Stuttgart in der 2. Bundesliga:Altschwaben mit neuem Stil

Lesezeit: 3 Min.

Glücklicher Zweitligatorjäger: Mario Gomez. (Foto: Daniel Maurer/dpa)
  • Der VfB Stuttgart gewinnt das Auftakt- und Spitzenspiel gegen Hannover 96 mit 2:1.
  • Die Mannschaft überzeugt unter dem neuen Trainer Tim Walter mit mutigem Fußball, Mario Gomez ist ein Schlüsslspieler im neuen Konzept.
  • Der Kreuzbandriss von Verteidiger Marcin Kamiński trübt die gute Laune erheblich.

Von Thomas Hürner, Stuttgart

Tim Walter hat wohl damit gerechnet, dass er bei seinem ersten Pflichtspiel unter besonderer Beobachtung stehen würde. Der neue Trainer des VfB Stuttgart gilt als personifizierter Neuanfang im Klub, lange genug wurden die Anhänger mit einem statischen und zugleich sehr erfolglosen Fußball gequält, der in der vergangenen Saison den Abstieg aus der Bundesliga zur Folge hatte. Walter weiß um die Erwartungshaltung, dass mit ihm jetzt alles ein bisschen lockerer und jugendlicher aussehen soll als unter seinen Vorgängern, den überzeugten Sakko- und Hemdträgern Markus Weinzierl und Tayfun Korkut. Zum Auftaktspiel der zweiten Liga trug Walter jedenfalls ein legeres Outfit, ein rotes Trainingsshirt und eine kurze Sporthose.

Und tatsächlich sah der 2:1 Heimsieg gegen Mitabsteiger Hannover 96 über weite Strecken, nun ja, sportlich-leger aus. Und die meisten Beobachter waren sich hinterher einig: Das hatte mit dem Mann am Rande des Spielfelds zu tun. Und das Unwetter, das in der zweiten Halbzeit über Stuttgart hereinbrach? "Naja, es hat halt geregnet", sagte der komplett durchnässte Walter nach dem Spiel. Er wirkte überaus zufrieden.

Ganz perfekt war es noch nicht, was die Stuttgarter zeigten, sie konnten nach der ersten Viertelstunde sogar froh darüber sein, dass ihre Nachlässigkeiten in der Defensive ohne Folgen blieben. Auch Walter erkannte deshalb "große Probleme, wirklich reinzukommen", aber mit welcher Unbeschwertheit seine Spieler nach der Pause Pass an Pass reihten, das war eine Wohltat für das leidgeprüfte Stuttgarter Publikum. "Wir haben einen neuen Trainer mit einer ganz anderen Intention als bisher", sagte etwa Stürmer Mario Gomez. Und er fügte an: "Wenn der Gegner in der zweiten Halbzeit nicht mehr aufs Tor schießt, das sagt schon was aus."

Der Altschwabe Gomez, 34, war es auch, der seine Mannschaft nach der Hannoverschen Drangphase in Führung schoss. Nach einer Flanke von Borna Sosa stand dieser in der 29. Minute frei am zweiten Pfosten, bei der sehenswerten Direktabnahme war der ehemalige VfB-Torwart Ron-Robert Zieler ohne Chance. "Super zufrieden" mit ihm sei Walter aber nicht nur wegen dessen Qualitäten im Abschluss, wie der Trainer nach dem Spiel verriet. Gomez habe sich einer Art Vermittlerrolle angenommen, zwischen Trainer und Mannschaft, aber auch zwischen Jung und Alt. Und gerade diese Mischung soll neben Ballbesitzfußball künftig den Markenkern des VfB ausmachen, wenn es nach dem ebenfalls neuen Sportdirektor Sven Mislintat geht. Es sei "immer gut, etwas Neues zu beginnen", sagte Mislintat nach der Partie, aber genauso wichtig seien "die Alten, die etwas gut machen wollen." In dieser Konstellation sei der Lerneffekt für alle Beteiligten am größten, deshalb habe man sich im Klub "bewusst für diesen Weg entschieden."

So ließ sich auch die von Trainer Walter gewählte Startaufstellung lesen: Neben jungen Zugängen wie Torwart Gregor Kobel, Mittelfeldspieler Atakan Karazor oder Angreifer Hamadi Al Ghaddioui begannen mit Gonzalo Castro oder Daniel Didavi auch einige erfahrene Akteure, neuer Kapitän ist der Verteidiger Marc-Oliver Kempf. Spielmacher Didavi, 29, bekam von Mislintat sogar ein gutes Aussehen bescheinigt. Der Gelobte traf per Freistoß zum zwischenzeitlichen 2:0 (36.). Diesen hätte Torwart Zieler "an einem guten Tag" zwar halten können, befand Hannover-Trainer Mirko Slomka. Angesichts der zweiten Hälfte sei der Sieg für den VfB zwar "absolut verdient" gewesen, aber auch Slomka konnte Positives im Auftritt seiner Spieler erkennen. In den ersten 25 Minuten hätten diese gut attackiert und den Gegner mit dieser mutigen Spielweise sogar ein Stück weit überrascht, sagte er, "aber wegen der Witterungsbedingungen mussten wir uns immer wieder zurückziehen." Ein Umstand, der durch den Platzverweis für Matthias Ostrzolek (64.) noch einmal erheblich erschwert wurde.

Tatsächlich wirkten die 96er ein wenig erschöpft nach ihrem dynamischen Beginn, daran vermochte auch der Anschlusstreffer nicht mehr viel zu ändern (39.). Maxime Awoudja, kurz vorher eingewechselt für den verletzten Verteidiger Marcin Kamiński, unterlief mit seinem ersten Ballkontakt in seiner ersten Profipartie ein äußerst unglückliches Eigentor. In der Schlussphase wurde Awoudja noch mit Gelb-Rot des Feldes verwiesen (85.), eine umstrittene Entscheidung. Gewichtiger war die Nachricht, die der VfB am Samstagvormittag mitzuteilen hatte: Kamiński hat sich einen Kreuzbandriss zugezogen und fällt vermutlich sechs Monate aus. Gut möglich, dass Mislintat auf dem Transfermarkt nochmal aktiv wird, nachdem Timo Baumgartl zum PSV Eindhoven gewechselt ist und Holger Badstuber nicht als Stamminnverteidiger gesehen wird. Mislintat sagte, er wolle sich die Personalsituation "genau anschauen".

Eine derart schwere Verletzung war in der Pause bereits vermutet worden, ließ Trainer Walter wissen, der Umgang seiner Mannschaft mit diesem "Nackenschlag" sei deshalb durchaus bemerkenswert. Die Stuttgarter kombinierten sich in der zweiten Halbzeit von Chance zu Chance, einzig ein weiterer Treffer wollte ihnen einfach nicht mehr gelingen. Die mangelnde Verwertung der Tormöglichkeiten stelle zwar noch ein Problem dar, an dem es zu arbeiten gilt, sagte Walter. Dass es trotzdem geklappt hat mit diesem "sehr wichtigen Erfolg" liege aber am Selbstvertrauen, dem Mut und der Überzeugung seiner Spieler. Eigenschaften übrigens, die auch Walter selbst zugeschrieben werden. Und die manchmal auch nach außen dringen, wenn er ein bisschen in Redefluss ist. "Ja", sagte Walter dann noch, "hier kann etwas entstehen."

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