alten Neuling Andrea Kimi Antonelli anleiten und der Tausendschaft in der Rennfabrik Vertrauen vermitteln. Er spürt natürlich, dass ihm das manche neiden und andere nicht recht zutrauen. Was ihn, wenn der Eindruck nicht täuscht, nicht besonders stört. Es tut ihm angeblich sogar gut, wenn er auf ketzerische Art mit seinen Ambitionen konfrontiert wird. „In den letzten drei Jahren an der Seite von Lewis Hamilton wurde der als der Größte von allen immer nach den Titeln gefragt“, sagte er. „Aber das war nicht realistisch, wir waren beide nie in der Position, um anzugreifen.“

Ausgerechnet im letzten Jahr des Groundeffect-Reglements scheint sich das zu ändern. Es ist sportlich so eng wie nie – und eine gute Work-Life-Balance in der Königsklasse hängt immer von einem austarierten Rennwagen ab. Das scheint der Mercedes W 16 zu sein, jedenfalls mehr als seine radikalen Vorgänger. Der Wagen ist vor allem konstanter. Oder, wie es Chefingenieur Andrew Shovlin ausdrückt: „Das Auto macht das, was es machen soll. Deshalb ist es auch im Team deutlich ruhiger geworden.“ Der Techniker rühmt ebenfalls Russells neues Rollenverständnis: „Auf seine ihm eigene Art gibt er uns Selbstvertrauen, und das hilft allen. Auch durch die Art und Weise, wie er mit Kimi Antonelli zusammenarbeitet.“ Das Rennen an diesem Sonntag in Bahrain mit hohen Temperaturen und enormem Reifenverschleiß wird ein Härtetest für die Ambitionen und damit auch den Stimmungsverlauf bei Mercedes werden.

Da George Russell so gern über die Realitäten referiert, nennt er nach dem besten Saisonstart seiner Karriere gleich die eigenen Ansprüche: „Wenn wir um den Titel kämpfen wollen, müssen wir uns verbessern.“ Da scheint Teamchef Wolff aus ihm zu sprechen, der vom Potenzial des Autos überzeugt ist, aber sich darüber ärgert, dass Russell zuletzt in Japan nicht zum dritten Mal in Folge aufs Podium gekommen ist, weil es an der Umsetzung haperte. Mercedes lernt sich auf allen Ebenen gerade neu kennen, legt aber einen Großteil der Kapazitäten bereits auf den neuen Motor für den massiven Reglementswechsel 2026. Deshalb müssen es in der angelaufenen Saison vorwiegend die Menschen richten.

Teamchef Toto Wolff benötigte angeblich keine fünf Minuten, um sich nach Hamiltons Abschied für den Neuling zu entscheiden

Nicht nur die Hausstatistiker schwärmen deshalb von Aufsteiger Antonelli, dessen Formel-1-Laufbahn wie ein Abzählreim zu funktionieren scheint: drei-zwei-eins. Beim Saisonauftakt in Melbourne war er der drittjüngste Fahrer, der an einen Grand-Prix-Start ging. Beim zweiten WM-Lauf in China war er der zweitjüngste Fahrer, der in Folge punkte. Seit dem dritten Rennen in Suzuka am vorigen Wochenende ist der Italiener in Diensten von Mercedes der jüngste Fahrer, der einen Großen Preis anführte und dem eine schnellste Rennrunde gutgeschrieben wurde. Von null an die Spitze in vier Wochen, damit wird der Druck nicht geringer, einen Welpen-Bonus gibt es in diesem Sport nicht. Alles andere als noch mehr Punkte wäre mittlerweile schon eine Enttäuschung für Antonelli.

Schon reicht er an Russells Niveau heran, was der Wunschvorstellung von Toto Wolff entspricht. Der Teamchef sagt, dass er keine fünf Minuten gebraucht habe, um sich nach Hamiltons Abschied für die risikoreiche Beförderung eines Neulings zu entscheiden. Druck und Gegendruck, so soll das mit Mercedes nach Jahren der Enttäuschung wieder etwas werden. Praktisch, dass Russells Vertrag zum Ende der Saison ausläuft und angesichts der ewigen Spekulationen im Fahrerlager über einen Wechsel von Max Verstappen zu Mercedes eine weitere leistungsfördernde Drohkulisse mitgeliefert wird. Aber George Russell emanzipiert sich, zumindest verbal: „Vertragsverlängerungen mit Toto waren kein großes Ding und haben nie länger als 24 Stunden gedauert. Ich mache mir keine Sorgen.“

Während sein altes Team sich in Lauerstellung befindet, geht die Achterbahnfahrt für Lewis Hamilton bei Ferrari weiter, der Sieg im Sprint von Schanghai war nur eine kurzfristige Linderung der Probleme. Immerhin hat der Rekordweltmeister auf diese Weise die Gelegenheit, die Klagen aus seinem letzten Mercedes-Jahr zu wiederholen, was er über den Boxenfunk ausgiebig tut. Hamilton fühlt sich seinem Teamkollegen Charles Leclerc gegenüber benachteiligt. Hektisch probiert die Scuderia nun neue Abstimmungen und bringt einen veränderten Unterboden ein. In der Silberpfeil-Fraktion blicken sie ohne Häme auf die Lage beim Konkurrenten. Aber sind froh, selbst das Gröbste hinter sich zu haben.

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