Stuttgart in der Champions League:Hymne in Moll

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Zum Start der Champions-League-Saison gegen die Glasgow Rangers sorgt sich der VfB Stuttgart um die fehlende Konstanz seines neuen Spielmachers Aliaksandr Hleb.

Christof Kneer

Am Montagnachmittag kam dann doch die Meldung, das Stadion sei ausverkauft. Ausverkauft im Rahmen des Möglichen natürlich, denn in Stuttgart steht ein Stadion, das zurzeit nur drei Ecken hat. Die Arena wird im laufenden Spielbetrieb umgebaut, und wo bislang die Untertürkheimer Kurve war, hat man jetzt freie Sicht auf die Weinberge. Ein schöner Blick ist das, aber so war das eigentlich nicht geplant. Der Plan war, dass nicht die Weinberge die Attraktion sein sollen, sondern das Spiel des VfB Stuttgart. Der Plan war, dass das Spiel des VfB Stuttgart so viele Menschen anzieht, dass man eher noch ein fünftes Eck im Stadion brauchen könnte.

Aliaksandr Hleb (links) tritt in Stuttgart noch nicht so konstant auf wie erhofft. (Foto: Foto: ddp)

Nach fünf Bundesliga-Spieltagen ist es jetzt aber so gekommen, dass sie beim VfB ein bisschen Mühe hatten, ihre drei Ecken vollzubekommen. In der vorigen Woche waren noch genügend Karten für den Champions-League-Auftakt gegen die Glasgow Rangers (Mittwoch, 20.45 Uhr) auf dem Markt, ganz normale Kaufkarten, erhältlich über die Klubhomepage. Als der VfB vor zwei Jahren in die Champions League startete, kamen erst gar keine Karten in den freien Verkauf.

Nehmt all unser Geld!

Es ist naheliegend und gemein, den VfB im Herbst 2009 mit dem VfB im Herbst 2007 zu vergleichen. Naheliegend, weil beide VfBs eher mittelprächtig gelaunt in die Champions-League starteten, von einem Bundesliga-Mittelplatz aus, jeweils punktgleich mit Hannover; und gemein, weil der VfB 2007 im Sommer deutscher Meister geworden war und die ausgehungerte Stadt sich auf den FC Barcelona, Olympique Lyon und die Glasgow Rangers freute.

Im Herbst 2009 ist die Stadt eher fordernd als dankbar, und sie hat einen quälend langen Transfer-Sommer hinter sich, in dem der VfB eine Art umgekehrten Banküberfall verübte. Es war die Zeit, in der Sportchef Horst Heldt mit gezücktem Portemonnaie in die europäischen Klubfilialen eindrang und rief: Wir haben hier 30 Millionen, nehmt sofort all unser Geld! Immerhin, am Ende kamen Pawel Pogrebnjak aus St. Petersburg, für knapp fünf Millionen, und Aliaksandr Hleb, für eine kleine Leihgebühr.

Hlebs durchwachsene Leistungen

An Hleb zeigt sich am besten, warum die heilige Champions-League-Hymne an diesem Mittwoch ein bisschen nach Moll klingen wird. Der arme Hleb ist ja mit drei Problemen in Stuttgart angereist. Er ist erstens ein großartiger Fußballer, er kommt zweitens vom Champions-League-Sieger FC Barcelona, und drittens ist er sowieso ein Volksheld beim VfB. Zusammengenommen ergibt das eine Erwartungshaltung, die in scharfem Kontrast steht zum Ligastart mit fünf Punkten aus fünf Spielen - und in noch schärferem Kontrast zu den bisherigen Leistungen Hlebs, der in der Champions-League-Qualifikation in Timisoara ein zauberhaftes Solotor erzielte, seitdem aber an keinem Gegenspieler mehr vorbeigekommen ist. Der Plan war, dass Hlebs Spiel den VfB auf eine Ebene heben sollte, auf der man halbwegs guten Gewissens auch Barcelona oder Manchester begegnen kann. Die Realität ist aber, dass man sich im Stadion manchmal lieber die Weinberge anschaut.

Der VfB hat eine gute Mannschaft, er spielt auch nicht schlecht zurzeit, er steht kompakt und gibt sich Mühe, aber irgendetwas fehlt. Bei diesem Etwas handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um Hlebs leichte Füße, die diese gelegentlich etwas schwerfällige Elf dringend braucht. Es ist demnach keine gute Nachricht für den VfB, dass er auf die volle Funktionstüchtigkeit dieser Füße wohl noch etwas warten muss. Die Füße sind oft angeschlagen zurzeit, zusätzlich plagt Hleb noch eine Muskelverhärtung am Gesäß, was einen Einsatz gegen Glasgow unwahrscheinlich macht.

Es fehlt der Rhythmus

Von den Beteiligten werden bereits die ersten kleinen Krisenszenarien entworfen. "Man muss sich jetzt gemeinsam überlegen, was das Beste für Aleks ist", sagt Uli Ferber, der Berater des Spielers, "als er kurz vor dem Saisonstart zum VfB kam, war in Spanien noch Sommerpause, deshalb hatte er keine richtige Saisonvorbereitung. Was er jetzt brauchte, wäre ein vernünftiger Trainingsrhythmus über drei, vier Wochen." Stattdessen droht erstmal ein unvernünftiger Drei-Tages-Rhythmus: Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League werden von Bundesliga, DFB-Pokal und Champions League abgelöst. "Und am Mittwoch hat ihn Weißrusslands Nationaltrainer Bernd Stange 90 Minuten spielen lassen, obwohl 60 Minuten abgesprochen waren", zürnt Sportchef Horst Heldt.

"Man muss jetzt besprechen, ob es Aleks hilft, wenn man ihn mal eine Weile rauslässt", sagt Berater Ferber. Auch Trainer Markus Babbel überlegt bereits, ob er es sich leisten soll, seinen Volkshelden mal ein paar Spiele vom Sport zu befreien und ihn stattdessen dem Fitnesstrainer anzuvertrauen. Solche Debatten sind es, die das Spiel gegen Glasgow noch bedeutender machen als eine normale Champions-League-Partie.

Für die Stimmung im Klub und drumherum braucht der VfB ein paar Siege, denn im Untergrund schlummern schon einige Debattenthemen: Hlebs hohes Gehalt, Babbels Rotationsprinzip, seine häufige Abwesenheit unter der Woche wegen des Trainerlehrgangs in Köln. Aber das Gute ist ja, dass sie beim VfB genau wissen, wie man Glasgow besiegt. Mit einem 1:0 gegen die Rangers schafften die sogenannten jungen Wilden den Einzug ins Champions-League-Achtelfinale. Das war im Herbst 2003, das Stadion hatte vier Ecken, im Mittelfeld spielte Horst Heldt, und der beste Spieler war Aliaksandr Hleb.

© SZ vom 16.09.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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