Süddeutsche Zeitung

Europäische Superliga im Fußball:Säbelrasseln der immer selben Akteure

Mal wieder werden neue, alte Pläne über eine europäische Super League publik. Doch letztlich sind solche Hinterzimmer-Deals nur Ausdruck von Gedankenarmut einiger Funktionäre.

Kommentar von Thomas Kistner

Klar ist die Verzweiflung groß. Sie wächst mit jeder Woche, in der das Virus leere Stadien schafft. Was tun, um die Konten kickender Millionarios weiter aufzustocken, zumal in Englands Premier League, wo Profis aus der unteren Tabellenhälfte im Schnitt ja nur dreieinhalb Millionen Euro verdienen? Die Ärmsten. Und das nicht mal im Monat, wie Messi, Ronaldo, Neymar oder Mbappé - sondern insgesamt; also über ein ganzes, gaaanz langes Jahr verteilt?

Das ist nur noch schrecklich.

Eine Idee, die zum offenen Bruch mit der Uefa geführt hat

Gut, dass ein Kreis wohltätiger Funktionäre und Manager den perfekten Notfallplan für diese Ausnahmesituation bereithält. Ein Segen also, dass Weltfußball-Boss Gianni Infantino, dessen Wirken gerade ein Sonderermittler in der Schweiz durchleuchtet, sich von derlei Banalitäten so wenig abschrecken lässt wie seine Kameraden im Ballbusiness, die nun die Chance sehen, endlich ihren Hinterzimmer-Deal platzieren zu können: die Super League! Eine Liga nur für Superreiche; in der jüngsten Auflage 24 Klubs, darunter fünf aus England, drei aus Spanien und folglich mindestens drei deutsche.

Kaum werden die neuen, alten Planspiele publik, rudern natürlich alle flott zurück. Nein, bitte, da sei gar nichts dran. Als gäbe es keine Belege für diese Idee, die zum offenen Bruch zwischen Infantino und Europas Fußball-Union Uefa geführt hat. Letztere ist nur noch genervt vom Säbelrasseln der immer selben Akteure. Ansonsten ist sie gut geschützt.

Wer eine Superliga will, fliegt halt raus aus Europas Ballbetrieb, was auch für das Mitwirken in Nationalteams gelten kann. Schlimmstenfalls entstehen so zwei Parallelwelten, was die Fans (im Kern eine Klientel, die heute wie in post-pandemischen Zeiten den Gürtel enger schnallen muss) sicher mäßig amüsiert. Viel über das Projekt und seine Macher zeigt auch dieses Denkmodell: Wie verzehrend würden - zum Beispiel - die Fans von Dortmund oder Bayern auf Superliga-Spiele gegen Basel oder Piräus hinfiebern, würden sie in hellen Scharen dorthin reisen, wenn sich die Teams zwischen den Super-League-Rängen acht bis 22 bewegen?

Die besten Kommentare zu diesem Vorzeigeprojekt einer feindlichen Übernahme finden sich in den Tweets ehemaliger Klassekicker. Luis Figo, Portugals Größter nach Cristiano Ronaldo, meint, die Idee werde "den Fußball, den wir kennen, zerstören. Es geht nur um Gier und darum, das Spiel für einige Eliteklubs zu bewahren, und dabei die anderen Klubs und die Ligen zu töten, die die Fans lieben" - der Fußball solle sich vereint dagegen erheben. Englands Gary Neville rügt, die Pläne schlügen die nächste "Wunde" in Europas Fußball. Und der Zeitpunkt inmitten der Pandemie - der sei "obszön".

Das war's dann mal wieder. Dass Gedankenarmut Raum greift auf der Führungsebene eines Milliardenbetriebs, der ja auch ganz ohne Esprit verlässlich vor sich hin schnurrt, mag oft ein Dilemma sein. Manchmal ist es auch ein Segen.

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Quelle:
SZ vom 22.10.2020/jbe
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