American Football:Der Super Bowl spaltet die USA

American Football: Der eine steht für das liberale Kalifornien, der ander für die Anhänger von Trump: Jared Goff (l.) von den Rams und Tom Brady von den Patriots.

Der eine steht für das liberale Kalifornien, der ander für die Anhänger von Trump: Jared Goff (l.) von den Rams und Tom Brady von den Patriots.

(Foto: AFP)

Auf American Football konnten sich die Amerikaner lange als gemeinsamen Nenner einigen - doch nicht einmal das funktioniert noch. Trump-Fans halten zu den Patriots, alle anderen zu den Rams.

Kommentar von Jürgen Schmieder

In einem - und alleine, dass so etwas noch möglich ist, ist bemerkenswert - sind sich die Amerikaner tatsächlich weitgehend einig: Die Pop-Band Maroon 5 ist eine scheußliche Wahl für die Halbzeit-Show des Super Bowl. Und das, obwohl Maroon 5 doch so brav und bieder daherkommt, so politisch korrekt, so skandalfrei, ohne Kanten, massentauglich. Aber vielleicht ist genau das das Problem?

Es geht beim Endspiel der Football-Profiliga NFL am Sonntagabend in Atlanta nur vordergründig um das Duell zwischen den Los Angeles Rams und den in der Nähe von Boston beheimateten New England Patriots. Der Super Bowl, das ist immer auch eine überkandidelte Demonstration der amerikanischen Lebensweise. Die Leute zelebrieren diesen "Super Sunday" wie sonst nur Thanksgiving und den Unabhängigkeitstag. Sie versammeln sich auf Partys, trinken Alkohol und essen ungesunde Sachen. Zwischen dem Sport gucken sie die extra für den Anlass produzierten Werbefilme. Und in der Halbzeitpause, da sollen dann eben ein paar Musiker zeigen, wie es um die Popkultur steht. Michael Jackson hat das 1993 getan, U2 im Jahr 2007, Bruno Mars 2013 - und sie alle sind dafür allseits gefeiert worden in den Vereinigten Staaten.

Die Bezeichnung Vereinigte Staaten ist jedoch mittlerweile nur noch ein Witz, denn das einzige, was die Anhänger der jeweiligen gesellschaftlichen Lager eint, ist die wechselseitige Verachtung füreinander. Präsident Donald Trump wird vor der Partie eine als Interview mit dem TV-Sender CBS getarnte Botschaft an die 120 Millionen US-Zuschauer richten. Die Chance, dass er Angst vor Immigranten schüren, Werbung für seine Mauer an der amerikanisch-mexikanischen Grenze machen und/oder Kritiker beleidigen wird, liegt bei ungefähr 100 Prozent. Der Spalter wird spalten, auch an diesem Tag.

American Football war jahrzehntelang der gemeinsame Nenner, auf den sich die Amerikaner einigen konnten - doch nicht einmal das funktioniert noch. Das liegt auch am Football selbst. Dieser Sport ist immer eine darwinistische und damit ur-amerikanische Angelegenheit gewesen: Der Stärkere überlebt, es siegt der Trickreiche, der seinen Gegner übertölpelt, und nicht selten auch der Brutale, der den anderen rücksichtslos vom Spielfeld räumt. Aber so was ist gefährlich, das Interesse an Football als Jugendsport ist deshalb seit Jahren rückläufig. Die NFL hat mit vorsichtigen Regeländerungen versucht, den Sport sicherer zu machen, Gefahren zu reduzieren. Die Folge ist allerdings, dass die einen den Sport immer noch für zu brutal halten - und die anderen, darunter Trump und seine Anhänger, bloß noch für eine verweichlichte Variante des einstigen Harte-Männer-Spiels.

Die Franchise des Trump-Freundes Robert Kraft spielt gegen die Truppe aus dem liberalen Kalifornien

Wer allen gefallen will, der gefällt in den USA der Gegenwart am Ende niemandem mehr. Das führt zurück zu Maroon 5. Und auch zum Fall Colin Kaepernick.

Kaepernick, das ist der einstige Spielmacher der San Francisco 49ers - berühmt, omnipräsent, arbeitslos. Er hatte 2016 durch Niederknien während der Nationalhymne gegen Rassismus und Polizeigewalt protestiert und damit den Zorn von Trump und seinen Anhängern auf sich gezogen. Die Liga hatte dann versucht, sich weitgehend ohne klare Positionierung aus der Affäre zu stehlen und die Proteste trotzdem irgendwie loszuwerden. Bloß keine Geldgeber verärgern. Ein paar Spieler knien heute noch, Kaepernick fand keinen Klub mehr, aber das Thema ist irgendwie durch.

Die Nationalhymne beim Super Bowl wird Gladys Knight singen, die dunkelhäutige "Empress of Soul" aus Atlanta. Schon deshalb dürfte kein Akteur währenddessen knien. Eine kluge Wahl. Allerdings haben namhafte Künstler wie Jay-Z, Rihanna oder Cardi B. öffentlich verkündet, wegen Kaepernicks Verbannung und der wachsweichen Haltung der NFL zu gesellschaftlich und politisch relevanten Themen keine Lust auf einen Halbzeit-Auftritt zu haben. Auch Hip-Hop-Künstler aus Atlanta wie Migos, Ludacris oder Childish Gambino sollen deshalb abgesagt haben. Es blieben Travis Scott und Big Boi, beide nicht ganz zufällig beim gleichen Label unter Vertrag wie die kalifornische Popband Maroon 5, die doch eigentlich allen gefallen soll.

Nur: Wer allen gefallen will, der gefällt am Ende niemandem mehr.

Der Super Bowl gilt als gesellschaftlich bedeutsames Ereignis in den USA, es heißt, dass an diesem Tag der Puls dieses Landes messbar wird. Es soll um Sport gehen, es spielt aber halt die Franchise des Trump-Freundes Robert Kraft von der Ostküste mit dem Trump-freundlichen Spielmacher Tom Brady gegen die Truppe aus dem liberalen Kalifornien. Es gibt kaum jemanden in den USA, der diesen Super Bowl guckt, weil er ein spannendes Spiel sehen will. Leute aus Boston und Trump-Fans halten zu den Patriots, alle anderen zu den Rams.

Eine gemäßigte Mitte darf es nicht mehr geben.

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