Süddeutsche Zeitung

Streit im DFB-Pokal:"Das ist eine bodenlose Frechheit, wie er sich verhalten hat"

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Von Sebastian Fischer, Augsburg

Marcel Halstenberg freute sich so, er merkte vielleicht wirklich nicht, was um ihn herum geschah. Der Nationalspieler von RB Leipzig hatte gerade, in der letzten Minute der Verlängerung im DFB-Pokalviertelfinale beim FC Augsburg, einen Elfmeter zum 2:1 verwandelt. Er lief in Richtung Eckfahne, um den gleichbedeutenden Sieg zu feiern, seine Mitspieler folgten ihm, auch von der Bank waren die Leipziger aufgesprungen. Und Augsburger Zuschauer warfen halbvolle Bierbecher. Halstenberg jedoch sagte: "Was da alles fliegt, was da für Worte fallen, das nimmt man gar nicht wahr." Ein paar seiner Mitspieler nahmen es schon wahr. Sie warfen die Becher zurück.

Es ist nichts Neues, dass die Fußballer von RB Leipzig in Deutschlands Fankurven wegen ihres mächtigen Sponsors Red Bull nicht zu den beliebtesten Gästen zählen, spätestens seit dem Bundesliga-Aufstieg vor drei Jahren ist das so. Der Dienstagabend in Augsburg hat dem nicht unbedingt eine neue Dimension hinzugefügt. Es waren eher die Reaktionen der Leipziger auf einen besonderen Sieg und die folgende Aufregung, über die in der Nacht gesprochen wurde.

Nach dem Spiel mussten auf beiden Seiten ein paar Profis zurückgehalten werden, um nicht auf dem Rasen aufeinander loszugehen. Und Leipzigs Geschäftsführer Oliver Mintzlaff schritt im Gefühl des Sieges zur Augsburger Auswechselbank, ein wenig erinnerte die Szene an das WM-Spiel zwischen Deutschland und Schweden im vergangenen Sommer, als DFB-Mitarbeiter die unterlegenen Schweden verhöhnt hatten. Mintzlaff, so zeigen es Fernsehbilder, sprach Augsburgs Co-Trainer Jens Lehmann und Manager Stefan Reuter an. Und Reuter, auch das zeigen die Fernsehbilder, drohte vollkommen die Fassung zu verlieren, Lehmann musste ihn zurückhalten. "Er ist direkt auf mich zugestürmt", sagte Reuter später. "Das ist eine bodenlose Frechheit, wie er sich verhalten hat." Er sprach von "extremer Arroganz".

Rangnick schüttelt voller Unverständnis mit dem Kopf

Nun muss man wissen, dass der Streit zwischen Reuter und Mintzlaff, ja zwischen Augsburg und Leipzig, eine Vorgeschichte hat. Sie begann, als 2014 Klaus Hofmann Augsburg-Präsident wurde; von ihm ist die Aussage überliefert, dass er sich über jede Leipziger Niederlage freue und darauf ein Bier trinke. Sie erreichte nach ein paar auf und neben dem Platz emotional geführten Duellen 2017 ihren vorläufigen Höhepunkt in einer Sky-Talkshow, in der Reuter zu Gast und Mintzlaff am Telefon zugeschaltet wurde. Schon damals ging es um Vorwürfe von Unflätigkeit auf der einen und Arroganz auf der anderen Seite. Diesmal, sagte Reuter am Dienstag, "braucht sich Herr Mintzlaff nicht mehr zu entschuldigen". Doch das wollte der auch gar nicht.

Er sei lediglich auf Lehmann zugegangen, behauptete Mintzlaff im TV-Interview, und habe ihm gesagt, "dass es sich nicht gehört, dass sie ständig in unserer Coachingzone auftauchen. Das hat mit Fairplay nichts zu tun." Trainer Ralf Rangnick sagte: "Derjenige, der die Coachingzone am häufigsten verlassen hat, war sicherlich Stefan Reuter und keiner der beiden Trainer, da können sie mal Gift drauf nehmen." Außerdem habe der vierte Offizielle die Leipziger für ihr Verhalten auf der Bank sogar explizit gelobt. Es stand also Aussage gegen Aussage, eine schiedsgerichtliche Aufklärung ist eher unwahrscheinlich. Und Mintzlaff sprach ohnehin lieber darüber, wie "fantastisch" der erste Halbfinaleinzug sei, "für unseren jungen Klub".

Rund zehn Jahre ist es her, dass Red Bull die Gründung des Vereins veranlasste, und auch das war ja die Geschichte des Abends: Näher an einem Titelgewinn war Leipzig wohl noch nie. In der Liga spielt die Mannschaft gerade hervorragenden Fußball, ist eines der besten Rückrundenteams und schlug am vergangenen Wochenende Hertha BSC derart überlegen mit 5:0, dass man sich Leipzig nach einem Jahr Absenz wieder sehr gut in der Champions League vorstellen konnte.

Finnbogason traf in der Nachspielzeit zum Ausgleich

Mit den Augsburgern, in der Liga wegen konstant inkonstanter Leistungen im Abstiegskampf, hatte RB allerdings nach gutem Beginn Probleme. Zwar ging Leipzig nach einem Konter in der zweiten Halbzeit in Führung, ein Steilpass nach Ballgewinn von Amadou Haidara und ein Sprint von Timo Werner schienen für den Sieg zu reichen, ein von Trainer Rangnick so geliebter und geförderter Umschaltmoment also. Doch dann traf Alfred Finnbogason in der Nachspielzeit zum Ausgleich, in der Verlängerung hätte auch Augsburg gewinnen können. Und als Augsburgs Michael Gregoritsch im eigenen Strafraum der Ball auf den ausgestreckten Arm fiel, hatte Leipzig bereits zum zweiten Mal Glück: Schon nach sieben Minuten hätte Marcel Sabitzer für einen Schlag mit dem Ellenbogen die rote Karte sehen können, aber er sah nicht mal Gelb.

Als der traurige Augsburger Trainer Manuel Baum dies in der Pressekonferenz anmerkte, schüttelte Rangnick allerdings nur voller Unverständnis mit dem Kopf. Er müsse sich die Szene noch mal anschauen, sagte er. Aber er wirkte nicht, als habe er großes Interesse daran. In Leipzig, so konnte man ihn verstehen, haben sie wohl Wichtigeres zu tun.

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