Super Bowl:Mark Nzeocha ist ein Streber

American Football: Mark Nzeocha von den San Francisco 49ers

Ziemlich beweglich und Experte für Spielzüge, bei denen das Ei gekickt werden muss: Mark Nzeocha von den San Francisco 49ers.

(Foto: Roy K. Miller/imago)
  • Mark Nzeocha, 30, hat dem Football alles untergeordnet. Nun steht der Franke mit den San Francisco 49ers im wichtigsten Spiel dieses Sports: im NFL-Superbowl.
  • Der Sohn eines nigerianischen Vaters und einer Mutter aus Schleswig-Holstein wird schon im ersten Spielzug seinen Auftritt haben.
  • Egal, was danach passiert, sagt Nzeocha: Diesen Moment kann ihm keiner mehr nehmen.

Von Christoph Leischwitz, Miami

Mark Nzeocha war das, was man in Deutschland einen Streber nennt. Einer, der die ganze Zeit mitschreibt, der sich nach dem Unterricht zusätzliche Infofilme ansieht, der in den Ferien weiter büffelt. Und wie das mit Strebern oft so ist: Sie selbst sehen das gar nicht so. Nzeocha sagt, er sei doch eher einer gewesen, der einfach die ganze Zeit nachsitzen musste, um auf das Niveau der anderen zu kommen.

Nzeocha war erst 13, als er zum ersten Mal ein Football-Ei in der Hand hielt. Da begann er bei den Franken Knights im Flag-Team, einer Spielart des American Football, bei der die Körper noch nicht aufeinanderkrachen. Zu Hause aber, im Garten, da ging es schon los mit der Fleißarbeit, mit seinen drei Brüdern und ein paar Freunden. "Wir haben uns dickere Klamotten angezogen, Ausrüstung hatten wir ja nicht, und dann ging es schon recht ordentlich zur Sache, mit Tackeln und so", erzählt Nzeocha. Knapp 17 Jahre später sitzt der 30-Jährige in einem Luxushotel in Downtown Miami und sagt: "Das ist alles immer noch schwer zu fassen."

Es passt zu den Übertreibungen dieser Stadt, dass die Straßen zwischen den Häuserschluchten weitläufig abgesperrt sind für den Medienauflauf um ein paar Dutzend Sportler. Über 20, 30 Stockwerke hängen Super-Bowl-Banner an Fassaden herab, in Überlebensgröße schreien Shakira und Jennifer Lopez die Touristen an, so, wie sie es in der Nacht auf Montag (ab 0.30 Uhr MEZ) in der Halbzeitshow des NFL-Finales tun werden. Nzeocha spielt dann vor allem in den sogenannten Special Teams, die auf den Platz kommen, wenn der Football nicht getragen oder geworfen, sondern weit getreten wird. Die Nummer 53 der 49ers wird also auch beim allerersten Spielzug zu sehen sein, beim Kickoff. Egal, was danach passiere, diesen Moment werde ihm keiner nehmen können, sagt er.

Aber wie ist der Junge aus dem beschaulichen Neusitz bei Rothenburg ob der Tauber da nur hineingeraten?

Die Scouts behielten ihn im Auge

Sebastian Vollmer ist auch zur Pressekonferenz gekommen. Der Hüne aus Kaarst hat mit den New England Patriots zweimal den Super Bowl gewonnen. Wie viele ehemalige Footballer ist er heute Berichterstatter und lebt weiterhin von dem Sport. Seine Anwesenheit zeigt, dass europäische Ausländer durchaus etabliert sind in und um die National Football League (NFL). Und auch Nzeochas Werdegang ist dafür ein beeindruckendes Beispiel.

Der Sohn eines nigerianischen Vaters und einer Mutter aus Schleswig-Holstein studierte in den USA. Er schaffte auch den Sprung in diese Szene, weil deutsche Spieler mittlerweile besser vernetzt sind, sie werden mehr beobachtet als noch vor 15 Jahren. Und das, obwohl 2007 der europäische Liga-Ableger, die NFL Europe, eingestellt wurde. Damals dachten viele, das würde die Kontakte in die USA kappen. Doch dann entwickelten sich Auswahlteams wie das der Juniorennationalmannschaft zur Showbühne. Und viele Spieler nahmen ihr Schicksal selbst in die Hand.

Zu verdanken hat Nzeocha (ausgesprochen: Ne-so-tscha) den Sprung ins Uniteam einer Topliga dem Münchner Oliver Schober. Der war ein Jahr vorher an der University of Wyoming eingeschrieben. "Ich habe Highlight-Tapes meiner Freunde zusammengestellt, richtige Bewerbungspakete", erzählt Schober, er nennt Nzeocha "seinen Jungen". Insgesamt holte er vier weitere Spieler in die Provinz, darunter auch Marks Bruder Eric Nzeocha. Denn Schober traf in Marty English auf einen Defensivcoach, der offen war für Neues. Die herausragenden athletischen Fähigkeiten Nzeochas waren leicht zu erkennen. Für das Spielverständnis musste er dann eben nachsitzen.

Nach seinem Kreuzbandriss bekam Nzeocha die nächste Chance

In seinem dritten Jahr an der Universität sammelte Nzeocha als Rückraum-Abwehrspieler für die Gegner bedrohliche 101 Tackles. Im vierten und letzten Unijahr stieg seine Motivation zunächst weiter an, er fühlte sich voll angekommen im Team, und auch die ersten sechs Spiele liefen richtig gut. Doch dann, nach der siebten Partie, da schien plötzlich alles vorbei zu sein, Nzeocha dachte: "Ich gehe wieder nach Hause, nach Deutschland." Der Abwehrspieler sollte einfach nur den gegnerischen Ballträger aufhalten. Doch bei dieser Aktion ruckelte sein Knie auf einmal so eigenartig. Es war nur ein Standardspielzug, doch dabei riss ihm das Kreuzband.

An dieser Stelle waren vor Nzeocha schon viele Deutsche gescheitert. Auch Oliver Schober hatte ja nach einer schweren Verletzung den Anschluss nicht mehr gefunden. Doch obwohl Nzeocha 2015 bei den sogenannten Combines, den NFL-Sichtungen vor der Spielerauswahl, gar nicht antreten konnte, wurde er von den Dallas Cowboys gedraftet, auf Position 236, in Runde sieben. "Das zeigt nur, wie genau sie ihn schon vor der Verletzung beobachtet haben", sagt Freund Schober. Er glaubt aber auch: "Ohne sie wäre er bestimmt in der zweiten oder dritten Runde geholt worden." Zwei Jahre später verpflichteten ihn die 49ers, deren Trainer Kyle Shanahan ebenfalls als innovativ gilt, offen für Neues. Nzeocha ist nun endgültig auf den Einsatz in den Special Teams spezialisiert, und dort dank seiner Sprintstärke einer der Wichtigsten. Aber er wird Sonntagnacht gewiss auch einige Male in der Defensive auf dem Feld stehen.

Vollmers Erfolge und weitere deutsche NFL-Spieler haben dazu beigetragen, dass in Deutschland ein Football-Hype entstand: Die Fangemeinde ist groß und trotzdem eingeschworen. Beim heimischen Verband hat sich die Mitgliederzahl seit 2006 verdreifacht, auf nun über 63 000 Spieler. Akteure wie Nzeocha gelten trotz ihres Auslandseinsatzes als Teil davon. Es ist ein Zusammengehörigkeitsgefühl entstanden, das Nzeocha vor einem Jahr beinahe in den Pro Bowl gehievt hätte, das jährliche Allstar-Match. Er erhielt mehr als 183 000 Stimmen, 146 000 davon aus Deutschland.

Natürlich hat er auch Fans in Kalifornien. Einer lebt nördlich von San Francisco und arbeitet in der IT-Branche: Sein Freund und ehrenamtlicher PR-Agent Oliver Schober ist eigentlich Fan der Baltimore Ravens, die vor sieben Jahren die 49ers im Finale bezwangen. Aber diesmal wird er sich vielleicht ein 49ers-Trikot anziehen.

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