Super Bowl:"Ich bin ein schwarzer Quarterback, das macht vielen Leuten Angst"

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Zwölf Mal lief Cam Newton inklusive Playoffs in die gegnerische Endzone, das reichte für Platz eins in der kompletten Liga. (Foto: dpa)
  • Beim Super Bowl treten die North Carolina Panthers gegen die Denver Broncos an.
  • Das Duell zwischen den beiden Quarterbacks Cam Newton und Peyton Manning wird in den USA als auch Duell zwischen Schwarz und Weiß gesehen.
  • Dabei ist eines neu: Newton versteckt seine Einzigartigkeit nicht wie viele schwarze Spielmacher vor ihm, er präsentiert sie stolz.

Von Jürgen Schmieder

Cam Newton ist schwarz. Natürlich ist die Hautfarbe eines Akteurs, das hat eine detaillierte Überprüfung der Sporthistorie ergeben, weitgehend unerheblich für den Ausgang einer Partie im American Football. Beim Endspiel zwischen den Carolina Panthers und den Denver Broncos am Sonntag in Santa Clara dürften, wie sonst auch, andere Faktoren ausschlaggebend sein: Talent, Vorbereitung, Nervenstärke, Taktik und womöglich auch einfach nur Glück. Dennoch drehen sich zahlreiche Debatten vor dem Super Bowl darum: dass Cam Newton, der 26 Jahre alte Spielmacher der Panthers, schwarz ist.

Cam Newton ist nicht der erste afroamerikanische Spielmacher in der nordamerikanischen Profiliga NFL. Das war Fritz Pollard im Jahr 1921. Newton wäre auch nicht der erste, der den Titel gewinnt. Das war Doug Williams im Jahr 1988. Das Außergewöhnliche an Newton ist, neben seinen herausragenden sportlichen Fähigkeiten, dass er sich nicht wie seine Vorgänger ans Establishment anpasst und möglichst nicht auffällt. Newton hält sich an das Lied von Donna Summer: "If You Got It, Flaunt It!" Wenn du es hast, dann zeig' es auch.

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Unter der Woche wickelte er sich eine Super-Bowl-Fahne um den Kopf, präsentierte sich als Freestyle-Rapper und sagte: "Ich spreche Spanisch und Englisch, ich bin in Ebonics aber auch ganz gut." Ebonics, das Wort gibt es nicht. Newton meinte damit: Ich spreche so, wie es die Schwarzen auf der Straße tun. Das sorgte wieder für Aufregung, weil er auch noch sagte: "Ich bin ein schwarzer Spielmacher, das macht vielen Leuten Angst."

Der wilde Desperados gegen den alten Sheriff

Wenn die Hautfarbe von Sportlern ein Thema wird, geht es nur ganz selten tatsächlich um Sport. Beim Läufer und Weitspringer Jesse Owens ging es einst um die Reaktionen der Nazis wie der Amerikaner auf seine Olympiasiege 1936 in Berlin. Bei Jackie Robinsons Debüt als Baseballprofi ging es 1947 auch um eine gesellschaftliche Revolution. Bei der Tennisspielerin Serena Williams geht es seit Beginn ihrer Karriere oft um Perlen im Haar, und wenn sie nach ihren Siegen tanzt, muss sie manchmal darüber sprechen, ob sie das absichtlich in einer Art Ghetto-Style tut.

Die Hautfarbe des einen wird umso sichtbarer, wenn die des Gegners anders ist: Joe Lewis gegen Max Schmeling. Magic Johnson gegen Larry Bird. Und nun Cam Newton gegen Peyton Manning, den Spielmacher der Broncos.

Newton, 26, gegen Manning, 39, darauf wird dieser Super Bowl zugespitzt. Der Quarterback ist nun mal die bedeutendste Position im Football. Und das Duell des wilden Desperados (Newton) mit dem alten Sheriff (Manning), der vor dem Ritt in den Sonnenuntergang noch einmal für Ordnung sorgt, lässt sich auch wunderbar vermarkten. Es gibt aber noch einen anderen Grund. Peyton Manning ist weiß.

Er ist der Sohn eines ehemaligen NFL-Quarterbacks, sein Bruder ist ebenfalls Spielmacher. All das wird keine Rolle beim Ausgang des Finales spielen, aber es macht die Geschichte noch einen Tick griffiger. Manning, der Spross einer typischen Football-Familie, der zudem ein schon wieder filmreifes Jahr hinter sich hat: der 39 Jahre alte Recke, der sich durch die Saison eher gekämpft als gespielt hat. Verletzt, auf die Ersatzbank verbannt und mit dementierten, aber noch immer nicht ausgeräumten Dopinggerüchten belastet.

Der kommt nun also zurück, kann seine zweite Meisterschaft gewinnen - und sollte bitte schön auch noch den Vorwurf entkräften, in entscheidenden Partien meist zu versagen. So eine Geschichte lieben die Amerikaner, sie gehört in Hollywood zum Standard-Programm. Der Hauptdarsteller war dabei fast immer weiß und meistens Kevin Costner.

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Dem Quarterback wird vorgeworfen, sich Wachstumshormone beschafft zu haben. Görges verliert bei den Australian Open im Doppel. Klopp darf mit Liverpool nach Wembley.

Manning dürfte diese Partie nicht gewinnen können, dafür ist er nach 18 Spielzeiten nicht mehr athletisch, vor allem aber nicht mehr präzise genug. Er muss vielmehr versuchen, sie nicht zu verlieren. Er muss den umsichtigen Kapitän geben, der selbst keine Fehler macht. Er muss nicht glänzen, er darf nur nicht negativ auffallen. So wie zuletzt: In den neun Spielen vor seiner Verletzung hatte er den Ball 17 Mal zum Gegner geworfen, in den drei Partien seit der Genesung nicht mehr.

Newton ist ein Spielmacher, den es so noch nie gab

Newton dagegen wird eine andere Strategie verfolgen: Er muss auffallen, will er seine Mannschaft zum Titel führen. Zwölf Mal lief er inklusive Playoffs selbst in die gegnerische Endzone, das reichte für Platz eins - nicht unter den Quarterbacks, sondern in der kompletten Liga. Dazu kommen 38 Touchdown-Pässe, und das, obwohl der beste Receiver der Panthers, Kelvin Benjamin, schon die komplette Saison ausfällt. Newton ist nicht nur groß und kräftig und schnell, sondern auch vielseitig und intelligent und nervenstark - ein Spielmacher, wie es ihn noch nicht gab in dieser Liga. Er zeigt, was er kann. Und er spricht darüber. Warum nicht?

Er hat registriert, dass er seine Kollegen mit formidablen Leistungen, markanten Worten und ulkigen Tänzen motiviert - und seine Gegner frustriert. Eine besorgte Mutter in Tennessee veröffentlichte nach einem von Newtons Touchdown-Tänzen einen offenen Brief, in dem sie ihm Unsportlichkeit, Egoismus und Arroganz vorwarf. Newtons Reaktion: "Sie darf ihre Meinung haben. Sollte ich sie verletzt haben, dann tut es mir leid. Aber: Ich bin, wer ich bin." Die Frau entschuldigte sich bald darauf und wünschte Newton alles Gute.

Newton versteckt seine Einzigartigkeit nicht wie viele schwarze Spielmacher vor ihm, er präsentiert sie stolz. Dazu hat ihm sein Mentor Warren Moon geraten. Der erklärte kürzlich, dass er sich vor 30 Jahren als schwarzer NFL-Quarterback zu sehr angepasst habe, um dem weißen Establishment nur ja nicht zu missfallen. Newton sagt: "Niemand hat mich verändert, niemand zwingt mich zu irgendwas. Wenn ich in den Spiegel sehe, dann sehe ich mich - und ich will, dass das die anderen Menschen auch nur mich sehen."

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"Ich habe vom ersten Tag meiner Profilaufbahn betont, dass ich ein schwarzer Spielmacher bin", sagt also Cam Newton, und jetzt geht es eben doch wieder um Sport: "Das Einzige, was sich für mich verändert hat: Wir gewinnen." Das ist bedeutsamer, als Newton womöglich glaubt. Was die meisten Athleten eint, deren Hautfarbe ein Thema wurde: Nur wegen ihrer sportlichen Leistungen haben die Zuschauer sie ja auf den Schild gehoben. Und dann zu diskutieren begonnen.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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