Super Bowl in Los Angeles:In der Stadt der Engel ist die Hölle los

Super Bowl in Los Angeles: Die Anhänger der Los Angeles Rams sind überzeugt: Nach der Leidenszeit haben auch sie den Titel verdient.

Die Anhänger der Los Angeles Rams sind überzeugt: Nach der Leidenszeit haben auch sie den Titel verdient.

(Foto: Kirby Lee/USA TODAY Sports)

Los Angeles ist der Gastgeber des Super Bowl - und alles in der Stadt ist darauf ausgelegt, dass die heimischen Rams den Titel gewinnen. Der Verein selbst pokert mit seiner Zukunft um den Triumph.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Die Los Angeles Rams hatten einen diabolischen, hundsgemeinen und scheinbar perfekten Plan geschmiedet, doch das Schicksal, dieser miese Verräter, kehrte ihn ins Gegenteil um. Der Super Bowl findet in diesem Jahr in Los Angeles statt, in einem fünf Milliarden Dollar teuren Sportpalast, der erst in dieser Saison eröffnet wurde und die Heimstätte der Rams ist. Das Team spart sich also nicht nur die Anreise, es kann die zweiwöchige Vorbereitung auf das Endspiel auch im eigenen Trainingszentrum nördlich des Strandstädtchens Malibu absolvieren. Zudem versammelt sich die ganze Stadt hinter der Mannschaft, die Begeisterung ist überall zu spüren. Man kann keine zehn Meter gehen, ohne ein Super-Bowl-Plakat oder jemanden in Rams-Kleidung zu sehen. Die Mannschaft hat es also ganz gut getroffen, allerdings: Sie ist bei diesem Super Bowl offiziell das Auswärtsteam.

Man könnte nun fragen: Na und? Die Antwort: Sie haben bei diesem Stadion an wirklich alles gedacht, also auch daran, die Umkleidekabine der Heimmannschaft so funktional wie möglich zu gestalten, und die des Gegners als Mausoleum. Es sind verwinkelte Räume, die Spieler können sich auf dem Weg zur Dusche tatsächlich verlaufen, und es ist unmöglich, als Trainer eine Ansprache ans komplette Team zu halten - doch braucht es die freilich vor so einer wichtigen Partie, ob das nun ein Beckenbauer'sches "Geht's raus und spuit's Football" ist oder eine sentimentale "Wir kämpfen um jeden Zentimeter"-Rede wie die von Al Pacino im unvergessenen Football-Film "An jedem verdammten Sonntag".

In Los Angeles ist alles darauf ausgelegt, dass die Rams am Sonntag gegen die Cincinnati Bengals den Super Bowl gewinnen, so wie beim sogenannten Finale dahoam 2012 in München alles darauf ausgelegt war, dass der FC Bayern die Champions League gewinnt. Wer sich an die Stimmung in München damals erinnert, der möge sie ums Zehnfache multiplizieren - für Amerikaner ist Übertreibung beim Sport schließlich Normalzustand.

Und auch die Rams haben alles darauf ausgelegt zu triumphieren. Um das zu verstehen, ist ein kleiner Ausflug nach Detroit nötig. Dort hatte Matthew Stafford, der Quarterback der Rams, zwölf Jahre lang gespielt. Weil er die Erfolglosigkeit der Franchise nicht mehr aushielt, hatte er dann einen Transfer verlangt und war vor dieser Saison nach L.A. gekommen. In so einem Moment werden für manche Fans die einstigen Helden schnell zu Hassfiguren, Trikots werden verbrannt. Wer allerdings ein Stimmungsbild der Footballfans aus Staffords alter Wirkungsstätte einholt und mit Tyler Tucco, Manager der "Detroiter Bar" telefoniert, der erfährt, dass die Institution am Sonntag The Stafford sein wird. Die Stimmung ist laut Tucco selbst bei Hardcore-Lions-Fans positiv: "Hat es verdient, der Junge."

Super Bowl in Los Angeles: Einer für die spektakulären Ballfänge: Rams-Receiver Odell Beckham Jr.

Einer für die spektakulären Ballfänge: Rams-Receiver Odell Beckham Jr.

(Foto: Mark J. Terrill/AP)

Dieser Satz könnte das Motto der Rams fürs Finale sein, es gibt nämlich ein paar Spieler, die diesen Ring, den man beim Sieg an den Finger gesteckt bekommt, verdient hätten. Odell Beckham Junior zum Beispiel, einer der spektakulärsten Passempfänger der Geschichte (wer das nicht glaubt, möge sich ein paar der Fänge im Internet angucken, den Einhändigen-im-Rückwärtsfallen etwa oder den Superman-in-der-Endzone), der nach sieben Jahren der Erfolglosigkeit bei den New York Giants und den Cleveland Browns im November nach L.A. kam. Zur virtuellen Pressekonferenz von Beckham schaltete sich plötzlich Jarvis Landry zu, Receiver der Browns - ein Kontrahent mittlerweile also, doch der sagte: "Du arbeitest so hart, du hast es verdient, im Finale zu sein; und jetzt hol dir diesen Ring." Oder Verteidiger Von Miller, ebenfalls erst im November gekommen. Er hat zwar 2015 mit den Denver Broncos den Titel gewonnen, seitdem jedoch eine Durststrecke saharahafter Dimensionen erlebt; und die soll nun enden.

Im Kader der Rams und bei den Fans gibt es eine große Gier nach dem Titel

Die Rams haben den Kader wegen der sportlichen Qualität so zusammengestellt, aber eben auch wegen der unbedingten Gier nach dem Titel. Dafür haben sie sogar ihre Zukunft geopfert, weil sie für die Spieler, die sie geholt haben, Wahlrecht bei künftigen Talentbörsen aufgegeben haben. Sie hatten zuvor schon ein paar Jungs im Aufgebot, die den Super-Bowl-Sieg verdient hätten; der zweite Top-Receiver Cooper Kupp zum Beispiel oder die Verteidiger Aaron Donald und Jalen Ramsey - allesamt Kandidaten für die Aufnahme in die Hall of Fame, die Ambition auf eine Plakette in der Ruhmeshalle des Sports könnten sie mit dem Titel untermauern. Alles für den Sieg in dieser Saison also, beim Finale dahoam.

So sehen das die Einwohner von L.A. auch für sich selbst, das war in dieser Woche deutlich zu spüren. Sie finden, dass sie diesen Titel verdient haben als treue und leidgeplagte Footballfans; es ist nämlich so: Die Rams zogen 1995 nach 48 Jahren in Los Angeles nach St. Louis - und gewannen dort 1999 den einzigen Super Bowl ihrer Geschichte. Den letzten Titel für eine Football-Franchise aus L.A. holten die Raiders 1983, doch zogen die 1995 nach Oakland und spielen mittlerweile in Las Vegas. Als die Rams 2016 nach L.A. zurückkehrten, kramten die Angelenos ihre alten Trikots hervor, mit den Namen von Legenden wie Eric Dickerson, Jack Youngblood, Jackie Slater. Auch in der Super-Bowl-Woche begegnen einem ständig die uralten Leibchen auf den Straßen der Stadt.

Es wird die Hölle los sein am Sonntag in der Stadt der Engel; etwas anderes als ein Triumph ihrer Rams kommt nicht infrage, die Außenseiter aus Cincinnati müssen nicht noch 54 Jahre auf den ersten Titel ihrer Geschichte warten, aber mindestens noch eines. Wer den Angelenos die Geschichte vom gescheiterten Fußballfinale dahoam und dem Triumph der Münchner ein Jahr später erzählt, der hört, dass die Rams das ja alles bereits erlebt haben: vor drei Jahren, gegen die New England Patriots; diese schmachvolle 3:13-Niederlage. Es darf also nichts schiefgehen diesmal, nicht mal als Auswärtsteam im heimischen Stadion.

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