Suspendierter Uefa-Präsident:In Frankreich ist EM und Platini wird wohl fehlen

Suspendierter Uefa-Präsident: Fühlt sich vorverurteilt: Uefa-Chef Platini

Fühlt sich vorverurteilt: Uefa-Chef Platini

(Foto: Alessandro Della Bella/AP)
  • Michel Platini kann vor dem Fifa-Ethikkomitee noch einmal die zwei Millionen Schweizer Franken rechtfertigen, die er 2011 vom Weltverband kassierte.
  • Platini steckt in einer dramatischen Situation - das Urteil über seinen möglichen Ausschluss fällt kommende Woche.
  • Nun stellt sich die Frage, ob die demnächst wohl führungslose Uefa einen Plan B hat.

Von Thomas Kistner

In Paris war EM-Auslosung, und dass er nicht dabei sein durfte, war gewiss niederschmetternd für Michel Platini. Schließlich war er es, der die Fußball-EM 2016 in sein Heimatland gebracht hat, auch deshalb hatte ihn Frankreichs Regierung massiv in seinem Wahlkampf fürs Spitzenamt in der Europa-Union (Uefa) unterstützt.

Paris sponserte sogar Flüge, mit denen Platini jene Klientel aufsuchen und bezirzen konnte, die ihn Anfang 2007 tatsächlich (mit knappen 27:23 Voten) auf den Uefa-Thron hievte: Die kleinen Länder an den nord- bis südöstlichen Rändern des Kontinents. Platinis Dank fand doppelten Niederschlag im Turnier 2016: Es findet in seiner Heimat statt - und wurde von 16 auf 24 Teams aufgebläht; halb Europa darf jetzt mitkicken. Nur Platini ist nicht dabei, nach Lage der Dinge wird das auch so sein, wenn nächsten Sommer der Ball rollt.

Eine Notiz könnte für Platini zum Problem werden

Am Freitag soll Platini vor der Spruchkammer des Fifa-Ethikkomitees noch einmal die zwei Millionen Schweizer Franken rechtfertigen, die im Februar 2011 auf Sepp Blatters Geheiß vom Weltverband an ihn geflossen waren. Der Geldtransfer - den die Funktionäre als mündlich vereinbarte Lohnnachzahlung mit neunjähriger Verspätung erklären - trägt für die Schweizer Bundesanwaltschaft den Ruch untreuer Geschäftsbesorgung, weshalb sie gegen Blatter ermittelt; auch Platini ist nicht aus dem Schneider.

Für die Ermittler der Fifa-Ethiker liegt der Fall klar, sie haben lange Sperren für das seit Oktober suspendierte Duo beantragt - oder, sollte der Korruptionsvorwurf bei den Ethikrichtern verfangen, sogar lebenslangen Ausschluss von allen Fußballaktivitäten.

Seither kämpft Platini verzweifelt, auch über die Medien. Kürzlich förderte das französische Journal de Dimanche eine Notiz zu einer Uefa-Exekutivsitzung von November 1998 zutage, die Platini für entlastend hält. Flott aktivierte die Uefa ihre Mitarbeiter, um internationale Presseorgane auf die als große Wende verkaufte Story hinzuweisen.

Doch Fragen, wie die SZ sie daraufhin einreichte, blieben unbeantwortet; trotz anderslautender Zusagen. Dabei hätte man gern gewusst, wie es kommt, dass ein Pariser Sonntagsblatt ohne bekannte Nähe zur Sportpolitik etwas findet, das Platini und der Uefa, deren Chef er formal noch immer ist, offenbar nicht zugänglich war: eine angeblich entlastende Notiz aus einem Uefa-Vorstandsprotokoll.

Oder hat das Papier, das eher wenig zur Sache beiträgt und auf seine Authentizität zu überprüfen wäre, den Weg in die Medienlandschaft doch eher über Platini oder die Uefa gefunden? Dann wäre dies ein Vorgang, der einer Kampagne ähnelt und strafverschärfend wirken könnte. Während im Strafrecht, zu dem im Ethikprozess leichtfertig Vergleiche gezogen werden, Betroffene schweigen, nicht kooperieren und sogar lügen dürfen, ist das im Ethikprozedere völlig anders.

Dramatische Lage für Platini

Hier genügt eine Anhörung, bei der strikte Kooperationspflicht für Betroffene besteht. Alles muss auf den Tisch; dass dies auch Verbandsakten zum Sachverhalt einschließt, steht außer Frage. Tauchen sie stattdessen in den Medien auf, stärkt das nicht die Position desjenigen, der den Zugang dazu haben müsste.

Verwunderung löste jüngst auch eine Berichterstattung im Schweizer Handelsblatt aus, die nahelegte, dass dort sehr viel Wissen aus dem Anklagepapier vorlag. In diese Bedrängnis hinein versuchten Platinis Anwälte nun am Samstag einen Befreiungsschlag. Sie teilten mit, ihr Mandant lasse den Termin am Freitag bei der Spruchkammer womöglich platzen: wegen Vorverurteilung.

Das bezieht sich auf angebliche Aussagen von Andreas Bantel, Sprecher einer der Ethikkammern, im französischen Sportblatt L'Equipe, dass Platini wohl für einige Jahre gesperrt werde. Die Anwälte werten dies als "erheblichen Verstoß gegen die Unschuldsvermutung".

Was dramatisch klingt, offenbart eher die dramatische Situation, in der Platini steckt. Der Vorwurf wirkt doch stark konstruiert: Bantel spricht für die Ermittlungskammer, Einfluss auf Arbeit oder Urteile der Spruchkammer hat er nicht; letztere hat einen eigenen Sprecher. Überdies aber dürfte die Ermittlungskammer ihre Anträge - auch auf Sperren im Fall "Blattini" - jederzeit publik machen. So regelt das der Code. Und dass es nicht getan wurde, habe allein dem Persönlichkeitsschutz der Betroffenen gedient, heißt es in Zürich.

Reinhard Rauball fordert schnell einen "Plan B"

Das Urteil zu Platini fällt Anfang nächster Woche, gleich, ob er die Anhörung besucht oder nicht. Insofern sollte die wohl bald auch formal führungslose Uefa beherzigen, was Reinhard Rauball jetzt in Paris vortrug: Sie müsse "sich natürlich Gedanken machen, ob es einen Plan B gibt und wie dieser aussieht". Was aber den Report zur deutschen WM-Affäre 2006 angeht, verwies der Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes auf den Abschluss der externen Prüfung, wohl Ende Februar.

Andernorts wird es länger dauern. Laut der Tageszeitung De Volkskrant sollen sich die Niederlande und Belgien bei ihrer Doppelbewerbung um die WM 2018 mit Schmiergeld um Stimmen bemüht haben. 2009 soll eine Zahlung an Amadou Diallo geflossen sein, rechte Hand des Katarers Mohamed Bin Hammam.

Der Guineer genießt einen einschlägigen Ruf und wurde 2011 im britischen Parlament als Geldbote angeprangert. Die Verbände Hollands und Belgiens wiesen, wie Diallo, die Vorwürfe zurück. Jedoch räumt Belgien eine Zahlung von 10 000 Euro an Diallo ein: "Für Reisekosten und Lobbyarbeit." Nun soll untersucht werden.

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