Süddeutsche Zeitung

Trainer von DFB-Gegner Südkorea:Asiens Mourinho hat ungewöhnliche Ideen

  • Wenn die DFB-Elf am Mittwoch gegen Südkorea spielt, dann trifft sie auf deren Trainer Shin Tae-yong, der schon so oft mit Joachim Löw verglichen wurde.
  • Er gilt nicht gerade als gewiefter Taktiker, dafür verfügt er über ein grenzenloses Selbstbewusstsein.
  • Hier geht es zum Spielplan der Fußball-WM.

Von Benedikt Warmbrunn, Kasan

Am Samstag zum Beispiel hatte sich Shin Tae-yong für einen dunkelblauen Anzug entschieden, darunter trug er ein hellblaues Hemd, und weil es heiß war in Rostow am Don, zog er sein Jackett irgendwann aus, er öffnete die oberen beiden Knöpfe seines Hemdes. Natürlich sah Shin Tae-yong blendend aus. Die Ärmel krempelte er zwar nicht hoch, und doch muss sich Shin nichts vorwerfen. An ihm liegt es ganz bestimmt nicht, dass es nun wohl nicht zu den Bildern kommen wird, auf die sich die Fotografen der Welt seit einem halben Jahr freuen.

Als Deutschland bei der WM-Auslosung Südkorea zugeteilt bekam, jubelten auch die Fotografen und alle anderen Freunde von Bildercollagen. Deutschland gegen Südkorea, das war ja auch das Duell der beiden Männer, von denen Fotos schon so oft nebeneinander gelegt worden waren. Zu sehen waren dann zwei Fußballtrainer in weißen oder hellblauen, stets aber eng geschnittenen Hemden, zwei Knöpfe geöffnet, die Ärmel hochgekrempelt, die Hände am Bund der dunklen Stoffhose. Dazu die schweren, dichten, dunklen Haare, minimal gescheitelt, tief in die Stirn hineinfallend. Unter den Bildercollagen stand dann: Links Shin Tae-yong, rechts Joachim Löw. Aber so ganz sicher war man sich dann meistens nicht, ob es nicht vielleicht doch genau andersherum war.

Die Bilder, die sich die Fotografen und Freunde von Bildercollagen erhofft hatten, werden an diesem Mittwochnachmittag in Kasan also nicht ganz so spektakulär ausfallen. Beide Trainer haben immer noch schwere, dichte, dunkle Haare. Joachim Löw aber trägt inzwischen bevorzugt dunkle T-Shirts. Natürlich sieht er dabei weiterhin blendend aus.

Den Löw Asiens haben sie Shin genannt, erstmals 2012, als der HSV ein Vorbereitungsturnier in Südkorea gewonnen hatte gegen Seongnam und dessen Trainer Shin. Den Südkoreaner hatte damals keiner gefragt, was er von diesem Vergleich hält, aber wenn ihn einer gefragt hätte, hätte Shin vermutlich geantwortet, dass doch Löw eher der Shin Europas sei. Shin vergleichen sie in Südkorea noch mit einem anderen europäischen Trainer, und dieser Vergleich beschreibt ihn noch besser: Sie nennen ihn auch den Mourinho Asiens.

Wie der egomanische portugiesische Trainer verfügt auch Shin über ein grenzenloses Selbstbewusstsein. Als erster Koreaner gewann er als Spieler und als Trainer die Meisterschaft, 2010 führte er Seongnam zum asiatischen Champions-League-Titel. In diesen Jahren sagte er einmal: "Ich war schon als Spieler schrecklich arrogant, aber jetzt muss ich sagen, dass ich einfach großartig bin."

Seit einem knappen Jahr betreut der großartige Herr Shin nun die Auswahl Südkoreas, als Nachfolger von Uli Stielike, unter dem am Ende sogar die Teilnahme an der WM in Gefahr war. Mit zwei torlosen Unentschieden gegen Usbekistan und Iran führte Shin die Mannschaft noch nach Russland. Und obwohl er so schrecklich von sich überzeugt ist, hatte er schon früh darum gebeten, nicht mit hohen Erwartungen ins Turnier zu gehen. "Da es bei der WM keine schlechtere Mannschaft als uns gibt, müssen wir als geschlossene Gruppe auftreten", sagte er im April. Damals kritisierten sie ihn in der Heimat, da Südkorea auch unter ihm nicht überzeugte.

Shin, der nicht als gewiefter Taktiker gilt, arbeitete im vergangenen Jahr vor allem daran, das südkoreanische System an das von Tottenham Hotspur anzupassen, an das System also, in dem sich Son Heung-min so wohl fühlt. In den meisten Testspielen ließ Shin mit einer Doppelspitze spielen, so wie es der Angreifer Son aus England kennt. In diesen Partien war die ohnehin harmlose Offensive jedoch noch zahmer. Nicht einmal in sich geschlossen trat sie auf. Beim Auftakt gegen Schweden experimentierte Shin dann mit einem Drei-Mann-Sturm, um beim 1:2 gegen Mexiko wieder zu einem 4-4-2 zurückzukehren. Wirklich beeinflusst hatte er das Spiel seiner Mannschaft durch all die Wechsel nicht, in beiden Partien hing alles von Sons Einzelaktionen ab.

An sich selbst zweifelt Shin deswegen natürlich noch lange nicht, vor wenigen Tagen sagte er: "Mit mehr Zeit und weniger Verletzungen hätten wir es besser machen können." Er, der auch schon die U20 sowie die U23 betreut hatte, wurde nach der Niederlage gegen Mexiko stattdessen grundsätzlich: "Wir haben Probleme mit unserem Fußball-System. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir unsere Meisterschaft verbessern und mit jungen Leuten arbeiten." Shin hat bestimmt schon ein paar ungewöhnliche Ideen.

Dass der 47-Jährige sich gerne etwas einfallen lässt, bewies er vor dem Turnier. In mehreren Trainingseinheiten trugen die Spieler Trikots mit falschen Nummern, allein Son trug vier verschiedene. Shin setzte darauf, dass die gegnerischen Scouts die Spieler dadurch durcheinander bringen. Eine großartige Idee. Aber sie bewirkte nichts.

Manchmal kommt es eben doch nicht allein auf die Kleidung an.

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SZ vom 26.06.2018/jbe/cat
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