Süddeutsche Zeitung

Stuttgart - Freiburg (18 Uhr):Kein Verein für "Managerle"

Beim SC Freiburg streiten Mitglieder und Vereinsführung für den Erhalt der 50+1-Regel. Doch der Verein will auch gewappnet sein, falls die Regel gekippt wird. Ein Dilemma.

Von Christoph Ruf, Freiburg

Jochen Saier hat eine anstrengende Transferperiode hinter sich. Seit die Vereine aus der Premier League mit Geld nur so um sich werfen, fällt es dem Freiburger Sportdirektor noch schwerer, interessante Spieler von den Vorzügen der Studentenstadt im Dreiländereck zu überzeugen. Selbst Aufsteiger Huddersfield bekommt 200 Millionen Euro an TV-Geldern. Ein guter Zweitligaspieler, der früher im SC die nächste Sprosse auf der Karriereleiter gesehen hätte, wechselt heute oft lieber auf die Insel in die zweite, als nach Deutschland in die erste Liga.

Saier ist nicht der Einzige unter den 14.000 Freiburger Mitgliedern, der Angst vor der nächsten Geld-Keule hat: einer möglichen Abschaffung der 50+1-Regel, die bislang in Deutschland den Einfluss von Sponsoren limitiert. Fällt diese Regelung in ein paar Jahren - beispielsweise durch ein Urteil des europäischen Gerichtshofes - sieht es düster aus für den Profifußball in Freiburg. Denn wenn 50+1 fällt, fürchten sie in Freiburg, würde sich eine ungute Tendenz der letzten Jahre potenzieren.

Bereits heute landen die Investitionen - von den Fernsehgeldern ganz zu schweigen - entweder bei den Spitzenteams, die viele Spiele in internationalen Wettbewerben bestreiten. Oder bei Vereinen wie dem HSV, die von einem großen Namen und dem Standort in einer der reichsten Städte Europas profitieren. Zwischen diesen beiden Polen würden kleinere Vereine, die solide wirtschaften, zerrieben werden, weil die Schere zwischen Arm und Reich dann in deutlich schnellerem Tempo auseinanderreißen würde. Daimler steigt eben beim VfB Stuttgart, dem Freiburger Gegner am Sonntag (18 Uhr), mit 40 Mio. Euro ein - und nicht beim SC, der den VfB nach dessen Abstieg zumindest sportlich überflügelt hatte.

So zumindest lautete der Tenor auf der Freiburger Mitgliederversammlung am vergangenen Donnerstag. Und so sieht es auch die Vereinsführung, die sich bei DFL-Sitzungen für den Erhalt der Regel einsetzt und die Rechtsform des eingetragenen Vereines am liebsten für immer beibehalten würde. Zeit zu handeln und aktiv zu werden - so sieht es zumindest eine größere Gruppe von SC-Mitgliedern, die sich im Winter gründete und sich "Mitgliederinitiative Einzigartiger Sport-Club Freiburg e.V." nennt. "Wir sind überzeugt, dass die starke Positionierung und der Einsatz für einen gesellschaftsfähigen Fußball zu Kernwerten der 'Marke' Sport-Club Freiburg werden können", heißt es in einer Erklärung der Gruppe, die auch eine "Diskussion über die Grenzen des Wachstums anstoßen" möchte.

Ursprünglich wollte die Initiative bei der Mitgliederversammlung einen Antrag auf Satzungsänderung stellen, der gewährleistet, "dass der Profifußball in Freiburg ausschließlich in den Händen des eingetragenen Vereins und damit seiner Mitglieder bleibt", auch dann, wenn der EuGH die Klausel grundsätzlich kippt. Doch wenige Tage vor der Mitgliederversammlung zogen die meist jungen Mitglieder ihren Antrag zurück. Der SC habe zugesichert, dass die Mitglieder "frühzeitig in Überlegungen zu neuen Strukturen eingebunden werden", falls 50+1 abgeschafft werde. Auch hinter den Kulissen soll es vertrauensbildende Gespräche gegeben haben.

Mit dem Rückzug der Anträge ist dem Sportclub möglicherweise eine harte Diskussion erspart geblieben, denn letztlich forderte die Initiative ja nichts anderes als die schriftliche Fixierung dessen, was auch die Vereinsführung will. Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Heinrich Breit betonte am Donnerstag noch mal: "Wir gehen unseren Weg. Da spielen Investoren keine Rolle." Präsident Fritz Keller hatte schon im Vorfeld betont, man werde den Verein nicht irgendwelchen Business-Leuten überlassen: "Wir brauchen keine Managerle, die in Quartalsergebnissen denken."

Doch wenn die Regel fällt, will die Vereinsführung handlungsfähig bleiben, ein zu enges Korsett in den Statuten hätte das unmöglich gemacht. "Wir wollen nicht ausgliedern", formuliert Saier das Dilemma. Doch irgendwann könne man vielleicht dazu gezwungen sein. "Wir müssen zusehen, dass wir noch gestalten können, wenn der Tag X kommt."

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Quelle:
SZ vom 29.10.2017
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