Surfer Marlon Lipke im Interview:In der Holzklasse nach Tahiti

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Der Deutsche Marlon Lipke surfte eine Saison gegen die besten Wellenreiter der Welt. Jetzt muss er zurück in die zweite Surf-Liga.

Christian Helten

SZ: Die Surfer nennen die World Championship Series (WCT) oft "Dream Tour". Nachdem Sie jetzt ein Jahr dabei waren - hat sich das für Sie bewahrheitet?

"Tahiti, Australien, Südafrika - das sind Traumziele für jeden Surfer. Trotzdem ist nicht alles daran traumhaft": Marlon Lipke sieht das Surfen durchaus differenziert. (Foto: Foto: AP)

Lipke: Die Orte, die man während der Tour zum Surfen besucht, sind wirklich traumhaft. Tahiti, Australien, Südafrika - das sind Traumziele für jeden Surfer. Trotzdem ist nicht alles daran traumhaft. Die Reisen um die Welt sind teuer und vor allem sehr anstrengend. Es ist nicht gerade ein Traum, in der Holzklasse von Brasilien nach Südafrika zu fliegen und dann unausgeschlafen und mit Jetlag sofort zum Wettkampf ins Wasser zu müssen. Spaß macht mir das Ganze natürlich trotzdem.

SZ: Was haben Sie Sich persönlich von Ihrem ersten Jahr unter den besten Surfern der Welt erwartet?

Lipke: Ich habe versucht, ohne große Erwartungen in das Jahr zu starten. Ich wusste, dass es schwer wird, gegen die besten Surfer der Welt zu bestehen. Ich musste mich vor allem erst an die Wellen gewöhnen. Ich bin an den Stränden Portugals aufgewachsen. Auf der WCT surft man aber mehr Pointbreak-Wellen. Die sind viel länger und perfekter, man muss dort pro Welle viel mehr Manöver zeigen. Damit wiegt auch das Risiko schwerer, bei einem davon hinzufallen.

SZ: Ist der Unterschied zur World Qualifying Series (WQS), einer Art zweiten Liga, abgesehen von den Wellen sehr groß?

Lipke: Die Surfer auf der Dream Tour sind schon sehr viel besser. Du brauchst wesentlich höhere Punktzahlen, um bei den Wettbewerben weiterzukommen. Man muss also jede Welle mit 100 Prozent Radikalität surfen.

SZ: Haben Sie sich in Ihrem ersten Jahr auf der Tour denn verbessert?

Lipke: Auf jeden Fall. Eben weil ich immer am Limit surfen musste und mich nie durchmogeln konnte. Ich surfe jetzt generell mit mehr Power und lege mehr Kraft in meine Turns. Das musste ich mir einfach angewöhnen.

SZ: Trotzdem müssen Sie jetzt zurück in die World Qualifying Series, die zweite Liga.

Lipke: Natürlich wäre ich gerne auf der Dream Tour geblieben. Aber wahrscheinlich ist ein solcher Rückschlag für mich ganz gut. Ich bin nach Misserfolgen bisher immer stärker zurückgekommen als ich vorher war.

SZ: Sie sind in Portugal geboren und aufgewachsen, haben aber die deutsche Staatsbürgerschaft. Werden Sie als Deutscher oder als Portugiese wahrgenommen?

Lipke: Ich glaube, dass ich als Deutscher gesehen werde. Noch mehr aber eigentlich als Europäer. Da wird gar nicht unterschieden, wir sind für die Australischen und Amerikanischen Surfer auf der Tour einfach immer "The Euros".

SZ: Muss man eigentlich im Ausland aufwachsen, um als Deutscher eine Chance auf eine Surfkarriere zu haben?

Lipke: Es ist schon besser, an einem Ort zu leben, wo es regelmäßig gute Wellen gibt. Mir hätte allerdings Portugal alleine auch nicht gereicht. An der Algarve, wo ich aufgewachsen bin, gab es nämlich keine anderen Surfer. Erst das Reisen hat mich den entscheidenden Schritt weitergebracht, nach Australien zum Beispiel, wo es extrem viele gute Surfer gibt. Das hat mich motiviert und ich konnte mir vieles abschauen.

SZ: Wie trainieren Sie?

Lipke: Hauptsächlich gehe ich surfen, mache aber zusätzlich Krafttraining. Videoanalysen sind auch sehr hilfreich. Wenn man einen Monat lang jeden Tag surft und am Abend analysiert, was man besser machen kann, bekommt man ein sehr gutes Gefühl für den eigenen Surfstil. Es besteht oft nämlich eine ziemliche Diskrepanz dazwischen, wie sich ein Manöver auf der Welle anfühlt und wie es aussieht. Manchmal fühlt es sich wesentlich spektakulärer an als es ist. Zum Glück ist es auch manchmal umgekehrt.

SZ: Wenn man die Surfer vor und nach den Wettkämpfen sieht, wirken alle sehr gelassen und freundschaftlich. Ändert sich das, wenn man im Wasser ist und Mann gegen Mann um die Wellen kämpft?

Lipke: Die Atmosphäre ist generell wirklich sehr freundschaftlich, die meisten verstehen sich wirklich sehr gut. Im Wasser will aber jeder weiterkommen und tut dafür auch alles. Es gibt da so kleine Psychospielchen: Man kann sich zum Beispiel direkt neben den anderen Surfer setzen, wenn der auf eine Welle wartet, so dass er einen Schulter an Schulter spürt. Damit behindert man ihn zwar nicht wirklich, kann ihn aber nervös machen und psychologisch ganz schön unter Druck setzen.

SZ: Geht Ihnen eigentlich die Kraft in den Armen manchmal aus? Sie verbringen ja wesentlich mehr Zeit paddelnd auf dem Brett als surfend ...

Lipke: Das kann schon sehr ermüdend sein. Eine halbe Stunde ist sehr lang, wenn die Wellen groß sind und man ständig gegen eine starke Strömung anpaddeln muss.

SZ: In Portugal haben Sie nach langer Zeit mal einen Lauf gewonnen - und sich dann verletzt. Wie geht es jetzt weiter?

Lipke: Nachdem ich so lange nicht mehr weiter gekommen bin, war es ein gutes Gefühl, wieder mal zu gewinnen. Ich hatte einen kleinen Heimvorteil und habe mich einfach besser gefühlt als in den Events davor. Im zweiten Lauf musste ich dann nach drei Wellen aufgeben. Ich war jetzt in Los Angeles in der Reha und hatte gehofft, dass ich vielleicht bei den Pipeline Masters auf Hawaii mitmachen kann. Leider war es einfach noch zu früh und es war es nicht wert, die Verletzung zu verschlimmern und dann die ersten Events im Januar zu verpassen. Jetzt bereite ich mich auf Hawaii mental und physisch auf das nächste Jahr vor. Und ab und zu lege ich mich auch einfach ein bisschen zum Bräunen in die Sonne.

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