Sechster Sieg im Super Bowl:Die Regentschaft der Patriots geht weiter

  • Die New England Patriots gewinnen den Super Bowl durch ein 13:3 gegen die Los Angeles Rams.
  • Vor allem in der Offensive haben beide Teams in dem Duell große Probleme. Es ist der punkteärmste Super Bowl der Historie.
  • Den Patriots hilft unter anderem ein Geistesblitz von Quarterback Tom Brady.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Es lief noch das Aufwärmprogramm für das Endspiel um die Vince-Lombardi-Trophy, als Ricky Proehl, Angriffsspieler der favorisierten Rams, eine deutliche Kampfansage an die Football-Welt schickte. "Heute Abend wird eine neue Dynastie geboren", posaunte der Wide Receiver fröhlich grinsend in die Fernsehkameras - und er sollte recht behalten: An diesem Abend im Februar 2002 wurde in der US-Profiliga NFL tatsächlich eine neue Dynastie geboren, allerdings nicht jene, die Proehl im Sinn hatte. Es begann die nun beinahe zwei Jahrzehnte währende Herrschaft der New England Patriots um ihren damals sehr jungen Quarterback Tom Brady. Die Rams, seinerzeit vorübergehend in St. Louis beheimatet und später nach Los Angeles zurückverpflanzt, verschwanden hingegen in der Versenkung.

Bradys Regentschaft wird noch mindestens ein Jahr weitergehen, denn 17 Jahre nach Proehls fataler Fehlprognose mussten die Rams in der Nacht zu Montag den NFL-Titel erneut den Patriots überlassen. Die Sportsfreunde aus Foxborough, 30 Autominuten südlich von Boston gelegen, gewannen den Super Bowl in Atlanta mit 13:3 - in einem Spiel, das zeitweilig Chancen hatte, als das punkteärmste überhaupt in die Geschichte der US-Profiliga einzugehen (es war zumindest das punkteärmste Duell im Super Bowl). Die Patriots sind nun neben den Pittsburgh Steelers das einzige Team, das im Kampf um die Lombardi-Trophäe sechsmal triumphiert hat.

Es war vor diesem Spiel ja vom Duell der Generationen die Rede gewesen: der 41-jährige Veteran Brady gegen den 24-jährigen Nachwuchs-Quarterback Jared Goff, Bill Belichick, 66, seit 19 Jahren Trainer der Patriots und mit jetzt sechs Titeln erfolgsreichster Coach der NFL-Geschichte, gegen den mit 33 Jahren halb so alten Sean McVay, der als der Newcomer-Trainer überhaupt gilt. Noch einmal schlug nun Alt Jung, schlug Erfahrung Spritzigkeit, behielt Nervenstärke die Oberhand über Unbekümmertheit, die an diesem Abend eher in Nervosität umschlug.

Es war, das muss man unumwunden sagen, ein verdienter Sieg der Haudegen aus Neuengland. Die Patriots sind in der US-Sportwelt ein bisschen das, was der FC Bayern München in Deutschland ist: respektiert ob ihrer Erfolge, bei vielen gegnerischen Fans aber unbeliebt, um nicht zu sagen verhasst - wegen ihres Dusels und ihrer gelegentlichen Arroganz. Nicht wenige hatten sich deshalb gewünscht, dass die jungen ungestümen Rams die alten Helden um Belichick, Brady und Club-Eigner Robert Kraft, 77, endlich zu Fall bringen. Doch nie während der 60 Minuten hatte man wirklich den Eindruck, dass sich diese Hoffnung erfüllen könnte.

Julian Edelman wird als wertvollster Spieler des Finales ausgezeichnet

In der gesamten ersten Halbzeit hatten beide Offensivreihen praktisch nichts zustande gebracht, was naturgemäß auch daran lag, dass die jeweiligen Verteidigungsblöcke ungemein aggressiv und effektiv zu Werke gingen. Rams-Antreiber Goff wurde gleich dreimal mit dem Ball in der Hand von Gegenspielern zu Boden gerissen, nachdem er sich nicht hatte entscheiden können, wohin er passen sollte. Mehr als ein Dutzend Mal wurde der Quarterback, dem mehrere kleiderschrankgroße Bewacher zur Seite stehen, zudem ohne Ball umgeworfen. Das hinterlässt nicht nur hässliche blaue Flecken, sondern zerrt auch kräftig an den Nerven.

Auch Brady wurde einmal mit dem Ball zu Boden gedrückt, zudem gelang ihm das Kunststück, gleich den allerersten längeren Pass des Spiels in die Arme eines Gegners zu werfen - was ihm in 19 Jahren in einem Playoff-Spiel noch nie passiert war. Obwohl sich der Altmeister im Gegensatz zu seinem jungen Herausforderer im Laufe des zweiten Viertels ein wenig fing, gelang es auch ihm zunächst nicht, den Ball auch nur in die Nähe der Endzone zu befördern. Stattdessen mussten beide Mannschaften das Spielgerät immer wieder zum Gegner zurückschießen, weil ihnen die Angriffsmöglichkeiten auszugehen drohten.

Einziger Akteur in Super-Bowl-Form war nicht nur in dieser Phase Patriots-Receiver Julian Edelman, der zehn Pässe fing und 141 Yards mit dem Ball lief. Er wurde folgerichtig nach dem Spiel als wertvollster Spieler des Finales ausgezeichnet. Immerhin kamen die Patriots der Rams-Endzone in der ersten Halbzeit zweimal so nahe, dass sie sich an einem Field Goal versuchen konnten. Kicker Stephen Gostkowski schaffte es im zweiten Versuch, den Ball aus 42 Yards zwischen die Pfosten zu schießen, die Patriots gingen entsprechend mit einer 3:0-Führung in die Pause.

Auch nach der Halbzeit lief bei den Rams nicht viel zusammen, insbesondere Patriots-Verteidiger Dont'a Hightower gelang es immer wieder, Goff so unter Druck zu setzen, dass dem jungen Quarterback auch nicht ein einziger raumgreifender Pass gelang. In keinem der acht ersten Angriffsversuche schafften die Rams mehr als fünf Spielzüge - eine wahrlich miserable Bilanz. Auch den beiden Edel-Laufspielern Todd Gurley und C.J. Anderson gelang wenig bis gar nichts. Immerhin schaffte Rams-Kicker Greg Zuerlein schließlich mit einem Schuss fast von der Mittellinie eine Art Verzweiflungs-Field-Goal: Es war nach fast 45 Minuten der allererste Versuch der Rams, zu punkten - 3:3. "Wir haben Punkte!", rief CBS-Kommentator Jim Nantz mit gespielter Begeisterung und ein wenig Sarkasmus in der Stimme ins Mikrofon.

Doch es war dann nicht Goff, sondern Brady, der sieben Minuten vor dem Ende endlich jenen Geistesblitz hatte, der einen großen Spieler von einem guten unterscheidet. Sein 29-Yard-Pass fand Receiver Rob Gronkowski, der erst unmittelbar vor der Endzone von der Rams-Verteidigung zu Fall gebracht werden konnte. Im nächsten Versuch gelang Running Back Sony Michel der erste Touchdown des Spiels, nachdem man zeitweise befürchtet hatte, dass dieses Finale tatsächlich ohne direkt aus dem Spiel erzielte Punkte würde auskommen müssen. Gostkowski erhöhte per Extrapunkt auf 10:3.

Der Wachwechsel im US-Football ist verschoben

Kurz sah es so aus, als habe Brady sein Gegenüber ausgerechnet mit dem ersten wirklich guten Pass des Spiels wachgeküsst, denn endlich schien auch die Angriffsmaschine der Rams ins Rollen zu kommen. Als Goff nach ein paar gelungenen Pässen jedoch zu einer Bogenlampe ansetzte, die bei Patriots-Verteidiger Stephon Gilmore landete, war das Spiel entschieden. Mit gesenktem Blick, das Gesicht hinter dem Schirm seiner Baseballkappe verborgen, nahm Goff auf der Team-Bank Platz, während Patriots-Kicker Gostkowski eine Minute vor Schluss per Field Goal den 13:3-Endstand herstellte.

Der Wachwechsel im US-Football ist also verschoben, zumal Brady nach dem Spiel bekräftigte, dass er mitnichten ans Aufhören denkt. Mit sechs Titeln ist er der erfolgreichste Spielmacher der NFL-Geschichte - und das obwohl er nie der begabteste Quarterback der Liga war. Wohl aber der nervenstärkste.

Am Ende des Abends blieb nur die politischste aller Fragen, nämlich die, ob die Patriots der Einladung ins Weiße Haus folgen werden, die in den nächsten Tagen sicher bei der Geschäftsstelle eingehen wird. Seit Donald Trump im Amt ist, ist in den USA alles politisch, selbst ein Football-Spiel - und das nicht nur, weil der Präsident sich in die Belange der Liga eingemischt und Spieler wie den Quarterback Colin Kaepernick, die beim Abspielen der Nationalhymne aus Protest gegen Polizeigewalt und soziale Ungerechtigkeit knien, als "Hurensöhne" beleidigt hat. Die Patriots sind obendrein sein Lieblingsteam. Als die Mannschaft den Einzug ins Finale schaffte, jubelte Trump via Twitter. Als die Rams sich qualifizierten, blieb sein Schwatzkanal dagegen still.

Hinzu kommt, dass der Präsident sowohl mit Brady als auch mit Patriots-Eigner Robert Kraft befreundet ist, obwohl dieser ein erklärter Anhänger der Demokraten ist. Kraft, der "seinen" Quarterback vor dem Spiel wie einen Sohn geküsst hatte, erklärte seine Sympathie für den Präsidenten einmal damit, dass ihm nach dem Tod seiner Frau kaum jemand so sehr zur Seite gestanden habe wie Donald und Melania Trump.

Mehrere Pop-Stars wie Jay-Z und Rihanna hatten es aus Solidarität zu Kaepernick abgelehnt, bei der berühmten Halbzeitshow des Super Bowls aufzutreten. Stattdessen spielten die Poprockband Maroon 5 sowie die Rapper Travis Scott und Big Boi. Trump bekräftigte unmittelbar vor dem Spiel in einem Fernsehinterview, auch NFL- Spieler hätten zwar das Recht, gegen Missstände zu protestieren. Sie dürften dabei aber nicht "unsere Flagge und unsere Nationalhymne entweihen".

Patriots-Eigner Kraft und Brady hatten Trump wegen seiner Beleidigungen gegenüber Kaepernick und trotz ihrer Freundschaft zum Präsidenten in der Vergangenheit durchaus kritisiert. 2017, nach dem Gewinn des letzten NFL-Titels, blieben mehr als zwei Dutzend Spieler der Patriots dem Ausflug ins Weiße Haus fern, darunter Brady. Welches Zeichen er diesmal setzen wird, wird sich zeigen.

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