Superclásico Boca vs River:Das riskanteste Ereignis der Madrider Stadtgeschichte

*** BESTPIX *** Fans Bid Farewell to Boca Juniors

Fans von Boca Juniors feiern ihr Team auf dessen Weg im Bus zum internationalen Flughafen in Buenos Aires, von wo es nach Madrid aufbrach.

(Foto: Getty Images)
  • Wegen der Krawalle in Argentinien wurde der Superclásico zwischen Boca Juniors und River Plate von Buenos Aires nach Madrid verlegt.
  • Offiziell aus Sicherheitsgründen, doch Spaniens Polizei spricht von einer Jahrhundertaufgabe.
  • "Um ein Boca gegen River zu sehen, muss ich mit meiner Familie nach Madrid reisen? Wisst ihr, was das kostet?", schimpft Diego Maradona.

Von Ralf Itzel, Madrid

Die beiden Fußballmannschaften sind nun tatsächlich in Spanien angekommen, das ist schon mal gut.

Nach zwölf Stunden Flug erreichte am Mittwochnachmittag zuerst der "Club Atlético Boca Juniors" den Aeropuerto Barajas, am Donnerstagmorgen landete dann der "Club Atlético River Plate". Beide haben Hotels in Stadionnähe bezogen, trainieren aber dreißig Kilometer voneinander entfernt: River auf dem Gelände von Real Madrid im Vorort Valdebebas im Osten, Boca auf der Anlage des spanischen Fußballverbandes in der Gemeinde Las Rozas im Nordwesten.

Was in Buenos Aires misslang, soll am Sonntagabend (20.30 Uhr) in 10 000 Kilometern Entfernung endlich glücken: das Finale der Copa Libertadores, der südamerikanischen Champions League, abzuschließen, in dem sich erstmals Argentiniens Erzfeinde gegenüberstehen.

Zur Erinnerung: Nach dem 2:2 im Hinspiel in der Bombonera (Pralinenschachtel) genannten Arena im Viertel "la Boca" von Buenos Aires sollte das Rückspiel am vorvergangenen Samstag in Rivers Estádio Monumental steigen. Doch als Fanatiker den Boca-Bus mit Steinen bewarfen, brach Chaos aus. Scheibensplitter und Tränengas verletzten Spieler, zwei mussten ins Krankenhaus. Nach stundenlangem Durcheinander wurde die Partie verschoben, tags darauf dann abgesagt.

Schon jetzt das "längste Finale der Welt"

Dann zauberte der südamerikanische Fußballverband Conmebol das Estádio Santiago Bernabéu aus dem Hut.

Spanien sei bereit und in der Lage, das Endspiel sicher auszurichten, twitterte Regierungschef Pedro Sanchez ausgerechnet auf der Reise nach Buenos Aires, wo der G20-Gipfel dann reibungslos verlief.

Das von Spöttern so getaufte "längste Finale der Welt" (ein Unwetter verzögerte schon das Hinspiel um 24 Stunden) muss zu einem Ende gebracht werden. Der neue Titelträger soll schon in anderthalb Wochen in den Vereinigten Arabischen Emiraten bei der Klub-WM antreten - der Weltverband Fifa macht entsprechend Druck. Conmebol-Boss Alejandro Dominguez aus Paraguay versuchte den Argentiniern das Derby im Exil mit dem Hinweis schmackhaft zu machen, dass 250 000 Landsleute in Spanien die größte Kolonie außerhalb des Heimatlandes bilden.

Doch ganz Lateinamerika schrie Zeter und Mordio. Diego Maradona dachte im Schock an das eigene Portemonnaie: "Um ein Boca - River zu sehen, muss ich mit meiner Familie nach Madrid reisen? Wisst Ihr, was das kostet?", schimpfte Argentiniens Nationalheld und schloss gewohnt differenziert: "Hurensöhne!" Die Sportzeitung Olé berichtete im Internet tagelang unter der Kopfzeile "Copa Libertadores/el escandolo". Der Skandal. Boca würde am liebsten gar nicht mehr spielen, River nur im eigenen Stadion.

Argentiniens Fußball ist eine Geisel der Gewalt

Rivers Partie am Sonntag gegen Gimnasia (3:1) im Monumental geriet zur Protestkundgebung. Die Fans schrien gegen die eigenen Hooligans, vor allem aber gegen die Conmebol und Argentiniens Staatschef Mauricio Macri. Dem früheren Boca-Präsidenten (1995 bis 2007) wird Verschwörung unterstellt: Um den Fanatikern die Attacke zu erleichtern, habe man den Bus absichtlich schutzlos vor dem Stadion vorfahren lassen und so den Abbruch provoziert. Die River-Anhänger sind nicht nur zornig, weil sich die meisten den Madrid-Trip nicht erlauben können. Sondern auch aus sportlichen Gründen. "Sie haben uns das Heimrecht gestohlen", kritisiert auch Trainer Marcelo Gallardo, "es ist eine Schande!"

Weil der Fußball in Argentinien eine Geisel der Gewalt ist, wurde 2013 in den Stadien der Zugang von Gästefans gesetzlich verboten, die Bombonera war neulich nur mit Boca-Anhängern gefüllt. Im Bernabéu-Stadion werden nun gleich viele Sympathisanten beider Teams erwartet.

Superclásico Boca vs River: Warum das Finale nicht in Argentinien gespielt wird? Der Verband am Auge des Boca-Spielers Gonzalo Lamardo (links neben Wilmar Barros) erinnert an die Szenen, die zur Absage des Rückspiels vor zwei Wochen führten.

Warum das Finale nicht in Argentinien gespielt wird? Der Verband am Auge des Boca-Spielers Gonzalo Lamardo (links neben Wilmar Barros) erinnert an die Szenen, die zur Absage des Rückspiels vor zwei Wochen führten.

(Foto: Gustavo Garello/AP)

Tausende Boca-Fans verabschiedeten Stürmer Carlos Tevez und die Kollegen am Dienstag an der eigenen Arena (die wegen eines falschen Bombenalarms zwischenzeitlich geräumt wurde). Eigentlich gehöre River disqualifiziert - und der Pokal direkt in die eigene Vitrine, hieß es dort, schließlich wurde vor drei Jahren River auch in die nächste Runde durchgewunken, als Boca-Fanatiker die gegnerischen Spieler im Achtelfinale mit Pfefferspray drangsalierten. Die Juniors behalten sich vor, im Falle einer Niederlage am Sonntag vor den Internationalen Sportgerichtshof zu ziehen.

Madrid freut sich über satte Einnahmen

Spaniens "Policia Nacional" rüstet sich derweil schon für das ihr zufolge riskanteste Ereignis der Madrider Stadtgeschichte. Was sonst in Monaten geplant würde, muss diesmal in wenigen Tagen gehen. Anhänger, die in Chartermaschinen erst am Sonntag ankommen, sollen in Bussen an den Paseo de la Castellana gebracht werden, den Boulevard, an dem das Bernabéu thront. Die Fans in Weiß-Rot (River) werden sich rund einen Kilometer nördlich sammeln, die in Blau-Gelb (Boca) südlich. Im Stadion selbst wird ein freier Block einen Puffer bilden. Bekannte Hooligans sollen in Argentinien festgehalten werden, doch im Internet zirkulieren schon Fotos, die einige beim Einchecken am Flughafen zeigen.

Der Abgesandte der spanischen Regierung, José Manuel Rodriguez Uribes, hat für Freitag 11 Uhr die Polizeichefs zur Besprechung bestellt, dann wird entschieden, wie viele Einsatzkräfte wo positioniert werden. Die Gesamtzahl wird nicht bekannt gegeben, aber es seien "weit mehr" als die 2500 bei Spaniens Klassiker Madrid gegen Barcelona. Spezialisten aus Argentinien sind ebenfalls dabei. Auf der Ehrentribüne wird Lionel Messi den Superclásico als Gast der Conmebol verfolgen, Cristiano Ronaldo soll ebenfalls Karten bestellt haben. Geheimsache bleibt, ob Macri kommt. Wenn ja, dann dürfte ihn Spaniens Ministerpräsident begleiten.

Pedro Sanchez und Madrids Bürgermeisterin Manuela Carmena freuen sich über satte Einnahmen. Zwischen 20 000 und 40 000 Besucher werden erwartet, deren Ausgaben für Flugtickets, Hotels und alles Weitere werden auf mindestens 55 Millionen Euro hochgerechnet. Dazu werden etwa 200 Millionen Menschen weltweit das universale Spiel im Fernsehen verfolgen. Werbung für die spanische Hauptstadt, die am 1. Juni dann schon wieder ein Finale beherbergt: das der europäischen Champions League, im Stadion von Atletico. Ein Kinderspiel im Vergleich.

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Soccer Football - Copa Libertadores Final - Second leg - River Plate v Boca Juniors

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