Süddeutsche Zeitung

Stuttgart:Walters exakte Prognose

Der VfB verteidigt durch einen souveränen 3:0-Erfolg gegen den benachbarten Konkurrenten Karlsruher SC den dritten Tabellenplatz in der zweiten Liga.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Eine Viertelstunde vor Anpfiff hängten die KSC-Fans die Zaunfahnen ab, die zuvor den Gästebereich geschmückt hatten. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich herumgesprochen, dass die Stuttgarter Polizei weite Teile der aktiven Fanszene der Badener, knapp 200 Personen, mit einem Platzverbot belegt hatte, angeblich waren beim Gang zum Stadion zwei Böller gezündet worden. Nachdem das Gästekontingent ohnehin von 6000 auf 4000 verknappt worden war, waren nur noch 3000 KSC-Fans im Stadion - und die schwiegen aus Solidarität mit den Ausgesperrten. "Richtige Derby-Atmosphäre ist heute nicht aufgekommen", fand dann auch KSC-Verteidiger David Pisot nach dem Spiel.

Seinen Stuttgarter Gegenspielern war das Drumherum derweil vergleichsweise egal: Nach dem 3:0 ließen sie sich vor der prall gefüllten Heimkurve feiern. Der VfB rangiert auf Platz drei und ist damit halbwegs im Soll. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass VfB-Sympathisanten eine Niederlage gegen den KSC nur ungern bis gar nicht verzeihen. Dass es während Partie über weite Strecken nicht sehr viel lauter zuging als in Spielen gegen Kiel oder Aue, lag allerdings auch am zeitweise wenig Aufsehen erregenden Spielgeschehen. Gegen den wie üblich abwartend agierenden Aufsteiger aus der dritten Liga gelang dem VfB zumindest anfangs zu wenig, um das Publikum mitreißen zu können. Den Gefallen, auf Teufel komm raus drauflos zu stürmen, tat der VfB den Badener Konterspezialisten jedenfalls nicht. Ein schöner Seitfallzieher des argentinischen Angreifers Nicólas González (36.) war neben Versuchen von Santiago Ascacíbar (13./26.) das einzig Berichtenswerte aus dem ersten Durchgang, in dem der KSC keine echte Torchance zu verzeichnen hatte.

Zu Beginn des zweiten 45 Minuten war es dann der Gast aus Karlsruhe, der die größte Gelegenheit hatte: Nach einem Fehlpass von Marc-Oliver Kempf sprintete Manuel Stiefler los und schoss den Ball an den Innenpfosten, seinen Nachschuss wehrte VfB-Keeper Gregor Kobel ab (48.). "Wenn wir so doof sind und den Ball querlegen, ist es halt so", klagte VfB-Trainer Tim Walter. Ansonsten hatte er das gesehen, was auch die 57 000 Zuschauer gesehen hatten: eine Stuttgarter Mannschaft, die keine große Mühe hatte, die seltenen Karlsruher Offensivbemühungen ins Leere laufen zu lassen.

Nach einer Stunde erreichte die Dezibelzahl doch noch Derby-Dimension: Philipp Förster gelang die Führung für den VfB. Der Mittelfeldspieler hatte zunächst den Kopf des am Boden liegenden Kempf getroffen, manövrierte den Nachschuss dann aber, wiederum über Umwege, an den eigentlichen Bestimmungsort. Es stand 1:0 für den VfB, der nun lockerer aufspielte und zu weiteren Chancen kam gegen einen KSC, der weitermachte, als ob es noch 0:0 stehen würde. Die Konsequenz war das schön herausgespielte 2:0 durch Orel Mangala (75.). "Danach haben wir nicht mehr viel auf die Kette bekommen", gab auch Pisot zu.

Während der KSC harmlos blieb, zeigte der VfB auch bei seinem ungefährdeten Sieg, warum er bislang nicht mehr Tore erzielt hat: Hamadi Al Ghaddioui vergab freistehend (86.). Dann leistete sich Stuttgarts Kempf ein Foul, das außerhalb des Fußball-Kontextes als Körperverletzung durchgehen würde. Nach seinem Einsteigen gegen Christoph Kobald, bei dem er mit beiden Beinen voraus in seinen Gegenspieler gesprungen war, stellte Schiedsrichter Tobias Stieler den Verteidiger vom Platz (87.). Als schließlich Al Ghaddioui in der Nachspielzeit einen Konter mit dem 3:0 abschloss, war das Spiel vorbei und die VfB-Fans konnten das Transparent präsentieren, das sie 90 Minuten lang bereitgehalten hatten. Darauf stand: "Derbysieger"

Im Vorfeld eines ungleichen Duells hatten beide Vereine versucht, verbal nicht zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen. Einzig Walter, beim KSC sozialisierter Trainer des VfB, mochte sich keine Zurückhaltung auferlegen lassen und prognostizierte einen Heimsieg ohne Gegentor. Sein Verein werde dabei nicht nur gewinnen, sondern auch "die Tore erzielen und keines kassieren". Was in Karlsruhe als ebenso unnötig wie unhöflich empfunden worden war, erwies sich am Sonntag dann aber als ziemlich exakte Prognose. Walter selbst wollte seine Worte sowieso nicht als Provokation verstanden wissen. Schließlich gebe es nichts Banaleres, als dass eine Mannschaft möglichst viele Tore schießen und möglichst wenige kassieren wolle: "Wenn da jemand etwas rein interpretiert, ist das nicht meine Sache."

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SZ vom 25.11.2019
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