Beim Fußball taugt das Wort „eklig“ sogar zum Kompliment. Wenn der Gegner hartnäckig, lästig, unliebsam spielt, darf man dessen Spiel so nennen, ohne eine Beleidigungsklage zu riskieren. Auch der Trainer Sebastian Hoeneß hatte das Wort benutzt, bevor sein Bundesligist VfB Stuttgart im Pokal-Erstrundenspiel beim Zweitligisten Preußen Münster antrat. „Das könnte eklig werden“, hatte Hoeneß über den zu erwartenden Widerstand der Westfalen prophezeit – aber dann wurde es gar nicht so unangenehm für den Favoriten. Direkt hinter jenem Tor, auf das der VfB in der ersten Halbzeit spielte, hing am Zaun des Münsteraner Fanblocks ein Banner, auf dem nur stand: „Schön hier!“
In jenes Tor hinein, vor genau diesem Banner, erzielten die Stuttgarter in der ersten Viertelstunde zwei Tore, binnen 35 Minuten sogar drei. Damit war das DFB-Pokalspiel, das am Ende 5:0 für Stuttgart ausging, frühzeitig entschieden. „Ich bin ganz froh, denn der Druck war groß“, sagte Hoeneß, nachdem dem Ligazweiten der vorigen Saison im dritten Pflichtspiel der neuen der erste Sieg gelungen war. Angelo Stiller (7.), Ermedin Demirovic (15.), Pascal Stenzel (35.), Nick Woltemade (72.) und Atakan Karazor (80., Handelfmeter) erzielten die Treffer. „Das hätte auch eklig werden können“, betonte Demirovic nach dem Spiel noch mal, doch dafür waren die Münsteraner zu harmlos.
2:1 hatten die Stuttgarter zuletzt im Supercup bei Bayer Leverkusen geführt – und dann im Elfmeterschießen verloren. 1:0 hatten sie im zweiten Pflichtspiel zum Bundesliga-Auftakt beim SC Freiburg geführt – und 1:3 verloren. Deshalb war die frühe 1:0-Führung in Münster zunächst noch nicht so erleichternd, erst die vier weiteren Treffer waren es. „Wir haben eine Reaktion gezeigt“, sagte Hoeneß, genau die hatte er nach der Niederlage in Freiburg auch sehen wollen. „Nach dem Freiburg-Spiel waren wir sehr unzufrieden“, unterstrich Sportvorstand Fabian Wohlgemuth bei Sky. Jetzt wollen die Stuttgarter ihre Rehabilitation im ersten Heimspiel der Saison am Samstag gegen Mainz bestätigen.
Hoeneß weiß, dass das momentan ein komplizierter Saisonauftakt ist, weil seine personell stark veränderte Mannschaft binnen kürzester Zeit funktionieren soll. Es geht jetzt nicht nur in der Bundesliga Schlag auf Schlag, in drei Wochen steht das erste Champions-League-Spiel an. Ihre Gegner werden die Stuttgarter bei der Auslosung am Donnerstagabend kennenlernen.
In Ameen Al-Dakhil ist ein neuer Verteidiger schon da
Gegen den Zweitligisten Münster hatten sie nicht mal mit einer halb improvisierten Viererkette Probleme. Der 20 Jahre junge Anrie Chase half von Beginn an aus und eine Viertelstunde vor Schluss wurde der 23 Jahre junge Ramon Hendriks eingewechselt. Für Hendriks war es der erste VfB-Einsatz, für Chase der zweite.
In der Champions League könnte sich allerdings bemerkbar machen, dass in Dan-Axel Zagadou, Anthony Rouault, Leonidas Stergiou und Josha Vagnoman bislang vier etablierte Abwehrmänner verletzt sind. Auch der am Dienstag verpflichtete Innenverteidiger Ameen Al-Dakhil (vom FC Burnley) wird wegen einer Muskelverletzung erst in drei bis vier Wochen zur Verfügung stehen. „Angespannt“, nennt Sportchef Wohlgemuth die Personallage in der Defensive.
Bald beginnt die Champions League für den VfB
„Wir müssen schnell gut in die Saison kommen“, hatte Hoeneß vor dem Spiel in der ARD gesagt, „denn wir werden nicht viel Zeit zum Trainieren haben.“ Bundesliga und Champions League im wochenlangen Akkord werden Kraft und Zeit rauben.
Mit dem Einzug in die zweite Pokalrunde Ende Oktober haben sich die Stuttgarter nun zwar einen weiteren anstrengenden Termin aufgehalst, der Kantersieg in Münster war für die Psyche aber sicher wertvoll. Und eine weitere Pokalnacht unter Flutlicht, heißt es, mache den Spielern mehr Spaß als Training – selbst wenn es dann wieder eklig zu werden droht.