Stuttgart empfängt die Bayern:Warten auf den Einkaufsbummel

Ein Übergangsjahr, das nicht so heißen darf: Trainer Bruno Labbadia will den VfB Stuttgart neu bauen - und hofft, dass er nach einigen Transfergewinnen jetzt endlich in ein stärkeres Team investieren darf. Doch vor dem Spiel gegen den FC Bayern zeigt sich, dass sich im Ländle trotz eines soliden Jahres noch nicht alle einig sind.

Christof Kneer, Stuttgart

Wer Lust auf ein richtig schönes Streitgespräch hat, der kann Bruno Labbadia ja mal fragen, warum er so wenige junge Spieler aufstellt. Labbadia ist normalerweise ein ausschweifender Erzähler, er kommt von der aktuellen Situation beim VfB Stuttgart auf den Abstiegskampf der vergangenen Saison, auf seine persönliche Situation, auf die Lage der Liga, auf den Fußball allgemein, auf seine letzte Silvesterfeier mit einem Köln- und einem Gladbach-Fan und von da wieder auf die aktuelle Situation beim VfB.

Werder Bremen - VfB Stuttgart

Nach oben soll es mit dem VfB gehen - nur wie? Sportdirektor Fredi Bobic und Trainer Bruno Labbadia.

(Foto: dapd)

Labbadia redet so, wie van Gaal Fußball spielen lässt. Er hat sehr viel Ballbesitz im Gespräch, er passt sich selbst die Stichworte zu. Fragt man ihn aber die Junge-Spieler-Frage, dann antwortet er ohne jeden Querpass. Er argumentiert dann steil nach vorne. Er sagt: "Eines muss doch klar sein: Nicht jeder junge Spieler ist automatisch ein Götze." Oder: "Der Vorwurf, dass wir die Jungen nicht einsetzen würden, ist fast schon eine Beleidigung für unser Trainerteam."

Bruno Labbadia kämpft. Es sind vor allem zwei Dinge, die den Trainer des VfB zurzeit umtreiben: dass er manchmal für etwas verantwortlich gemacht wird, wofür er nichts kann - für diesen leicht ältlichen Patchwork-Kader etwa, der vor seiner Zeit zusammengeflickt wurde. Und dass ihm manches nicht angerechnet wird, was er sich gerne anrechnen lassen würde - zum Beispiel, dass die Geschichte des Tabellensiebten aus Stuttgart keinesfalls grau und unspektakulär ist. Sondern eine Erfolgsgeschichte.

Am 12. Dezember wird Labbadia ein Jahr im Amt sein, allein das ist eine Nachricht, die der ARD sieben Brennpunkte wert sein müsste. Die Liga war im Dezember 2010 ja recht amüsiert über diese Kombination: dass der VfB, der immer im Herbst die Trainer rausschmeißt, einen Trainer holt, der gerne nach einem Dreivierteljahr rausgeschmissen wird.

Für die Journalisten war das toll, sie wussten, sie können ihren Urlaub jetzt so planen, dass sie bei der nächsten Trainer-Entlassung im November wieder im Dienst sind, und außerdem haben sie ein Dreivierteljahr Zeit, Labbadias Nachfolger zu suchen. Es ging auch gleich spektakulär los, mit zwei Pleiten gegen den FC Bayern, 3:5 in der Liga, 3:6 im Pokal.

Ein Jahr später steht nun wieder ein Spiel gegen die Bayern an, und Bruno Labbadia ist immer noch da. Er sitzt in der VfB-Geschäftsstelle, völlig mit sich im Reinen, und macht mit gutem Recht diese Rechnung auf: "Wir haben in meiner Zeit 52 Punkte geholt", sagt er, "wir haben den Klassenerhalt geschafft, das Stadion fertig gestellt und ein sensationelles Transfer-Ergebnis erzielt." Neun Millionen gab's für den Mittelfeldrenner Träsch. Und mindestens sieben Millionen für den Jungtorwart Leno.

Labbadia findet, dass man diese Details schon sehen sollte, wenn man aus der Distanz auf den VfB Stuttgart blickt. Aus der Distanz sieht das ja so aus, dass sie in Stuttgart die beste Nachwuchsarbeit im Land verantworten, dass sie ständig Preise in der Kategorie "Aufzucht & Hege" abräumen, dass die Juniorenteams beim DFB randvoll sind mit Talenten vom VfB - dass der Profikader desselben VfB aber zu den ältesten der Liga zählt und aus Pogrebnjaks, Boulahrouz', Bokas, Mazas und Molinaros besteht.

Man sollte Labbadia also wirklich nicht fragen, warum er keine Jungen einsetzt. Er würde ja gerne. Aber der Kader, den er täglich bei Laune halten muss, ist schon groß genug. Und die aktuellen Junioren, sagt er, seien "noch nicht so weit".

Labbadias Wunschzettel

Bruno Labbadia hat bisher einen sehr seriösen Job gemacht beim VfB. Er hat der Elf ihre Launen abtrainiert, er hat ein Team geschaffen, das kompakt und konkurrenzfähig ist. Der VfB, der am Sonntag den FC Bayern empfängt, ist das Ergebnis präziser Trainerarbeit. Dieser VfB wirft aber auch die Frage auf: Wie viel kann Trainerarbeit jetzt noch leisten? Ist "der nächste Schritt", den Labbadia fordert, mit diesem Flickerlteppich von Kader überhaupt zu schaffen? Oder muss der Kader erst begradigt werden? Allerdings: mit welchem Geld?

"Man merkt, dass hier in kurzer Zeit viele Trainer waren", sagt Labbadia. Er will keine Kritik an den Vorgängern üben, er weiß, "wie schwierig Planungen sind, wenn man sich mal im letzten Moment für die Champions League qualifiziert oder wenn Spieler wie Khedira oder Träsch erst im Spätsommer den Klub verlassen". Aber ihn bringt diese Vorgeschichte jetzt in Schwierigkeiten.

Er würde den Fans gerne zurufen: "Lasst uns geduldig sein wie Dortmund damals mit Jürgen Klopp! Lasst uns in Ruhe den neuen VfB bauen und ein, zwei Übergangsjahre spielen!" Aber er kann das böse Wort mit "Ü" nicht laut sagen. Übergangsjahr, das klingt nach Larifari, nach Abschied von der Ambition.

Es ist schon kurios, dass gerade Labbadia, der als hyperultrasuperduper-ehrgeizig gilt, die Ansprüche bremsen muss. Dass er, dem es nie schnell genug gehen kann, demonstrativ den Fuß vom Gas nimmt. "Einen systematisch zusammengestellten Kader kriegt man nicht in einer Transferperiode hin", sagt er, "das braucht Zeit."

Er muss in der Stadt zurzeit den großen Erklärer spielen, er wirbt dafür, "die Leute mitzunehmen, die Fans müssen das realistisch sehen". Er sagt: "Was bei uns ein Königstransfer ist, geben andere für einen 17-Jährigen aus der zweiten Liga aus." 3,5 Millionen investierte der VfB in den Dänen William Kvist, kaum mehr als Dortmund ins Cottbuser Talent Leo Bittencourt.

Es sind solche Sätze, die tief ins Innenleben des Vereins zielen. Der Vorstand des VfB ist berüchtigt für seine erbitterte Sparsamkeit, und Labbadia sagt, dass ihm dieser Weg "im Prinzip nicht unsympathisch" sei. Er gehe diesen Weg auch mit, sagt er, aber es ist schon herauszuhören, dass ihm eine leichte Abweichung vom Weg deutlich sympathischer wäre. "Wir müssen schauen, dass wir jetzt ein paar Dinge machen, damit der Abstand zu den Teams vor uns nicht zu groß wird", mahnt er; es habe zuletzt ja auch "ein paar Einnahmen gegeben, die man so nicht erwartet hatte".

Labbadia betrachtet das als eine Art stilles Abkommen: Er hat schweren Herzens den Torwart Leno ziehen lassen, im Gegenzug erwartet er, dass ihn die hohen Herren im Sommer schweren Herzens einkaufen lassen. Er sagt es so: "Wichtig ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Aufsichtsrat, Vorstand und sportlicher Leitung."

Im Sinne der guten Zusammenarbeit wäre übrigens zu hoffen, dass ihn die hohen Herren nicht so oft nach den jungen Spielern fragen.

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