Streit bei Lazio:Eine Fehde, die Rom amüsiert

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Miroslav Klose und sein (damaliger) Trainer Vladimir Petkovic (Archivbild) (Foto: imago sportfotodienst)

Kuriose Situation bei Lazio Rom: Der Klub von Nationalstürmer Miroslav Klose hat einen alten und einen neuen Trainer. Nun streiten die Anwälte, wer im nächsten Spiel auf der Bank sitzen wird.

Von Birgit Schönau, Rom

Vor der Villa San Sebastiano steht Tag und Nacht ein Polizeiauto. Die Via Appia Antica beginnt hier, eine der berühmtesten Straßen der Welt, gebaut vor 2300 Jahren, gesäumt von antiken Grabmälern, Pinien und Zypressen, besucht von Heerscharen von Touristen. Für all das sind die Polizisten aber nicht zuständig.

Sie beschützen das Anwesen jenes Mannes, der hinter der hohen Mauer wohnt: Claudio Lotito. Im Moment ist der Präsident von Lazio Rom gar nicht zu Hause, er macht Ferien im norditalienischen Prominenten-Skiort Cortina d'Ampezzo. In Rom leisten die Polizisten vor seiner Villa trotzdem weiter ihren Schutzdienst - schließlich ist Claudio Lotito, 56, einer der meistgehassten Männer der Kapitale.

Nicht nur die Fans des Lokalrivalen AS Rom verfluchen ihn, auch die eigenen Tifosi. Bei den Angestellten seines Reinigungskonzerns ist der Patron ebenfalls alles andere als beliebt, er gilt als cholerisch und geizig. Seine Amtskollegen aus der Serie A finden ihn, je nach eigenem Temperament, fürchterlich wurstig oder bewundernswert geschäftstüchtig. Und die Fußballer seines Klub, den Lotito vor zehn Jahren zum Spottpreis von 18 Millionen Euro übernahm, fürchten ihn, weil er sie höchstpersönlich aus dem Kader wirft, wenn sie nicht spuren.

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Nun hat sich Lotito auch noch mit seinem Trainer Vladimir Petkovic angelegt - weil er sich von ihm verraten fühlt. Die Fehde zwischen dem studierten Pädagogen (Lotito) und dem ausgebildeten Sozialarbeiter (Petkovic) erregt und amüsiert Rom. Ihr Ausgang ist ungewiss, nur soviel steht fest: Die Anwälte beider Seiten verdienen gut daran.

Kurz vor Heiligabend hatte Petkovic, 50, in der Schweiz einen Vertrag als neuer Nationaltrainer unterzeichnet, nach der WM soll er ab Juli Nachfolger von Ottmar Hitzfeld werden. Vorausgegangen waren wochenlange Verhandlungen und Spekulationen. Bereits Anfang Dezember hatte der Lazio-Trainer erklärt: "Ich werde meinen Vertrag in Rom bis zum letzten Tag erfüllen." Also bis Ende Juni 2014, eine Verlängerung bis 2015 war nach Lazios Pokalsieg im Mai zwar im Gespräch, aber dann doch nicht erfolgt.

Kommenden Juli wäre Petkovic also sowieso ein freier Mann, deshalb hielt der bosnische Kroate mit Schweizer Pass es auch nicht für nötig, seinen römischen Brotherrn von den Verhandlungen mit dem Schweizer Verband zu informieren. Erst nach Abschluss teilte Petkovic Lotito mit, wohin er im Sommer ziehen werde. "Nicht aus juristischen, sondern einzig und allein aus moralischen Gründen", wie sein Anwalt später klarstellte.

Lotito tobte. Offiziell. In Wirklichkeit wollte der Lazio-Boss den Trainer spätestens nach dem 1:4 gegen Hellas Verona am 22. Dezember ohnehin abservieren. Einen einzigen Sieg hat Petkovic an den vergangenen acht Spieltagen eingefahren, und dieses Vergehen wiegt für die von Lotito geführte Aktiengesellschaft SS Lazio weit schwerer als der angebliche Verrat in der Schweiz. Petkovic musste weg, ein Nachfolger stand parat: Edoardo Reja, der vor Petkovic' Verpflichtung 2012 schon mal Trainer bei Lazio war. Lotito engagierte den beschäftigungslosen 68-Jährigen und schickte Petkovic am 28. Dezember schriftlich die Suspendierung. Mit Klage-Androhung.

Doch der Trainer dachte nicht daran, das Feld zu räumen. Er sei "überrascht und enttäuscht", ließ er über seinen Anwalt ausrichten. Im Übrigen habe er keine gültige Entlassung erhalten und sei deshalb stolz darauf, als Lazio-Trainer weiter zu arbeiten. Das "absurde Missverständnis" mit Lotito werde sich klären, so Petkovic: "Auf ein wunderbares, gemeinsames 2014."

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Es geht um Geld, natürlich. Lotito ist bekannt dafür, keinen Cent mehr auszugeben als nötig. 600 000 Euro bezieht Petkovic als Jahresgehalt, unterer Durchschnitt in der Serie A. Bei Entlassung vor Vertragsende hat er Anspruch auf Lohnfortzahlung, die halbe Saison, die Summe von 300 000 Euro steht aus. Lotito würde das Geld - oder wenigstens einen Teil davon - lieber Reja geben. Der arbeitet ja schon für ihn, wenn auch noch nicht offiziell. Jedenfalls soll Reja am kommenden Montag gegen Inter Mailand auf der Bank sitzen.

Petkovic hingegen will nicht auf sein Salär verzichten. Vertrag ist Vertrag, das Geld steht ihm zu, und wenn die Ergebnisse ausblieben, ist das nicht seine Schuld: Auch auf dem Transfermarkt hat Lotito wie üblich gespart. Sogar Reja fordert jetzt Verstärkung, unterstützt von den Spielern, die sich allerdings hüten, in der Trainerfrage Partei zu ergreifen. Miroslav Klose ist ohnehin damit beschäftigt, Gerüchte über seinen eigenen Abschied zu zerstreuen, schließlich kann er selbst auch jederzeit beim Präsidenten in Ungnade fallen.

Spätestens am Montag wird man sehen, wer Lazio-Trainer ist - Reja oder Petkovic. Bis dahin spielt Lotito auf Zeit. Dem Schweizer Verband, so sein Kalkül, dürfte das Hickhack um Petkovic unangenehm sein. Wenn es hart auf hart kommt, verzichtet ein Gentleman lieber auf Geld als auf seinen guten Ruf. Und der neue Trainer der Schweizer Nati sollte gefälligst ein Gentleman sein, oder?

© SZ vom 03.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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