Skirennen in Kitzbühel:Auf der Streif wirst deppert

Zum 80. Mal stürzen sich die Skifahrer beim Hahnenkamm-Rennen hinunter. Der Mythos Streif ist unerreicht. Ein historischer Rückblick - von Franz Klammer über "Mr. Hahnenkamm" bis David Alaba.

Von Felix Haselsteiner, Kitzbühel

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Der Popstar

Franz Klammer

Quelle: imago sportfotodienst

Geht Franz Klammer heute durch den Zielraum der Streif, muss er für das ein oder andere Foto posieren, wird von einigen Zuschauern besungen und von den Rennfahrern respektvoll per Handschlag begrüßt - was doch etwas anders ist als die Erfahrungen, die Klammer in den siebziger und achtziger Jahren sammelte. Damals gewann er viermal die Abfahrt von Kitzbühel (1975, 1976, 1977, 1984) und musste sich danach auf dem Weg zum Hotel durch Tausende von Menschen schieben, die versuchten, einmal dem damals größten Popstar des Skifahrens nahe zu kommen. Keine Frage: Eine derartige Begeisterung für einen Skisportler hat es danach am Hahnenkamm nie wieder gegeben.

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Die perfekte Fahrt

Stephan Eberharter

Quelle: imago sportfotodienst

Das Rennen im Jahr 2004 wird als eine der hochklassigsten Abfahrten in die Weltcupgeschichte eingehen, was an zwei Protagonisten lag: dem US-Amerikaner Daron Rahlves und dem Österreicher Stephan Eberharter. Rahlves legte eine sagenhaft gute Zeit vor und fühlte sich nach eigener Aussage im Ziel schon als der sichere Sieger - Eberharter antwortete jedoch postwendend mit einem Lauf, der bis heute als das Non-Plus-Ultra gilt: Eberharter erwischte sämtliche Schlüsselstellen perfekt und gewann das Rennen.

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"Mr. Hahnenkamm"

Streif - One Hell of a Ride

Quelle: Herbert Neubauer/dpa

Man kann durchaus sagen, dass es die Österreicher wurmt, dass "Mr. Hahnenkamm" ein Schweizer ist. Zum ersten Mal gewann Didier Cuche im Jahr 1997 auf der Streif, den Status als Legende erlangte er jedoch erst später. 2008, 2010 und 2011 war er unschlagbar, 2012 gab der gelernte Metzgermeister an einem Donnerstag unter Tränen seinen Rücktritt vom Skisport bekannt, am Samstag gewann er ein letztes Mal am Hahnenkamm. Es war sein fünfter Sieg, die wahre Ehrung erfolgte jedoch im Zielraum, wo Franz Klammer sagte: "Didier ist jetzt der Kaiser der Streif."

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Schlagerstar & Fotomotiv

Kitzbuhel 20 01 2018 Ski FIS World Cup Men s Downhill Hans Hinterseer AUT Schlagersanger durin; Hansi Hinterseer

Quelle: imago/Frédéric Dubuis

Streckenbesichtigungen auf der Streif sind kein Kinderspiel: Es ist unheimlich eisig, steil und durchaus gefährlich. Die Rennfahrer haben damit weniger Probleme, ehemalige Athleten, Pistenarbeiter und auch Journalisten teilweise schon. Umso beeindruckender, mitanzusehen, wie zwischen all den Leuten, die sich mit letzter Kraft auf ihren Skiern halten, ein Mann mit wallend blondem Haar, Sonnenbrille und weißem Skianzug hindurch schwingt: Hansi Hinterseer, 64, einst einziger gebürtiger Kitzbüheler, der einen Wettbewerb auf seinem Hausberg gewinnen konnte, und späterer Schlagerstar, ist nicht nur dafür bekannt, der eleganteste Skifahrer auf Besichtigungen zu sein, sondern auch das wohl beliebteste Fotomotiv am Hahnenkamm-Wochenende.

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Arnie und die Partys

Celebrities At Hahnenkamm Race Weekend

Quelle: Hannes Magerstaedt/Getty

Weißwurstparty im Fünf-Sterne-Hotel Stanglwirt, Audi-Night, der Empfang in der Sonnbergstub'n bei Hüttenwirtin Rosi, das VIP-Zelt, der sogenannte Kitz Race Club - die Liste der Party-Veranstaltungen am Hahnenkamm-Wochenende ist endlos und lockt eine Vielzahl an A- bis C-Prominenten an. Unangefochtener König der Stargäste ist Arnold Schwarzenegger, dessen alljährliches in steirisch-amerikanischem Dialekt geführte Interview im Zielstadion ("Ich liebe es hier beim gefährlichsten Downhill-Race überhaupt auf der Welt") frenetisch bejubelt wird.

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Das legendärste Outfit

Ribery

Quelle: Imago

Die geographische Nähe des Skiorts Kitzbühel bietet für eine ganz besondere Gruppe der Münchner High Society einen Vorteil: Spieler des FC Bayern können, so es denn die Ansetzung erlaubt, an einem Abend Bundesliga-Fußball spielen und am nächsten Tag auf der Tribüne beim Hahnenkamm-Rennen Platz nehmen. Für David Alaba und Franck Ribéry blieb im Jahr 2017 auch noch Zeit, sich dem Anlass entsprechend zu kleiden: Über das Outfit der beiden Fußballer jedenfalls redet man in Kitzbühel bis heute.

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Die Deutschen

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Quelle: imago sportfotodienst

Jedem Hahnenkamm-Sieger wird als eine Art Denkmal eine Gondel der Bahn gewidmet, die zum Start rauffährt. Lange Zeit war die Gruppe der deutschen Skifahrer eher spärlich besetzt. Dieses Fähnchen hielt lange Zeit nur Josef "Sepp" Ferstl in die Höhe, 1978 und 1979 der schnellste Mann am Hahnenkamm. Inzwischen hat jedoch auch sein Sohn eine Gondel: Josef Ferstl Junior gewann 2019 im Super G.

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Und dann kam Dreßen

Thomas Dreßen

Quelle: dpa

Die Ungläubigkeit in der Stimme des ehemaligen Rennläufers und heutigen ORF-Experten Armin Assinger war schon deutlich heraus zu hören, sie war mindestens so einprägsam wie das fast erschrockene Raunen im Zielraum, als Thomas Dreßen 2018 eine sagenhaft gute Bestzeit ins Ziel brachte. Ein deutscher Abfahrtssieger auf der Streif? Kaum zu glauben. Auch deshalb betonten Assinger und der Rest Österreichs im Nachgang bemerkenswert häufig, dass Dreßen ja in Oberösterreich wohne und daher gar kein echter Deutscher sei. Dreßen nahm das locker - und feierte mit Österreichern seinen Sieg im legendären Kitzbüheler Irish Pub "The Londoner".

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Die Österreicher lieben Neureuther

Audi FIS Alpine Ski World Cup - Men's Slalom

Quelle: Alexis Boichard/Agence Zoom/Getty Images

Über Felix Neureuther lässt sich eine ähnliche Geschichte erzählen, denn auch Neureuther lernte schnell, dass er mit den österreichischen Fans in Kitzbühel ein wenig kokettieren muss, damit sie ihn lieben. Und weil Neureuther mit einem guten oberbayrischen Humor gesegnet ist, gelang ihm dieses Kunststück - von allen nicht rot-weiß-roten Athleten ist den Heimfans der Neureuther Felix der liebste.

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Die Strecke

ALPINE SKIING FIS WC Kitzbuehel KITZBUEHEL AUSTRIA 22 JAN 19 ALPINE SKIING FIS World Cup men

Quelle: imago/GEPA pictures

Die Kurzfassung: Start, Rechtskurve, mit etwa 100 Stundenkilometern in die Mausefalle, 50 Meter Sprung, scharfe Linkskurve, noch schärfere Rechtskurve, dann links in den Steilhang und ein paar Sekunden später mit etwa 120 km/h wenige Zentimeter vom Zaun entfernt in ein Gleitstück. Dann folgen die Alte Schneise mit 30 Meter Sprung und einer Schrägfahrt, der Seidlalmsprung (nur 25 Meter), ein weiteres Gleitstück und schließlich die Hausbergkante mit 50 Meter Sprung und scharfer Linkskurve in eine steil abfallende Querfahrt, die in den Zielschuss mündet - dort sind es dann noch einmal bis zu 150 km/h. Das ganze komprimiert in knapp unter zwei Minuten zu fahren, ist eine Leistung, die nicht viele Menschen vollbringen können.

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Die Schattenseite

Abfahrtstraining in Kitzbühel - Albrecht schwer gestürzt

Quelle: dpa

Stürze und Unfälle wie 2009 vom Schweizer Daniel Albrecht (im Foto) gehören leider auch dazu. Fast genauso groß wie die Anzahl der freudigen Jubelszenen im Zielraum ist die Anzahl der schockierenden Momente, in denen plötzlich 40 000 Menschen den Atem anhalten, weil ein Rennfahrer gestürzt ist. In den meisten Fällen gehen diese Unfälle vergleichsweise glimpflich aus, doch die Streif schreibt auch Geschichten wie die des Österreichers Hans Grugger, der 2011 in der Mausefalle auf den Kopf fiel und nach einer Notoperation gerade so überlebte. Dass die Unfälle zum Rennen gehören, ist eine traurige und unveränderliche Wahrheit, dass eine Entschärfung an der ein oder anderen Stelle etwas mehr Sicherheit bringen könnte, eine andere.

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Die Helfer

Vor dem Ski alpin Weltcup in Kitzbühel

Quelle: dpa

Das Hahnenkamm-Rennen wäre ohne eine Vielzahl freiwilliger Helfer nicht möglich, die vor allem in Notsituationen gebraucht werden: Wenn es zum Beispiel in der Nacht vor der Abfahrt schneit, rückt ein sogenanntes Rutschkommando von etwa 25 Leuten aus, das die Nacht hindurch, Spur für Spur, mit Skiern den Schnee aus der Piste rutscht. Mit spärlicher Beleuchtung und blankem Eis unter den Füßen, aber in den meisten Fällen mit Erfolg: Absagen wegen zu viel Schnee auf der Strecke kommen fast nie vor.

© SZ.de/jbe/ebc/sonn
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