Südafrika vor der WM 2010:Gewaltige Probleme

Kriminalität ist Südafrikas größte Geißel, selbst der Präsident wird bestohlen - viele fürchten um die Sicherheit der Fußball-Weltmeisterschaft 2010.

Arne Perras

Kampala - Jetzt steigen sie sogar dem Präsidenten aufs Dach. In Südafrika ist niemand wirklich sicher, das musste nun auch Thabo Mbeki erleben, der Staatschef am Kap. Diebe schafften es auf das Grundstück seiner Residenz in Pretoria, sie erklommen ihr Dach und stahlen Blitzableiterdrähte, die Überwachungskameras vor Unwettern schützen sollten. Die Räuber nutzten das Ferienwochenende nach dem 1. Mai, um sich aufs Dach zu schleichen, das gestohlene Metall hatte eine Wert von 4000 Euro. Auch am Donnerstag gab es noch keine Spur von den Einbrechern. Der Vorfall ist peinlich für die Sicherheitstruppe Mbekis. Und er wirft erneut ein Schlaglicht auf die Kriminalität im Staat, Südafrikas größte Geißel.

Südafrika vor der WM 2010: Mitglieder der SAPS (South African Police Services) bei einer Übung

Mitglieder der SAPS (South African Police Services) bei einer Übung

(Foto: Foto: dpa)

Mbeki selbst hat die Kriminalität im Land häufig heruntergespielt, manchmal mit dem Vorwurf, dass sich in der Kritik nur Rassismus spiegele. Doch Statistiken weisen das Land als eines der gefährlichsten der Welt aus, und die Opfer sind bei weitem nicht nur Weiße. Die meisten Toten gibt es in den ehemaligen Townships, den Elendsvierteln, wo die Polizei oft nur wenig ausrichten kann. Fast 250000 Einbrüche werden pro Jahr registriert. Südafrikas Zeitungen berichten jeden Tag ausführlich über neue Überfälle, Geiselnahmen, Schießereien. Die Kriminalität am Kap ist für ihre Brutalität berüchtigt. Oft wird erst geschossen und dann nach Geld gefragt, folterähnliche Quälereien sind keine Seltenheit.

Die Ursachen sind vielfältig, den jungen Leuten in den Townships fehlt es an Jobs und Perspektiven, die Apartheid hat den sozialen Zusammenhalt der Familien zerstört und psychische Wunden gerissen, die neue Gewalt auslösen. Der Staat kann die Armut nicht so schnell eindämmen, und auch die organisierte Kriminalität wächst. Der langjährige Polizeichef etwa unterhielt Freundschaften mit dubiosen Gestalten aus der Unterwelt und kann nichts Besonderes daran finden. All das schürt Misstrauen und Angst, Tausende Südafrikaner verlassen das Land, weil sie sich dort nicht mehr sicher fühlen.

Gewaltverbrechen verbreiten überall in Südafrika latente oder offene Furcht, Sicherheitsexperten warnen vor Angstneurosen, die in der Bevölkerung zunehmen: 50 Morde, 56 versuchte Morde, 150 Vergewaltigungen, 535 Raubüberfälle geschehen am Kap - pro Tag. Diese schwere Kriminalität macht auch vor der Prominenz nicht halt. Politiker, Künstler, Unternehmer - sie alle versuchen, sich mit immer mehr High-Tech zu schützen. Das Geschäft der Sicherheitsfirmen blüht. Panik-Alarmknöpfe, Elektrozäune, Kameras. Doch hundertprozentigen Schutz gegen die Gewalt gibt es nicht. Im Oktober trauerten Tausende Fans um ihr Reggae-Idol Lucky Dube, der in einem Vorort von Johannesburg erschossen wurde, als er seine Kinder bei seinem Onkel abgeben wollte. Die Verbrecher beschränken sich auch längst nicht mehr auf die Dunkelheit, auch am helllichten Tag schlagen sie zu. Mit etwa 40 Morden auf 100 000 Einwohner ist Südafrika das mörderischste Pflaster der Welt. Der Durchschnitt in der Welt liegt bei fünf Morden pro 100 000 Einwohner, Deutschland und viele andere Länder Europas liegen noch darunter.

Seitdem Südafrika den Zuschlag für die Fußball-WM 2010 bekommen hat, beschäftigt die Kriminalität auch zunehmend das Ausland, viele fragen sich, ob sie als Fans unbeschwert am Kap werden feiern können. Südafrikas Regierung verweist auf frühere Großveranstaltungen im Sport, die recht reibungslos verliefen, zudem werden die Sicherheitskräfte des Landes im Vorfeld des Fußballfestes erheblich verstärkt, mit 33 000 zusätzlichen Polizisten. Ob dies genügt, um das Vertrauen der Welt zu gewinnen, ist offen.

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