Stuttgart gelingt der Klassenverbleib:Jubelknäuel im wackelnden Stadion

Stuttgart gelingt der Klassenverbleib: Und in der Mitte der Menge: Sasa Kalajdzic, den die Fans durchs Stadion tragen.

Und in der Mitte der Menge: Sasa Kalajdzic, den die Fans durchs Stadion tragen.

(Foto: Robin Rudel/IMAGO/Sportfoto Rudel)

Der VfB Stuttgart schafft in letzter Sekunde mit einem Tor zum 2:1 in der Nachspielzeit doch noch den direkten Klassenverbleib - und liefert die emotionalsten Bilder des Spieltages.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Eine Ohropax-durchdringende Lautstärke, Bierduschen, die selbst auf die Pressetribüne niedergingen, tausende weiß- und rotgekleidete Menschen, die nach dem Schlusspfiff auf den Rasen stürmten: Die wohl emotionalsten Sinneseindrücke dieses 34. Spieltages lieferte ohne jede Frage der Standort Stuttgart-Bad Cannstatt, wo der VfB Stuttgart mit einem Tor in der Nachspielzeit doch noch Relegationsrang 16 mit Hertha BSC tauschte und so den direkten Klassenverbleib schaffte. Die hatten gleichzeitig 1:2 in Dortmund verloren.

"Ich habe einen Schädel nach all dem Geschrei und dem Jubel"

Nachdem man schon im vorigen Heimspiel gegen Wolfsburg erst kurz vor knapp aus null Punkten noch einen gemacht hatte, hatte es diesmal bis weit nach 17.15 Uhr so ausgesehen, als gehe der VfB mit nur einem Zähler aus der Partie heraus - was zwei Relegationsspiele gegen den noch zu ermittelnden Zweitliga-Dritten zur Folge gehabt hätte. Von den Zehntausenden, die nach dem Spiel auf dem Rasen feierten und erst 70 Minuten nach Abpfiff Platz für eine Ehrenrunde der Mannschaft machten, interessierte es dann niemanden mehr, ob es letztlich mehr Last-Minute-Glück war, das den Stuttgartern den direkten Klassenverbleib bescherte. Oder doch der nachgewiesene Wille, in den letzten drei Spielen das Unmögliche möglich zu machen. "Ich habe einen Schädel nach all dem Geschrei und dem Jubel", bekannte selbst der sonst so gelassene VfB-Trainer Pellegrino Matarazzo. "Das war Ekstase, ein toller Moment. So etwas vergisst man nie."

Stuttgart gelingt der Klassenverbleib: Die Entscheidung: Wataru Endo trifft per Kopf zum 2:1.

Die Entscheidung: Wataru Endo trifft per Kopf zum 2:1.

(Foto: Robin Rudel/Imago)

Dabei hatte es noch kurz vor der Kollektiv-Ekstase im Schwäbischen so ausgesehen, als behielten die 5000 Kölner Fans mit ihren Hohngesängen auf die vermeintliche Stuttgarter Zweitliga-Zukunft Recht. Nach optimalem Zuspiel von Borna Sosa lief Saša Kalajdžic frei aufs Kölner Tor zu, ließ sich aber vom deutlich schnelleren Gegenspieler ablaufen. Platt und abgekämpft wirkte der VfB zu diesem Zeitpunkt, holte dann aber doch noch einen Eckball heraus. Den von Chris Führich getretenen Ball verlängerte Hiroki Ito auf den zweiten Pfosten, wo Wataru Endo freistand. Der Rest war ein Jubelknäuel aus Spielern, auf dem ein völlig entfesselter Trainer Matarazzo thronte. Und die neue Erkenntnis, dass auch ein massives 60 000-Mann Stadion bedenklich wackeln kann. Zumindest dann, wenn alle vier Tribünenseiten im gleichen Rhythmus hoch- und runterspringen. Torschütze Endo übertrieb jedenfalls nur geringfügig, als er meinte, ein "explodierendes Stadion" wahrgenommen zu haben.

Auftakt der Dramaturgie: Stuttgart vergibt einen Elfmeter und geht sogleich dennoch in Führung

Matarazzo hatte angekündigt, dass der VfB schon in der Frühphase energisch und mutig auftreten wolle - auch um sich selbst davon zu überzeugen, dass man tatsächlich noch die Chance habe, aus eigener Kraft dem Relegationsplatz von der Schippe zu springen. Dementsprechend begann der VfB dann auch und hielt sein Publikum bei Laune. Bestens in die Dramaturgie dieses von massiven Stimmungsschwankungen geprägten Nachmittags passte dann bereits die Geschichte des frühen Stuttgarter Führungstreffer durch Kalajdžić. Denn der fiel nur wenige Sekunden, nachdem der Österreicher mit einem an sich nicht schlecht geschossenen Foulelfmeter am besten Kölner, Torwart Marvin Schwäbe, gescheitert war. Vergebene Elfmeter sind bekanntlich bestens geeignet, um gute Laune und Zuversicht in Team und Publikum dramatisch herunter zu kühlen. Umso wichtiger, dass die Fans, die teils noch verzweifelt die Hände vors Gesicht gehalten hatten, die nur Sekunden später zum Torjubel hochreißen konnten. Kalajdzic hatte einfach die folgende Ecke zum 1:0 hineingeköpft.

Stuttgart gelingt der Klassenverbleib: Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo (l-r), Stuttgarts Sasa Kalajdzic und Stuttgarts Tiago Barreiros de Melo Tomas jubeln nach dem Tor zum 2:1 durch Endo.

Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo (l-r), Stuttgarts Sasa Kalajdzic und Stuttgarts Tiago Barreiros de Melo Tomas jubeln nach dem Tor zum 2:1 durch Endo.

(Foto: Tom Weller/dpa)

Die Art und Weise, wie der VfB seine zahlreichen Torchancen vergab, wäre allerdings bei einem ungünstigen Spielverlauf wohl zum Gegenstand erregter Debatten geworden. Wie fahrlässig Tiago Tomas (9.) Konstantinos Mavropanos (17.), Wataru Endo (32./35.) und Kalajdžić (21./53.) beste Chancen vergaben, wäre ebenso zu diskutieren gewesen wie ein ziemlicher Druckabfall in manchen Phasen des zweiten Durchgangs oder die Tatsache, dass VfB-Torwart Florian Müller beim Gegentreffer zum zwischenzeitlichen 1:1 durch Anthony Modeste (59.) schwer patzte.

Das Spiel, dieser Eindruck drängte sich auf, hätte durchaus auch mit einer Stuttgarter Niederlage enden können, wenn der FC in der ersten Halbzeit nicht so gespielt hätte, wie man vielleicht eben spielt, wenn auf der Anzeigentafel eine klare 2:0-Führung des größten Konkurrenten um Platz sechs, Union Berlin, aufleuchtet. Erst als Bochum an der Alten Försterei zusehends herankam, wurde Köln im zweiten Durchgang besser und düpierte den VfB das ein ums andere Mal. Doch so richtig gute Laune wollte im Kölner-Block auch nicht mehr aufkommen.

Als die Stuttgarter Offiziellen die Fans endlich so weit hatten, dass die Spieler die Ehrenrunde beginnen könnten, waren die Kölner Fans längst in ihren Bussen gen Nordwesten. Ihnen bleibt zu gönnen, dass sie bei allem Ärger über den knapp verpassten Europa-League-Platz zu einem ähnlichen Saisonfazit kamen wie der FC-Trainer, der sich nur kurz mit der Spielanalyse aufhielt: "Wir wollten in dieser Saison unsere Art, Fußball zu spielen, umsetzen", sagte Steffen Baumgart. "Die Leistung von dieser Saison wollen wir in die nächste tragen."

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