Suizid von Robert Enke:Inbegriff der Sicherheit

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Ein Torwart darf kein Nervenflattern zeigen: Auch nach dem Tod seiner Tochter war Robert Enke auf dem Platz die Ruhe in Person - doch wie es wirklich in ihm aussah, weiß niemand.

Hans Leyendecker

Ein Torwart ist der Inbegriff der Sicherheit. Er darf kein Nervenflattern zeigen, er muss stark sein - egal wie es in ihm aussieht. Der Suizid eines Torwarts, der doch so oft der Held in der Schlacht ist, hinterlässt also echte Fassungslosigkeit. Was kann einen Menschen so weit treiben, auf einem Bahngleis einem derart bitteren Ende entgegenzugehen?

Robert Enke bei seinem letzten Spiel, am 8. November 2009 in Hannover. (Foto: Foto: dpa)

Suizid sei eine letzte Lebensäußerung, sagen die Suizidforscher. Hinter ihr stehe der Versuch, eine menschliche Tragik zu beenden. Vor allem Männer wählen den Weg auf den Schienen, vor allem, wenn es draußen kalt und dunkel wird. Da ist der Landrat aus Karlsruhe, der sich vor den Zug wirft, der Priester aus dem Fränkischen und der Milliardär und Unternehmer Adolf Merckle, der im Januar dieses Jahres auf diese Art seinem Leben ein Ende setzte.

Der Tod auf der Schiene ist ein öffentlicher Tod, ein lauter Tod. Da geht keiner still aus dem Leben. Es ist ein Weg, der todsicher ans Ziel führt, häufig die Lokomotivführer traumatisiert und im Fall des Nationaltorwarts eine ganze Nation. "Aber doch nicht Robert Riese, der doch nicht", hat einer der Fans gesagt, die sich am Dienstagabend vor dem Stadion ihres Torwarts versammelt hatten.

Welchen konkreten Anlass es für diesen Entschluss gegeben hat, wissen wir nicht. Noch nicht. Im Fall des Milliardärs Adolf Merckle konnten wir ihn zumindest ahnen: Die Familie erklärte damals sehr nüchtern, die durch die Finanzkrise verursachte wirtschaftliche Notlage seiner Firmen und "die damit verbundenen Unsicherheiten, sowie die Ohnmacht nichts ändern zu können", hätten den "leidenschaftlichen Familienunternehmer" gebrochen.

Weiterleben im Schatten der Katastrophe

Was hat Robert Enke gebrochen? Die ersten Nachrufe handeln von kleinen und größeren Unglücksfällen im Leben des Mannes, der die personifizierte Sicherheit zu sein hatte. Da ist vor allem der Tod seines Kindes vor drei Jahren. Der Tod eines Kindes aber ist kein Rückschlag, kein Schicksalsschlag, es ist die Katastrophe schlechthin. Es gibt wenig auf der Welt, was im Leben eines Menschen eine größere Katastrophe sein kann, als der Tod des eigenen Kindes.

Wenn wir schon sterben müssen, dann von oben nach unten, nie umgekehrt. Die Eltern, die zurückbleiben, bleiben wirklich zurück und sie versuchen oft lebenslang, im Schatten dieser Katastrophe weiterzuleben. Robert Enke, so hieß es, habe einen Teil der Trauerarbeit auf dem Platz verrichtet. Er hatte sich gleich wieder ins Tor gestellt und die Branche hatte ihn bewundert, weil sein Spiel unter dem Verlust der Tochter nicht gelitten habe.

Was wissen wir über uns, über die anderen? Wissen wir, wie es wirklich in uns und in den anderen aussieht? Nichts ist sicher, keiner ist sich sicher. Nicht einmal ein Torwart.

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