Streit bei Ajax Amsterdam eskaliert:Johan Cruyff, ein Rassist?

Hat sich Johann Cruyff als niederländisches Nationalidol disqualifiziert? Er sei im Streit um die Einsetzung Louis van Gaals als Generaldirektor bei Ajax Amsterdam gegenüber Edgar Davids ausfällig geworden, sagen die einen. Von einem Komplott sprechen die anderen. Cruyff hingegen schweigt - noch.

Philipp Selldorf

Der Tiefpunkt sei erreicht, hat der Funktionär Steven ten Have gesagt, und zumindest da werden ihm alle beipflichten, die seit Tagen die aufregenden politischen Schlachten um Ajax Amsterdam verfolgen.

Johan Cruyff book presentation

Schweigt dieser Tage auffällig viel: Johan Cruyff.

(Foto: dpa)

Die Frage, die das ganze Land beschäftigt, besteht vorläufig aber noch darin, welche Form von Tiefpunkt im Streit um die Einsetzung Louis van Gaals als Generaldirektor in Amsterdam erreicht ist: Ist es wirklich so, dass Johan Cruyff als Mitglied des Kommissarischen Rats von Ajax rassistisch ausfällig wurde gegen Edgar Davids, seinen dunkelhäutigen Nachbarn am Konferenztisch?

Hat sich Cruyff, dessen Bedeutung in den Niederlanden ungefähr mit der Geltung Franz Beckenbauers in Deutschland zu vergleichen ist, als Nationalidol disqualifiziert? Oder haben seine Gegner ein weiteres Komplott gegen ihn verabredet, um ihn moralisch zu diskreditieren?

Während einer wieder mal ziemlich bewegten Sitzung des fünf Mitglieder zählenden Kommissarischen Rats soll Cruyff, 64, ausgerufen haben, Davids sei allein deswegen in das Gremium aufgenommen worden, weil er schwarz sei. Dies erklärte am Wochenende der Ratsvorsitzende ten Have, ein Wirtschaftsfachmann, nachdem der ehemalige Nationalspieler und frühere Ajax-Profi Davids, 38, Andeutungen über einen entsprechenden Vorfall verbreitet hatte.

Ten Have berichtete außerdem, dass Cruyff im Laufe der anschließenden Diskussion die nächste Beleidigung habe folgen lassen: Marjan Olfers, Rechtsexpertin im ehrenamtlichen Ajax-Aufsichtsrat, verdanke ihren Platz ebenfalls nur einem angeborenen Merkmal - der Tatsache, dass sie eine Frau sei. "Er versuchte seine Bemerkung zu relativieren - aber damit machte er es nur noch schlimmer", sagte ten Have.

Cruyff hat den Vorwurf noch nicht kommentiert, das Land wartet darauf, dass er in seiner Kolumne im Telegraaf Stellung nimmt. Die erscheint üblicherweise montags, wegen der Turbulenzen wurde die Veröffentlichung jedoch auf Dienstag verschoben. Aber es gilt als sicher, dass er die Beschuldigungen abstreitet. Die Bemerkung gegenüber Davids soll in einem anderen Kontext gestanden haben. Es gibt auch Darstellungen, Cruyff sei in eine Falle gelockt worden. Ajax' Jugendausbilder Bryan Roy hat sich für Cruyff verbürgt, "und ich bin noch schwärzer als Edgar".

Auch van Gaal schweigt

Ajax Amsterdam spielt am Dienstag in der Champions League bei Olympique Lyon. Mit einem Sieg könnte sich die Mannschaft fürs Achtelfinale qualifizieren, aber der Sport scheint beim populärsten Klub des Landes derzeit Nebensache zu sein. Seit der Kommissarische Rat in der vorigen Woche ohne Cruyffs Wissen und gegen seinen erklärten Willen mit dessen langjährigem Erzfeind Louis van Gaal ein Engagement als Generaldirektor bei Ajax verabredet hat, gibt der Verein die Bühne für eine große Seifenoper ab.

Die Darsteller des Schauspiels tragen große Namen. Frank de Boer, der ehemalige Weltklasseverteidiger und heutige Ajax-Trainer, bekannte, dass er in der Familiensache keine Position beziehen könne, weil er sich sonst zwischen Vater oder Mutter entscheiden müsse. Andere populäre Ajax-Mitarbeiter haben bereits mit Rücktritt gedroht, falls van Gaal tatsächlich das Amt antritt.

Die Entscheidung obliegt letztlich dem Mitgliederrat, dem höchsten Organ des als Aktiengesellschaft notierten Vereins. Während Cruyff die weitere Zusammenarbeit mit den feindlichen Ratskollegen ausschloss, soll er inzwischen aber bereit sein, mit van Gaal zusammenzuarbeiten. Doch auch das wird für ein Manöver gehalten, einfacher wäre es, Nord- und Südkorea zusammenzuführen.

Van Gaal hat sich zu all dem nicht geäußert. Er reist in Gesellschaft seiner Frau Truus durch Ostasien. Aber er kann ganz beruhigt sein: Entweder erwartet ihn nach seiner Rückkehr die Aussicht auf einen tollen neuen Job - oder eine schöne Abfindung.

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