Süddeutsche Zeitung

Verletzung von Süle:Die Hummels-Debatte kommt

  • Niklas Süle war im Plan von Joachim Löw Abwehrchef der kommenden Europameisterschaft. Aber nach seinem Kreuzbandriss wird er höchstens angeschlagen zur EM reisen können.
  • Alternativen zu ihm wären Antonio Rüdiger, Matthias Ginter - oder eben Mats Hummels.
  • Doch Löw wollte Hummels nicht mehr berücksichtigen. Die Debatte muss der Bundestrainer nun moderieren.

Von Christof Kneer

Bei Sami Khedira war es damals vier Wochen später. Es war Mitte November des Jahres 2013, als dem Mittelfeldspieler das Kreuzband riss, und die Experten waren sich einig: Das würde nichts mehr werden bis zur WM 2014. Nur sechs Monate später würde ja schon die Vorbereitung auf das Turnier in Brasilien beginnen, und selbst wenn Khedira bis dahin gerade so gesund sein würde: Er würde kaum diese WM spielen können, vor der die Deutschen so viel Respekt hatten. Das Ende dieser Story findet man heute in jedem Sportgeschichtsbuch: Die deutsche Mannschaft wurde Weltmeister, auf dem Weg dahin besiegte sie unter anderem Brasilien 7:1, unter anderem traf dabei Sami Khedira.

Aber ob das Niklas Süle trösten wird, dem das Kreuzband nun immerhin schon im Oktober entzwei ging?

"Das ist eine ganz bittere Nachricht, in erster Linie natürlich für Niklas selbst", ließ Bundestrainer Joachim Löw am Sonntag ausrichten. Süles Ausfall sei selbstverständlich auch für die Nationalelf "schmerzlich, die Verletzung beeinträchtigt auch die Entwicklung unserer im Umbruch befindlichen jungen Mannschaft".

Da war es wieder, das Wort "Umbruch", das den deutschen Fußballdiskurs zurzeit so prägt wie wohl nie zuvor. Die beiden führenden Teams im Land, der FC Bayern und die Nationalelf, vollziehen gerade ihre Generationswechsel, und auch wenn es nie eine gute Zeit für Kreuzbandrisse gibt: Ein so verheerendes Timing wie dieser Kreuzbandriss von Süle hatte schon lange keine Verletzung mehr. Gemeinsam mit Joshua Kimmich gilt Süle als tragender Pfeiler dieses neuen Deutschlands. "Niklas ist ein Gesicht der jungen Generation, er war ein Fixpunkt in unseren Planungen", sagt Löw.

Grundsätzlich ist das Leben eines Bundestrainers kein schlechtes, er kann sich überall die prächtigsten Rosinen herauspicken, aber in solchen Momenten zeigen sich auch die Tücken des Amtes: Anders als der FC Bayern kann die Nationalelf im Winter keine neuen Spanier oder Franzosen anwerben; Löw muss nehmen, was er hat. Zwar könnte es Süle bis zur EM im Juni knapp schaffen, aber ob dieser schwere Mann dann schon in der Verfassung wäre, um der jungen Elf zu helfen? Löw hat Mats Hummels und Jérôme Boateng ja auch deshalb so überfallartig verabschiedet, weil er seinen neuen Abwehrchef gefunden hatte, eben Süle, an dessen Seite Antonio Rüdiger oder Matthias Ginter emporwachsen sollten. Nun müssen Rüdiger und Ginter womöglich die EM-Innenverteidigung bilden, der Binnendruck ist gering - die Alternativen möchte man sich spontan nicht in einem EM-Halbfinale vorstellen: Sie heißen Jonathan Tah (Leverkusen), Thilo Kehrer (Paris), Niklas Stark (Hertha) und Robin Koch (Freiburg), auch Emre Can (Juventus Turin) könnte notfalls zentral verteidigen.

Was Löw aber am meisten schmerzt: Er weiß, dass er nun erst recht eine Mats-Hummels-Debatte aushalten muss. Jeder Zweikampf, den Hummels beim BVB gewinnt, wird sofort einen öffentlichen Aufschrei nach sich ziehen: Jogi, hol Hummels zurück! Löw mag solche Debatten nicht, er ist in solchen Fällen auch kein besonders versierter Moderator. "Wir werden überhaupt keinen Druck aufbauen und Niklas weiter bestmöglich unterstützen", sagte er am Sonntag noch.

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Quelle:
SZ vom 21.10.2019/schm
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