Super Bowl im American Football:"Kannst Du das glauben?"

In der Super Bowl, dem Finale der Football-Liga NFL, treffen am Sonntag in Indianapolis die New York Giants auf die New England Patriots. Die Giants sind Außenseiter, haben jedoch zum einen in den vergangenen Wochen herausragend agiert - und verweisen zum anderen gerne darauf, dass ihnen vor vier Jahren schon einmal eine Überraschung gelungen ist.

Jürgen Schmieder

Osi Umenyiora ist ein Footballspieler von angsteinflößender Statur, eine Ein-Mann-Naturgewalt. Er ist 1,91 Meter groß und 116 Kilo wuchtig, um keinen Zweikampf verlegen und ein Spezialist darin, den gegnerischen Spielmacher kräftig zu Boden zu reißen.

New York Giants at San Francisco 49ers

Wuchtiger Verteidiger: Osi Umenyiora von den New York Giants (links) reißt beim Halbfinale den Spielmacher der San Francisco 49ers um.

(Foto: dpa)

Wenn der Verteidiger der New York Giants sentimental wird, dann muss etwas Besonderes passiert sein - und so saß Umenyiora nach dem Erfolg der Giants bei den San Francisco 49ers in der Umkleidekabine wie ein kleiner Junge neben Trainer Tom Coughlin: "Ich habe ihn gefragt: 'Kannst du das glauben?'"

Coughlin schüttelte den Kopf. Er konnte ebenfalls nicht glauben, dass die Giants als Vertreter der NFC im Endspiel stehen. Die meisten hatten die Green Bay Packers erwartet, die beinahe eine perfekte Saison geschafft hätten. Oder die 49ers. Oder die gerade am Ende der regulären Saison starken New Orleans Saints. Doch nun spielen die Giants am Sonntag in der Super Bowl gegen die New England Patriots, den Gewinner der AFC.

"Wir sind der Außenseiter", sagt Umenyiora, "aber das waren wir vor vier Jahren auch. Alles, was damals geschehen ist, passiert nun wieder. Es sollte genauso sein!" Auch vor vier Jahren hatten die Giants drei Playoff-Spiele auswärts gewonnen und im Halbfinale durch ein Field Goal in der Verlängerung gesiegt. Auch damals waren die Gegner in der Super Bowl die favorisierten Patriots. Auch damals gewannen die Giants.

Die Finalteilnahme vor vier Jahren wurde von vielen als Unfall gesehen - der Erfolg als Unfall, an dessen Ende eben das schöne Auto explodiert. Die Giants nämlich hatten durch ihren Sieg den Patriots die perfekte Spielzeit, die Saison ohne Niederlage geraubt, die deshalb bis heute nur den Miami Dolphins im Jahr 1972 gelungen war.

In diesem Jahr indes gibt es veritable Gründe dafür, dass New York durchaus verdient im Endspiel steht. Einer davon ist Quarterback Eli Manning, einst als Schnösel mit Schrotflinten-Arm verspottet, nun geachtet ob seiner Ruhe und Führungsqualitäten. "Er ist im vierten Viertel eines entscheidenden Spiels genauso ruhig wie im ersten Viertel eines Saisonvorbereitungsspiels", sagt sein Bruder Peyton, der als einer der besten Spielmacher aller Zeiten gilt.

Produktive Offensive, poröse Verteidigung

Die reguläre Spielzeit der Giants war tatsächlich nicht spektakulär, am Ende konnten sie eine Bilanz von 9:7 vorweisen und sind damit erst das dritte Team seit Einführung der 16-Spiele-Saison, das mit weniger als zehn Siegen im Finale steht. Die wichtigen Spiele jedoch hat New York meist knapp gewonnen, oder besser: Manning hat sie gewonnen.

Beim 37:34 im entscheidenden Spiel um die Playoff-Teilnahme gegen die Dallas Cowboys warf er drei Touchdown-Pässe, auch bei den knappen Erfolgen gegen die Buffalo Bills (27:24), die Miami Dolphins (20:17) und die New England Patriots (24:20) agierte Manning umsichtig und fast fehlerfrei. "Er ist ein großartiger Anführer", sagt Passempfänger Jake Ballard, "ein Anführer muss in der Lage sein, die Fehler von anderen zu akzeptieren - und darin ist Eli der Beste."

Ballard ist einer von Mannings liebsten Anspielstationen, die anderen Receiver sind Victor Cruz, Hakeem Nicks und Mario Mannigham. Die Leistungen der vier Passempfänger gehören zu den größten Überraschungen dieser Saison. Eli Manning antwortete auf die Frage, ob er mit derart formidablen Vorstellungen gerechnet habe: "Nein." Manager Jerry Reese sagte: "Nö." Und Kevin Gilbride, verantwortlich für die Offensive der Giants, sagte gar: "Ach, überhaupt nicht!"

Die Giants verfügen über eine durchaus produktive Offensive, die Defenisve dagegen gehört zu den schwächsten der Liga: 376 Yards pro Spiel erlaubten sie ihren Gegnern in der regulären Saison, was zu durchschnittlich 25 gegnerischen Punkten führte.

Diese Defensive trifft nun auf New Englands Quarterback Tom Brady und dessen Passempfänger, die noch besser sind als die der Giants. Bei den Patriots ist quasi jeder Spieler ein herausragenden Receiver, der eine "8" auf dem Trikot trägt. Wes Welker (83), Rob Gronkowski (87), Aaron Hernandez (81) und Deion Branch (84) sind die bevorzugten Anspielstationen Bradys - was dazu führt, dass Chad Ochocincio (85) - einer der besten Empfänger der Liga - gar nur sporadisch eingesetzt wird. "Wir werden rausgehen und ein paar Tritte in den Hintern verteilen", verkündete Brady unter der Woche.

Auf die markigen Worte Bradys reagierten die Giants gelassen. "Ich kenne Tom Brady und Bill Belichick sehr gut", sagte Umenyiora, "ich bin mir sicher, dass die beiden sich an uns rächen wollen. Und ich weiß auch, dass sie den Gegner vor Spielen gerne nervös machen." Die Patriots, so die Meinung zahlreicher Giants-Spieler, sollten lieber mal auf ihre eigene Defensive aufpassen. Die erlaubte nämlich 411 Yards und 21,4 Punkte pro Spiel.

Man darf also durchaus ein spannendes, spektakuläres und punktreiches Spiel erwarten an diesem Sonntag. Umenyiora übrigens sorgte unter der Woche für Aufregung, als er Termine mit Journalisten schwänzte und dafür mit einer Strafe von 20.000 Dollar belegt wurde. "Das war mein Fehler, ich akzeptiere auch die Höhe der Strafe", sagte Umenyiora. Er will offenbar am Sonntag nach dem Spiel in der Umkleidekabine sitzen und seinen Trainer fragen: "Kannst Du das glauben?"

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