Marwin Hitz wusste erst gar nicht, wie er mit all den Glückwünschen umgehen sollte. Völlig entrückt waren seine Kollegen zunächst auf ihn zugestürmt, wenig später fand er sich am Tribünenrand bei der Familie ein, dahinter tobten die Menschen noch immer.
Dann begann der Marathon bei den Medien, immer wieder unterbrochen von diversen Bekundungen der Anerkennung von Betreuern und Vereinsmitgliedern. Alle suchten nun seine Nähe, und sie wollten wissen, wie das genau war mit seinem Comeback nach der Teilruptur des Kreuzbandes und vor allem mit diesem Tor in der vierten Minute der Nachspielzeit, durch das sein FC Augsburg zum 2:2 (0:1) gegen Bayer Leverkusen gekommen war. Hitz, der 27 Jahre alte Schweizer, ist der Aufregung um ihn mit Humor und ein bisschen Understatement begegnet. Er setzte ein Lausbubengrinsen auf und begann zu erzählen. Das sollte ähnlich unterhaltsam werden wie das turbulente Spiel zuvor.
"Ich habe zum Trainer geguckt, er hat mich nach vorne gewunken", hob Hitz an, erzählte, wie er am zweiten Pfosten auf Shawn Parkers Eckball gewartet habe, die Flanke aber leider zu kurz geraten und er deshalb auf den ersten Pfosten gelaufen sei. Und weil der Ball erneut zu Parker kam, "habe ich gedacht: 'Komm, ich bleibe gleich hier, der Weg ist zu weit nach hinten'. Und dann, ja dann stand ich am richtigen Ort." Es war ein durchaus anspruchsvoller Drehschuss gewesen und ein historisches Tor dazu. Denn gelungen war ihm das erst dritte eines Torhüters in der Bundesliga aus dem Spiel heraus, nach jenen von Jens Lehmann 1997 für den FC Schalke 04 und Frank Rost 2002 für Werder Bremen.
Dem Einwand, dass Torhüter ja eher fürs Kopfballspiel prädestiniert seien, begegnete Hitz ähnlich gelassen wie all den anderen Fragen zuvor. "Ich glaube, mit dem Kopf hätte ich den nicht hingekriegt", scherzte er. Und ob ihm ein Tor überhaupt schon einmal geglückt sei? "Ich war früher in der Jugend öfters mal vorne unterwegs, da habe ich auch beim Warmmachen öfters mal aufs Tor geschossen. Das hat sich jetzt vielleicht ausgezahlt", berichtete Hitz.
Und wie das gewesen sei nach dem Tor? "Ich wollte kurz jubeln und danach eigentlich direkt zurück, aber dann bin ich leider festgehalten worden. Dann musste ich noch ein bisschen mitjubeln." Er sei nämlich "nicht so der große Jubler, auch nicht, wenn ich ein Tor schieße. Deswegen wollte ich so schnell wie möglich wieder zurück und das Spiel weiterverfolgen."
Wie gern in ungewöhnlichen Situationen glitten die Fragen nun ein bisschen ab. Aber weil Hitz auch darauf spitzbübisch reagierte, blieb das Nachspiel weiter durchaus interessant. Was sein Geheimnis sei? "Ich habe so einen schönen Old-School-Schoner an, vielleicht war das das Entscheidende." Und ob er eine Torprämie im Vertrag stehen habe? "Leider nein. Schlecht verhandelt", gab er an.
Dass dieser Sonnabend so vergnüglich für ihn enden würde, war lange Zeit nicht abzusehen gewesen. Einige Unsicherheiten hatte er ja gezeigt während seines ersten Spiels seit Mitte November, nicht nur beim ersten Gegentor durch Josip Drmic (8.), als er dessen ersten Versuch prallen gelassen hatte, damit einen zweiten gestattete und diesen nicht mehr abwehren konnte.
Leicht sei es nicht gewesen, bekannte Hitz, auf dem zerfurchten Rasen, im ersten Spiel seit langer Zeit. Er hat sich wohl auch selbst ein bisschen überrascht mit seiner Pointe, bei aller Gelassenheit. Und damit auch die Mitspieler und seinen Trainer. "Ich habe nicht gewusst, dass ich heute einen Torjäger ins Tor stelle", witzelte Markus Weinzierl. Und Mittelfeldspieler Halil Altintop befand: "Nach seiner Verletzung so aus der Drehung - also Respekt." Das war ausnahmsweise durchaus ein bisschen ernsthaft gemeint.