Streit in der DFB-Führung:"Viel dumm geschwätzt!"

Frankfurter Großbaustelle: Seltsamerweise geraten im DFB immerzu Leute ins Zentrum von Verbandsaffären, die intern ohnehin schon in Ungnade gefallen sind.

Thomas Kistner

"Es wird mir zurzeit leider viel zu viel dumm geschwätzt in Deutschland!" So hat sich Theo Zwanziger am Mittwochabend beim Besuch seiner DFB-Delegation im Kanzleramt echauffiert, bezogen hat er das auf die Debatten um die ja zweifellos problembehaftete WM in Südafrika. Der Chef des Deutschen Fußball-Bundes gibt sich gern politisch korrekt und sozialbewusst, was ihn, als er das Amt 2006 übernahm, markant von Vorgänger Gerhard Mayer-Vorfelder abhob.

DFB-Präsident Theo Zwanziger

DFB-Präsident Theo Zwanziger: "Es wird mir zurzeit leider viel zu viel dumm geschwätzt in Deutschland!"

(Foto: Foto: AP)

Mittlerweile aber gerät jeder prüfende Streifzug durch die Frankfurter Verbandsbüros zu einer abenteuerlichen Baustellenbegehung. Dort haben sich im WM-Jahr ein paar Problemfälle zu viel entwickelt, und sie werfen mit bemerkenswerter Verlässlichkeit Fragen zur Führungskultur in diesem Sechs-Millionen-Verband auf.

In der offiziell beigelegten Affäre mit den Nationalteamvertretern Löw/Bierhoff mussten Zwanziger und General Niersbach öffentlich Selbstkritik üben; Fehler gestanden sie insbesondere im Kommunikationsbereich ein.

Im Innenverhältnis mit Löw/Bierhoff, denen sie statt eines Gesprächs ein scharfes 48-Stunden-Ultimatum stellten, obwohl sie sich in der Sache an sich völlig im Recht gesehen hatten. Fehler auch nach außen: Dass die ständige Indiskretionen, die den Vertragsdisput zur öffentlichen Affäre machten, aus der Verbandszentrale gesickert sein mussten, liegt offen auf der Hand. Nun rückt das nächste Ungemach in den Blickpunkt, die Affäre im Schiedsrichterwesen.

Auch sie droht eine enorme Dimension anzunehmen im fußballnärrischen Deutschland, und auch hier stellt sich die Frage: Welcher Umgang miteinander wird in diesem Verband gepflegt? Tatsächlich gab es just im sensiblen Bereich zwischen den Unparteiischen und dem zuständigen DFB-Vorständler Rainer Koch seit längerem schwere Verwerfungen. Um so weniger ist nachvollziehbar, warum Zwanziger, den Schiedsrichterchef Roth schon vor Wochen in den Fall einweihte, all die Zeit nicht selbst seinen für den Bereich zuständigen Vize informierte. Koch will den Verbandsboss nicht angreifen. Dass er seine Zuständigkeit aber sofort unter Protest abgab, sagt alles: Er wurde nicht nur von Roth umgangen, dem keine Konsequenzen drohen, sondern auch von Zwanziger.

Selbst wenn für diesen neuen Flurschaden bald wieder eine Erklärung folgen sollte, bleibt festzuhalten: Sie muss, wie üblich, nachgeliefert werden. Das wirft ein bezeichnendes Licht auf die Personalpolitik. Es fällt ja auf, dass im DFB immerzu Leute ins Zentrum von Verbandsaffären geraten, die intern ohnehin schon in Ungnade gefallen sind. Im Fall Koch ist es so, dass er mit der Abgabe der Schiedsrichter-Zuständigkeit nur einer Entwicklung zuvorkommt, die unausweichlich war.

Wie hoch der Preis diesmal ist? Abwarten. Sollte sich herausstellen, dass die Causa Amerell schon seit längerem en detail bekannt war, hätte die DFB-Spitze ein Problem, das größer wäre als alle bisherigen zusammen.

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