Selbst die spannendsten Spiele verlieren irgendwann ihre Spannung, wenn sie immer gleich enden. Und in der NFL jubelt zum Schluss stets Taylor Swift. Die Popsängerin mit dem großen Gespür für maximalen Erfolg kommt ja gebürtig aus Pennsylvania, so wie Phil, das Murmeltier, das im berühmten Film täglich grüßt. Jetzt ist wieder die Zeit im Jahr, in der beide auftauchen. Phil sucht nach seinem Schatten, um den weiteren Verlauf des Winters vorherzusagen, Swift sucht das Arrowhead Stadium in Kansas City auf, und am Schluss fällt sie ihrem Freund Travis Kelce um den Hals.
Man kann die Uhr danach stellen oder ein rotes Kreuz in den Kalender machen: Die Kansas City Chiefs fahren wieder zum Super Bowl, zum fünften Mal in den vergangenen sechs Jahren. Jetzt ist es egal, dass deren Quarterback Patrick Mahomes in der bald zu Ende gehenden NFL-Saison manchmal ein Schatten seiner selbst war. Auch diesmal, im nächsten AFC-Finale gegen die Buffalo Bills, fand er sich zur richtigen Zeit am richtigen Ort wieder: in der Endzone des Gegners. Zum ersten Mal in dieser Saison erzielten die Chiefs mehr als 30 Punkte, und die waren auch nötig beim knappen 32:29-Erfolg gegen die verbissenen, letztlich etwas zu verkrampften Buffalo Bills.
Jetzt haben die Chiefs sogar die Chance, für ultimative Langeweile zu sorgen: Sie können am 9. Februar in New Orleans als erstes Team überhaupt zum dritten Mal in Serie den Super Bowl gewinnen – Mission „three-peat“ nennen sie das, die Dreifach-Wiederholung des Triumphs, noch keinem Team gelang das bisher. Gegner werden die Philadelphia Eagles sein, Super Bowl Nummer 59 ist also eine Neuauflage von Super Bowl 57, den die Chiefs mit drei Punkten Vorsprung gewannen. Man ahnt schon, wie es diesmal ausgehen könnte. „Das ist schon ein neues Gefühl“, sagte der einzig wahre Swiftie, Travis Kelce, allen Ernstes nach dem Sieg gegen die Bills. Man könne ja nun etwas Historisches erreichen, dafür müsse aber unten in New Orleans dann noch ein „größerer Fisch gebraten werden“.
Natürlich ist das Duo Mahomes/Kelce immer noch eines der besten seines Fachs. Doch die gesamten Playoffs, und vor allem die beiden Conference-Finalspiele des Wochenendes, haben gezeigt: Die Zeiten der großen Shootout-Spiele, in denen Geschwindigkeit und Athletik der Passempfänger Spiele entscheiden, sind erst einmal vorbei. Von insgesamt 19 Touchdowns in diesen beiden Partien wurden 14 in die Endzone getragen, nicht geworfen. Besonders auffällig war das bei den Eagles in ihrem einseitigen Heimspiel gegen die Washington Commanders. Die Eagles haben es schlicht nicht nötig, hohes Risiko zu gehen, weil sie in Saquon Barkley einen Läufer haben, der für risikofreies Spektakel sorgt. Warum den Football 60 Yards durch die Luft werfen, wenn Barkley mit seinem ersten Ballkontakt über 60 Yards zum Erfolg rennt? Commanders-Quarterback Jayden Daniels hätte man zugetraut, als erster Anfänger-Quarterback überhaupt ein Team in den Super Bowl zu führen, doch die Commanders scheiterten mit 23:55 dann doch sehr klar. Erfahrung siegt.

Im Fall von Mahomes ist das riskante Passspiel meistens nur die zweite Option. Immer wieder schwer zu stoppen sind seine sogenannten „roll-outs“, wenn er sich einmal um die eigene Achse dreht und über rechts selbst mit dem Ball läuft. Sind die Blocks der Vorderleute gut gesetzt, läuft er selbst zum Touchdown, gegen die Bills gleich zweimal. Ansonsten sucht er eben Kelce, was diesmal aber auch nur zweimal der Fall war – weil Kelce auch ein gelernter Blocker ist und als solcher mindestens genauso wertvoll. Erfahrung siegt auch hier.
Entscheidend für den Sieg war aber vor allem die Abwehr der Chiefs. Immer wieder zwangen sie Bills-Spielmacher Josh Allen zu jenen riskanten Spielzügen, die man sich ersparen will. Immer wieder mussten die Bills beim vierten Versuch das Risiko eingehen, einen neuen ersten Versuch zu erkämpfen, anstatt den Ball tief in die Hälfte des Gegners zu treten. Kurz vor Schluss kam ein Allen-Wurf nicht an, weil ihn die aggressive Chiefs-Abwehr nicht genau genug werfen ließ – zumindest ein Field Goal, und damit eine Verlängerung, wäre leicht möglich gewesen.

Damit haben die Bills zum vierten Mal in einem Playoff-Spiel gegen die Chiefs verloren. Sie werden es wohl nicht aus den Köpfen bekommen, dass sie sich das alles ein bisschen selbst zuzuschreiben haben. Denn 2017 traten die Bills im Draft, der Auswahl neuer Spieler im Frühjahr, einen Pick in der ersten Runde an die Chiefs ab. Und die holten sich damit: Mahomes. Außerdem dürfte sich auch Bills-Chefcoach Sean McDermott fühlen wie in „Und täglich grüßt das Murmeltier“, weil er immer wieder gegen seinen ehemaligen Chef Andy Reid verliert. Reid war Chefcoach in Philadelphia, als McDermott dort für die Abwehr zuständig war. Zweifellos hat er viel von ihm gelernt. Das Geheimnis, wie man die entscheidenden Momente auf seine Seite zieht, hat Reid aber offensichtlich für sich behalten.
Es kommt nun also zum Zusammentreffen zweier Favoriten auf den Titel, die Chiefs haben den besseren Quarterback, die Eagles den besseren Runningback. Deshalb wird das Spiel trotzdem mit Spannung erwartet. NFL-Commissioner Roger Goodell will indes die lukrative Zitrone weiter auspressen und die Saison verlängern. Nach Jahrzehnten hatte die NFL die reguläre Saison von 16 auf 17 Spieltage erweitert, jetzt sollen es 18 werden, das sei der „nächste logische Schritt“, findet Goodell. Und das, obwohl sich immer mehr Spieler verletzen und gar nicht mehr die Hand vorhalten, wenn sie darüber sprechen, wie erschöpft sie sind. Noch fragwürdiger wird diese Maßnahme aber vor allem dann, wenn weiterhin immer wieder die gleichen Mannschaften den Titel ausspielen.