Abstiegskampf in der Bundesliga:Züge einer Weltverschwörung

Abstiegskampf in der Bundesliga: Wenigstens eine positive Nachricht für den VfB Stuttgart: Tiago Tomas (links) trifft zweimal.

Wenigstens eine positive Nachricht für den VfB Stuttgart: Tiago Tomas (links) trifft zweimal.

(Foto: David Inderlied/dpa)

Beim 2:4 in Leverkusen setzt sich die Serie an Missgeschicken beim VfB Stuttgart fort. Immerhin haben die Schwaben einen neuen Hoffnungsträger gefunden: Der 19-jährige Stürmer Tiago Tomas erzielt zwei Treffer.

Von Christof Kneer

Pellegrino Matarazzo gilt als Trainer, dem eine präzise Aufarbeitung des vergangenen Spiels wichtig ist. Gerne unterlegt er seine Erkenntnisse mit Bildern und ein paar relevanten Fakten, aber in diesem speziellen Fall wird er auf das exakte Zahlenmaterial vermutlich verzichten. Er wird keine Nachmessungen in Auftrag geben, um zu verifizieren, welche Quelle stimmt. Während der eine Fernsehsender behauptete, zwischen dem erlösenden 1:1-Ausgleich des VfB Stuttgart und der erschütternden 2:1-Führung von Bayer Leverkusen hätten 2:37 Minuten gelegen, berichtete ein anderer Sender von 2:57 Minuten. Matarazzo kennt die Wahrheit, auch ohne die Daten zu befragen: Es ist beides viel zu kurz. Zumal es nach Stuttgarts Anschlusstreffer zum 2:3 noch viel kürzer dauerte, bis die Leverkusener das 4:2 schossen. Es dauerte nicht viel länger als eine Minute.

Niemand hat erwartet, dass der schwer abstiegsbedrohte VfB Stuttgart die ersten drei seiner vielen noch fehlenden Punkte ausgerechnet in Leverkusen holt, bei einer Mannschaft, die gerade lustvoll aus der Vereinshistorie des VfB zitiert. Zur Geschichte des Traditionsvereins aus Stuttgart zählt das sog. Magische Dreieck, das Ende der Neunzigerjahre von Giovane Elber, Krassimir Balakow und Fredi Bobic gebildet wurde; im Leverkusen der frühen Zwanzigerjahre haben sich nun ebenfalls drei Spieler gefunden, deren gemeinsame Spiellaune jeden Gegner in die Verzweiflung treiben kann. Moussa Diaby (1:0, 41.), Florian Wirtz (3:1, 86.) und Patrik Schick (4:2, 89.) haben nun auch den VfB besiegt - aber um ihren Spaß zu haben, mussten die drei erstmal hart arbeiten.

Zwei Lesarten vertrug dieses unterhaltsame Spiel, die eine war die vom Magischen Dreieck, dem ein sehr verdienter Leverkusener Sieg zu verdanken war. Die andere Lesart war aber, dass der VfB dieses Spiel wieder mal selber verloren hatte. Ziemlich tapfer akzeptierten die Stuttgarter die prognostizierte Unlösbarkeit ihrer Aufgabe, sie verlegten sich gegen ihr Naturell aufs gewissenhafte Verteidigen, aber wie stets in den vergangenen Wochen brachten sie sich selbst um den Ertrag. Sie kassierten nach eigenen Treffern wieder direkte Gegentore (siehe oben), und sie ließen sich wieder ein preisgünstiges Standard-Kopfballtor einschenken (Adli, 52.), das die Leverkusener wahrscheinlich gar nicht nötig gehabt hatten.

Wird die Zeit reichen, um Kalajdzic, Anton und Marmoush bis zum nächsten Wochenende fit zu bekommen?

In Stuttgart fühlt sich die Bundesliga inzwischen so an, als trage sie Züge einer Weltverschwörung. Monatelang haben sie auf ihre besten Spieler verzichten müssen, andere fielen nach ihren Comebacks sofort wieder aus, und seit Weihnachten macht sich das Schicksal nun einen Spaß daraus, dem VfB erst Elfmeter vorzuenthalten und dann abgefälschte Gegentore zu spendieren. In dieser Woche haben die Stuttgarter nun vom nächsten Hoffnungsszenario Abschied nehmen müssen: von jenem, dass bei der Vier-Punkte-Aufholjagd endlich mal die erste Mannschaft spielen kann. In dieser Woche sind tatsächlich wieder zentrale Spieler ausgefallen, der gerade erst zurückgekehrte Sasa Kalajdzic wegen einer Wadenblessur, dazu Abwehrchef Waldemar Anton und der Afrika-Cup-Rückkehr Omar Marmoush wegen Corona, und jetzt zählen sie beim VfB schon wieder die Tage. Wird die Zeit bis zum Bochum-Spiel am kommenden Wochenende reichen, um die drei gesund zu bekommen?

In Stuttgart werden sie weitermachen, es bleibt ihnen nichts anderes übrig. Sportdirektor Sven Mislintat hat dem Trainer Matarazzo erneut das Vertrauen ausgesprochen, und gemeinsam haben sie auch schon einen neuen Hoffnungsträger gefunden. Der 19-jährige Stürmer Tiago Tomas, in der Winterpause von Sporting Lissabon geholt, traf gegen Leverkusen zweimal ins Tor und einmal die Latte und könnte ein tauglicher Offensivpartner für Kalajdzic und Marmoush werden, falls die beiden ... und nun zurück zum Schicksal.

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