Sieg im Supercup:Klopp singt, johlt und tanzt

UEFA Super Cup - Liverpool v Chelsea

Jürgen Klopp führt die Feierlichkeiten in Istanbul an.

(Foto: REUTERS)
  • Der FC Liverpool gewinnt den europäischen Supercup gegen Chelsea im Elfmeterschießen.
  • Liverpool-Trainer Jürgen Klopp feiert den Triumph ausgelassen.
  • Er misst dem Gewinn des Pokals eine besondere Bedeutung bei.

Von Sven Haist, Istanbul

Am meisten Energie schien noch Jürgen Klopp übrig zu haben. Um 00:43 Uhr löste sich der Trainer des FC Liverpool als erster aus dem Pulk an Spielern und Betreuern an der Seitenlinie und spurtete mit triumphierender Faust und aufgerissenem Mund auf Torwart Adrián zu. Die Anstrengung, die Klopp bei seiner Rennerei übers halbe Spielfeld ins Gesicht geschrieben stand, war Ausdruck der Wertschätzung für die entscheidende Parade seines Keepers gegen Tammy Abraham vom FC Chelsea im Elfmeterschießen des europäischen Supercups. Außer Atem fiel er Adrián in die Arme. Als würde diese Geste als Dank nicht ausreichen, johlte Klopp später, so laut er konnte, im Interview ins Mikrofon des Senders BT Sport: "Aaadriaaaaaan". Das Gebrüll hatte sich auf die Filmfigur Rocky Balboa bezogen. Auf diese Weise versuchte Rocky nach einem Boxkampf verzweifelt seine Frau Adriana zu sich zu rufen. Bei Klopp hingegen war es ein reiner Freudenschrei - über den ersten Titel der neuen Saison.

In seinem 800. Pflichtspiel als Proficoach (410 Siege, 200 Unentschieden, 190 Niederlagen) hat Klopp durch Liverpools 7:6 (2:2, 1:1) nach Elfmeterschießen über Ligakonkurrent Chelsea als erster deutscher Trainer den Supercup gewonnen. Dieser Pokal wird jährlich zwischen dem Sieger der Champions League (Liverpool) und der Europa League (Chelsea) ausgespielt. Von vorne weg führte Klopp seine Mannschaft auf die Ehrenrunde: lachend, singend und tanzend. Das Ambiente im Besiktas Park mit Partymusik, Lichteffekten und stickiger Schwüle ähnelte einem Nachtclub, bei dem niemand an den nächsten Morgen denken wollte. Besonders der Siegersong "We Are The Champions" habe es ihm dabei angetan, verriet Klopp: "Ich habe das Lied immer gemocht. Nur hatte ich selten Grund, mich so zu fühlen. Heute ist es groß, um ehrlich zu sein."

Nach einst sechs verlorenen Finals hintereinander ist Klopp, 52, nun dabei, sein Portfolio an Pokalen aufzustocken - sieben Titel hat er mittlerweile insgesamt mit seinen Vereinen gewonnen. Schon bei der Pokalübergabe konnte Klopp gar nicht erwarten, bis Kapitän Jordan Henderson endlich die Trophäe nach oben hielt. Das Team bejubelte den vierten Erfolg des Klubs in diesem Wettbewerb nach 1977, 2001 sowie 2005, wie wohl nie zuvor eine Mannschaft diesen Pokal bejubelt hatte. Da störte nicht mal das rosa Konfetti, mit dem die Reds, die Roten eingeschneit wurden. Bei vielen Vereinen genießt der Supercup zu Beginn der Saison oftmals bloß den Stellenwert eines weiteren Testlaufs. Nicht so am Mittwoch, als sich Liverpool und Chelsea eine knapp dreistündige Auseinandersetzung auf dem Platz lieferten. Bis zum jeweils fünften Schützen im Elfmeterschießen lagen beide gleichauf. Dann traf Mohamed Salah; Abraham scheiterte an Adriáns rechtem Fuß. Im Dezember könnte für den Vizemeister der Premier League die nächste Auszeichnung folgen, wenn in Katar die Kontinentalsieger den Klubweltmeister ausspielen.

Klopp: "Adrián ist eine ordentliche Persönlichkeit, sogar lauter in der Kabine als ich"

Die jüngste Sause von Istanbul reiht sich für Liverpool an den unvergesslichen Triumph in der Königsklasse vor 14 Jahren in derselben Stadt. Trotz eines 0:3 zur Halbzeit schafften die Reds im Duell mit dem AC Mailand den Ausgleich. Im Elfmeterschießen rückte der polnische Torhüter Jerzy Dudek mit drei gehaltenen Strafstößen in den Mittelpunkt. Und jetzt war es bei der Rückkehr in die türkische Millionenmetropole mit Adrián, 32, erneut der Torwart, der zum Mann des Spiels bei Liverpool wurde. "Was für eine Geschichte! Er hat sensationelle Paraden gezeigt", fand Klopp: "Adrián ist eine ordentliche Persönlichkeit, sogar lauter in der Kabine als ich." Erst durch die Wadenverletzung des Stammtorwarts Alisson Becker am Wochenende beim Ligaauftakt gegen Norwich City (4:1) rückte Adrián auf. Dabei hat Liverpool den vereinslosen Spanier, dessen Vertrag bei West Ham United im Sommer ausgelaufen war, erst vor anderthalb Wochen verpflichtet - als Reaktion auf den Abgang des Ersatztorwarts Simon Mignolet zum FC Brügge. "Das waren verrückte sieben Tage. Ich bin einfach sehr glücklich", sagte Adrian. In der Verlängerung hatte er noch den Elfmeter zum 2:2 durch Jorginho (101.) verschuldet, nachdem Sadio Mané mit seinem zweiten Treffer einen Vorsprung herausgeschossen hatte (95.).

In der regulären Spielzeit setzte sich bei Liverpool derweil der Trend aus den ersten beiden Pflichtspielen fort, phasenweise in der Verteidigungsarbeit nicht ganz bei der Sache zu sein. Als beste Abwehr der Liga vertrauen sich die Spieler offensichtlich gegenseitig zu sehr in der Annahme, einer wird schon den Angriff der anderen Mannschaft stoppen. Einige Male stoppte dann aber keiner die gegnerischen Offensivaktionen, wie beim Führungstreffer für Chelsea von Olivier Giroud (36.). Um seine Spieler wieder vollends zum Laufen zu bringen, muss Klopp momentan durchaus verbal nachhelfen. Sobald es die Reds aber wissen wollen, kann kaum ein Gegner mithalten. Das musste auch Chelsea einsehen, das direkt nach Wiederanpfiff den Ausgleich durch Mane (48.) kassierte. Die Extraschicht in der Verlängerung konnte das jedoch nicht verhindern, am Samstag wartet bereits das Auswärtsspiel beim FC Southampton.

Erst um kurz vor 2:30 Uhr verließ die Belegschaft des FC Liverpool im Bus das Stadion. Als Letzter lief Jürgen Klopp dem Ausgang entgegen, etwa sechs Stunden, nachdem das Team angekommen war. Arg viel länger hätte die Partynacht nicht mehr ausfallen können. Um 06:13 Uhr wäre nämlich Sonnenaufgang in Istanbul gewesen.

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