24 Stunden von Le Mans:Kein Kratzer am Auto

Le Mans 24 hours car racing

Fahrt in den Sonnenaufgang: Das Rennen in Le Mans dauert von Samstag, 15 Uhr, bis Sonntag, 15 Uhr.

(Foto: Eddy Lemaistre/dpa)

Sie fuhren nie zusammen, zwei starteten erstmals in Le Mans, und Nico Hülkenberg ist gewöhnlich in der Formel 1 unterwegs: Porsche-Triumph in gewagter Konstellation.

Von René Hofmann, Le Mans/München

Als die Firma Porsche bekannt gab, ab 2014 wieder mit einem Werksteam bei den 24 Stunden von Le Mans mitmischen zu wollen, gab die Konzernschwester Audi ein Werbefilmchen in Auftrag. In dem fuhr eines ihrer Autos, die in den vergangenen Jahren bei dem Langstrecken-Klassiker regelmäßig triumphiert hatten, vor dem Porsche- Museum vor, ließ die Reifen durchdrehen und schrieb mit Gummi eine Botschaft auf den Asphalt: "Willkommen zurück!"

Ein freundlicher Gruß zur Begrüßung. Es war klar, dass es zwischen den Rivalen nicht so nett weitergehen würden. An diesem Wochenende erlebte das Duell seinen bisherigen Höhepunkt. In einem denkwürdigen Rennen rangen die Rückkehrer die Platzhirsche nieder. In den vergangenen fünf Jahren hatte Audi in Le Mans gejubelt. Dieses Mal jagten zwei Porsche voraus. Die Seriensieger der vergangenen Jahren - diesmal waren sie lediglich würdige Jäger.

Hülkenberg kann es selbst kaum glauben: "Ich hätte nie damit gerechnet, dass das möglich ist."

Im Motorsport gilt eine einfache Regel: Der Mensch interessiert mehr als die Maschine. Nur in Le Mans ist das ein bisschen anders. Bei der Distanz-Schlacht dreht sich viel um die Technik. Und keine andere Marke hat derart oft den Gesamtsieg eingefahren wie Porsche. Die Auflage 2015 war die 83. des Rennens. Porsche kommt nun auf 17 Erfolge. Der Schlüssel zum Erfolg: der Rennwagen 919, der technisch aufwendiger war als alle anderen im Feld. Angetrieben wird er von einem Zwei-Liter-V4- Turbo-Benzin-Motor, der gleich von zwei Energierückgewinnungssystemen garniert ist - einem, das Kraft aus der Bremsenergie sammelt und einem zweiten, das an den Abgasstrom gekoppelt ist. Um mit all dem schnell zu sein, war viel Leichtbau nötig, der immer ein gewisses Risiko birgt. Je leichter ein Teil ist, desto leichter bricht es oft auch. Im vergangenen Jahr hatte die Audi-Mannschaft ihre Routine und bewährte Technik noch ausspielen können. Dieses Mal war die Zeit für das Neue reif. Die Porsche waren schneller. Zwei hielten. Und einer wurde fehlerfrei bewegt.

Die Vorjahres-Sieger André Lotterer (Duisburg), Marcel Fässler (Schweiz) und Benoit Treluyer (Frankreich) wurden in ihrem Diesel-Audi mit zwei Runden Rückstand abgewunken. Und es passt ganz gut zu der Geschichte, dass der Porsche mit der Startnummer 19 am Ende mit 395 Umläufen einen mehr auf dem Tacho hatte als sein Markenkollege mit der Startnummer 17. Der wurde neben von dem Neuseeländer Brendon Hartley, 25, pilotiert und von den Routiniers Timo Bernhard, 34, und Mark Webber, 38. Und er war in Rot und Weiß lackiert - eine Reminiszenz an das erste Porsche-Siegerauto von 1970.

Die 19 ging dagegen ohne jegliche Last der Geschichte an den Start. Der Brite Nick Tandy, 30, der Neuseeländer Earl Bamber, 24, und Nico Hülkenberg, 27, aus Emmerich am Rhein, hatten noch nie zuvor zusammen ein Autorennen bestritten. Bamber und Hülkenberg traten gar zum ersten Mal überhaupt in Le Mans an. Es war eine Konstellation, die gewagt erschien, um es freundlich zu formulieren. Nico Hülkenberg konnte selbst kaum glauben, wie erfolgreich sie am Ende war: "Ich bin sprachlos. Das ist gewaltig. Gleich beim ersten Anlauf zu gewinnen. Ich hätte nie damit gerechnet, dass das möglich ist." Sein Mitstreiter Tandy war stolz wie ein Neuwagenkäufer, der endlich den lange bestellten Traum in Empfang nehmen darf: "Wir haben keinen einzigen Kratzer am Auto."

Hülkenberg war unmittelbar vom Formel-1-Rennen in Montréal, bei dem er am vergangenen Sonntag Achter geworden war, nach Frankreich gereist. Ein aktiver Formel-1-Fahrer, der in Le Mans nicht nur antritt, sondern auch gewinnt, das hat es lange nicht mehr gegeben. Die letzten Piloten, denen dieses Kunststück glückte, waren 1991 der Brite Johnny Herbert und der in Luxemburg geborene Bertrand Gachot, die für Mazda jubelten. Sieben Jahre später gab es den letzten Porsche-Gesamtsieg.

Für Hülkenberg ist es nach eigenen Angaben "der größte Erfolg meiner Karriere" - nach Titeln in der Deutschen Kartmeisterschaft, der Formel BMW, der A1- und der GP2-Serie und einer Pole-Position in der Formel 1. Ihn erreichten umgehend viele Glückwünsche, vor allem aus der Formel 1. Seine Fahrerkollegen Jenson Button (McLaren) und Daniel Ricciardo (Red Bull) gratulierten per Twitter. Und auch Vijay Mallya meldete sich, der Chef des Teams Force India, mit dem Hülkenberg in dieser Formel-1-Saison meist hinter den eigenen Ansprüchen herjagt. Den Zweitjob für Porsche bei Langstrecken-Rennen übt er erst seit Jahresbeginn aus. Bis Sonntag war unklar, ob Hülkenberg ihn über den Juni hinaus behalten will. Seit Sonntag dürfte das keine Frage mehr sein.

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