Bundesliga:Drei Stürmergeschichten aus dem Norden

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Zieht weiter durch: Kiels Phil Harres trifft hier zum 3:1 gegen Augsburg. (Foto: Frank Molter/dpa)

Bei Holstein Kiel setzt sich ein ehemaliger Regionalliga-Angreifer in Szene, bei St. Pauli hat ein ehemaliger Stürmer eine Tausendfüßler-Abwehr kreiert, und in Bremen wird der anarchische Marvin Duksch zum besten Vorlagengeber – ein Dreierpack aus der Bundesliga.

Von Thomas Hürner und Christof Kneer

Auf dem Klose-Weg

Viele prominente Gesichter hat der Aufsteiger Holstein Kiel noch nicht hervorgebracht, doch vielleicht ändert sich das ja gerade. Noch dürfte der Stürmer Phil Harres, 22, weitgehend unerkannt bleiben, wenn er Weihnachtsgeschenke außerhalb Kiels oder seiner Geburtsstadt Datteln einkaufen geht – allerdings ist nicht mehr völlig ausgeschlossen, dass ihn nun auch andernorts mal jemand nach einem Selfie fragt. Denn Harres steuerte am Samstag nicht nur zwei Treffer zum 5:1-Sieg der Kieler gegen den FC Augsburg bei – ein beachtlicher Erfolg, mit dem nach zuletzt fünf Niederlagen nicht zwingend zu rechnen war. Harres durfte hinterher zudem feststellen, wie „surreal“ sich sein eigener spezieller Werdegang anfühle. Der 1,93-Meter-Mann wurde im Sommer vom Regionalligisten FC Homburg verpflichtet und kam zu Saisonbeginn erst mal bei Holstein II in der Regionalliga zum Einsatz. Jetzt steht er bei vier Erstliga-Saisontreffern und hat Kiels Aufstiegsstürmer Benedikt Pichler auf die Bank verdrängt. In Homburg spielte übrigens auch mal der junge Miroslav Klose, dessen Bilanz damals: 18 Spiele, ein Tor. Harres hingegen kam im Saarland auf 28 Tore in 43 Partien – so surreal ist das alles vielleicht doch nicht.

Magisch verteidigt

Seine Abwehr steht: Hier tauscht sich St. Paulis Coach Alexander Blessin mit Verteidiger Philipp Treu aus. (Foto: Selim Sudheimer/Getty Images)

Alexander Blessin wurde vor 51 Jahren in Stuttgart-Bad Cannstatt geboren, wo er schon als Kleinkind dem unwesentlich älteren Fredi Bobic über den Weg gelaufen sein könnte. Für die späteren Jahre ist ein Kontakt verbürgt, es gibt Bilder aus den späten Neunzigern, die den Stürmer Blessin zeigen, wie er im VfB-Trikot für Bobic eingewechselt wird. Als Stürmer hat Blessin eine eher kleine Karriere gemacht, er spielte später in Antalya, Pfullendorf und Siegen. Sein mangelnder Durchbruch beim VfB sollte ihm aber nicht zum Vorwurf gemacht werden, er geriet genau in jene Zeit, als in Stuttgart das „Magische Dreieck“ Elber/Bobic/Balakow Magische-Dreieck-Dinge machte. Umso mehr dürfte es Blessin glücklich gemacht haben, dass er die Offensive des VfB am Wochenende beim 1:0-Auswärtssieg an der Ausübung ihrer Tätigkeit hinderte. Als Trainer des FC St. Pauli hat Blessin eine selbst in Notbesetzung erstklassig funktionierende Defensive aus lauter Tausendfüßlern gebaut, die, ohne dabei rein destruktiv zu sein, alles wegspitzeln und wegblocken, was sich dem Tor nähert. Auf diese Weise hat es Blessin geschafft, dass die Trauer über den Verlust seines Vorgängers, des magischen Einecks Fabian Hürzeler, kleiner ausgefallen ist als befürchtet.

Der Assist-König

Marvin Ducksch bereitet kunstvoll das 4:1 gegen Union Berlin vor. (Foto: Carmen Jaspersen/dpa)

Das Vermächtnis des Trainers Markus Anfang bei Werder Bremen beinhaltet einen Skandal um seinen gefälschten Impfpass, einen nervösen Start in die Zweitligasaison 2021/2022 – und die Verpflichtung von Marvin Ducksch. Die beiden kannten sich aus gemeinsamen Zeiten in Kiel, und dafür, dass der Coach diesen anarchischen Angreifer einst von einem Wechsel ans Weserufer überzeugen konnte, hat sich Anfang einen nachträglich zu verleihenden Nachhaltigkeitspreis verdient. Ducksch, der früher als schwer erziehbar galt, entwickelte sich zum Lastenträger der Bremer Offensive, wurde zwischenzeitlich in die deutsche Nationalelf berufen und darf aktuell den inoffiziellen Titel „bester Vorbereiter des Kalenderjahres 2024“ für sich beanspruchen. Zwölf Torvorlagen hat er in diesem Zeitraum beigesteuert – die bislang letzte am Samstag beim 4:1-Sieg gegen Union Berlin, wo Ducksch einen Steckpass mit der Hacke mitnahm und umsichtig auf Jens Stage querlegte. „Das war von vorne bis hinten eine reife und erwachsene Leistung“, sagte der 30-Jährige hinterher. Das klang reif und erwachsen. Ducksch spricht nur noch selten von sich selbst, sondern lieber über die Gesamtauftritte der Bremer Mannschaft.

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