Stürmer in der Bundesliga:Große Angst vor dem schnellen Ende

Ob Klaas-Jan Huntelaar, Raúl, Lukas Podolski oder sogar Mario Götze: Bei den Bundesliga-Klubs wächst die Angst, sie könnten ihre besten Stürmer zu früh verlieren. Auch wenn diese noch ein paar Jahre unter Vertrag stehen. Fußballglück wird immer vergänglicher - das gilt insbesondere für die Angreifer.

Philipp Selldorf

Besucher des Trainings am Mittwoch hatten es ahnen können. So hemmungslos entspannt, wie Schalkes Profis im alten Parkstadion ihrer Arbeit nachgingen, angeleitet von einem ebenfalls hemmungslos heiteren Cheftrainer Huub Stevens, konnte es für das anstehende Europacupspiel gegen Larnaka nur zwei Lösungen geben: Kantersieg oder Blamage.

FC Schalke 04 - Borussia Mönchengladbach

Wie lange noch gemeinsam auf Schalke? Klaas-Jan Huntelaar (links) und Raúl.

(Foto: dpa)

Schalke 04 hat sich dann für die Blamage entschieden, die Verbliebenen der mehr als 50.000 Besucher brachten ernste Beschwerden vor, als die Partie beim Stand von 0:0 beendet wurde. Verteidiger Fuchs gab für die miese Vorstellung die seltsame Begründung, das Team sei "zu ängstlich" gewesen, "uns ist von Anfang an nichts gelungen".

Andererseits war Angst ein plausibles Alibi, denn Stevens hatte außer auf einige weitere Stützen auch auf die Einsätze von Rechtsaußen Jefferson Farfán und Regisseur Raúl verzichtet. Aus dem gefeierten Angriffstrio blieb nur Mittelstürmer Klaas-Jan Huntelaar übrig, für den der Abend aber ein schlechtes Ende nahm. Beim Zusammenstoß mit dem Kollegen Joel Matip brach er sich die Nase, die Ambulanz nahm ihn mit. Erst nachts um zwei durfte er das Krankenhaus verlassen, beim Punktspiel am Sonntag in Hannover wird er wohl fehlen.

So blieb der Partie zumindest ein ungemütlicher Erkenntniswert: Schalke unterhält zwar nach wie vor einen großen Kader - späte Auswirkungen der Ära Felix Magath -, aber ein paar Spieler bleiben unersetzliche Einzelstücke.

Farfáns Tempoläufe, Raúls Geniestreiche und Huntelaars Treffer aus Serienproduktion verschaffen der Mannschaft Eigenschaften, die andere Teams fürchten müssen. "Von hinten hat man den Eindruck: Wenn wir nur ein paar Flanken reinbringen, dann machen die auf jeden Fall ein Tor", hat Lars Unnerstall festgestellt. Weil das aber nicht nur dem jungen Schalker Torwart aufgefallen ist, kommt Besorgnis auf in Gelsenkirchen. Das kleine Glück, das den Klub zuletzt auf Tabellenplatz zwei führte, wirkt zerbrechlich.

Manager Horst Heldt hat zwar cool reagiert, als ihm die Meldung angetragen wurde, dass Manchester United den Plan gefasst habe, Torjäger Huntelaar auf die Insel bringen zu lassen und dafür Dimitar Berbatov in Gelsenkirchen abzusetzen. Aber er weiß auch, dass dieser Falschmeldung noch viele weitere Meldungen folgen werden, von denen sich die eine oder andere womöglich als wahr entpuppt. "Bei offensiven Spielern kann es plötzlich ganz schnell gehen", sagt er.

Was wird aus Mario Götze?

Wie mühsam und gefährlich es ist, den Mittelstürmer ersetzen zu müssen, das hat er als Sportchef in Stuttgart erlebt, als Mario Gomez nach München zog. In Schalke muss Heldt gleich um die komplette Sturmreihe bangen: Die Verträge mit Farfán, 27, und Raúl, 34, enden im kommenden Sommer, sie haben die freie Wahl und machen keine Angaben zu ihren Zukunftsplänen.

Huntelaars Unterschrift gilt zwar bis 2013, aber das heißt nicht viel in der tückischen Branche. Außer beim FC Bayern existiert keine unbedrohte Herrlichkeit. In Köln gibt es kein anderes Thema mehr als das Arbeitsverhältnis von Lukas Podolski, obwohl er wie Huntelaar noch anderthalb Jahre an den Klub gebunden ist. Das zentrale Argument der Debatte zeugt von einem ängstlichen Besitzstandsdenken, das typisch ist für die Branche: Entweder der Spieler zeichnet eine neue, längere Vereinbarung - oder er wird verkauft, solange er Ablöse einbringt.

Fußballglück wird immer vergänglicher. Selbst um den Erhalt von Mario Götze machen sich die Chefs von Borussia Dortmund neue Sorgen - trotz Kontrakt bis 2014. Zuletzt hatte Götze durchaus zweideutige Anmerkungen über seine Ziele gemacht.

Huntelaar, 28, hat bisher durch Nichts nicht zu verstehen gegeben, dass er lieber woanders spielen möchte. Er ist nach seinen Engagements bei Real Madrid und beim AC Mailand in seine niederländische Heimat zurückgekehrt, und er genießt es, dass er mit familiärer Unterstützung seine Fließbandarbeit im Strafraum verrichten kann. Seine Brüder sitzen bei den Spielen auf der Tribüne, sein Vater chauffiert ihn zum Training, damit ihn das Pendeln über die Grenze nicht stresst. "Klaas hat sich im Sommer zum Verein bekannt", sagt Heldt, "er wollte unbedingt hierbleiben und hat allen Abwerbeversuchen standgehalten."

Am liebsten würde Heldt das kleine Glück der Gegenwart festhalten, "im Moment ist der Zustand wunderbar, da will man gar nicht dran rühren", sagt er. Er möchte Farfáns aufregenden Mehrkampffußball genießen und dem Künstler Raúl so gerührt zusehen wie der Aufsichtsratschef Clemens Tönnies, der neulich schwärmte: "Ich bin stolz auf jede Minute, die er für Schalke spielt."

Aber Heldt gibt zu, dass ihm für Genuss keine Zeit bleibt, zumal in Schalke, wo alles groß ist: Umsatz, Einnahmen - Schulden. "Es stimmt: Wir müssen uns jetzt schon Gedanken über die kommende Saison und die mittelfristigen Zukunft machen, aber wir müssen auch schauen, wo unser sportlicher Weg hinführt", sagt Heldt. Die alte Frage: Wer bekennt sich zuerst - Verein oder Spieler?

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