Stiftung Warentest:Fehlende Fluchttore, steile Treppen und Brandschutzmängel

Lesezeit: 3 min

150 Tage vor der Weltmeisterschaft stellt die Stiftung Warentest fest: In Sachen Sicherheit der Stadien gibt es in Berlin, Leipzig, Kaiserslautern und auf Schalke noch eine Menge zu tun.

Das Berliner Olympiastadion und drei weitere WM-Stadien weisen nach einer Untersuchung der Stiftung Warentest "erhebliche Sicherheitsmängel" auf.

Fünf Monate vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft kritisierten die Tester fehlende Fluchttore, zu kurze, steile Treppen und Brandschutzmängel. Nach der Studie ist keines der zwölf deutschen WM-Stadien mängelfrei. Einige könnten im Fall einer Massenpanik sogar zur tödlichen Falle für die Zuschauer werden.

Auf einer Pressekonferenz sagte "Test"-Chefredakteur Hubertus Primus: "Ich denke, die WM kann stattfinden. Aber es muss noch einiges passieren, damit wir ein guter Gastgeber sind."

Insgesamt haben acht Arenen "erhebliche" oder "deutliche" Sichtheitsmängel. Damit entsprechen zwei Drittel der WM-Stadien aus Sicht der Stiftung nicht den Sicherheits-Richtlinien des Fußball-Weltverbandes FIFA - obwohl die Spielstätten laut Stiftung für 1,4 Milliarden Euro neu- oder umgebaut wurden.

Beckenbauer: Stiftung Warentest soll bei Gesichtscremes bleiben

Der Präsident des deutschen WM-Organisationskomitees, Franz Beckenbauer, wies die Kritik in einem Interview der Bild-Zeitung zurück, noch bevor die Stiftung ihre Untersuchung zur Sicherheit der WM-Stadien veröffentlicht hatte. "Die Stiftung Warentest kennt sich vielleicht mit Gesichtscreme, Olivenöl und Staubsaugern aus. Dabei sollen sie bleiben", sagte Beckenbauer.

Auch der Berliner Senat verwahrte sich gegen die Vorwürfe. Eine Sprecherin der Stadtentwicklungsverwaltung sagte über das Berliner Olympiastadion: "Selbstverständlich haben wir uns an die Bauvorschriften gehalten. Das Stadion ist seit Monaten in Betrieb und wir gehen davon aus, dass es gut und sicher saniert wurde."

Die Sprecherin fügte jedoch hinzu, man werde sich nach der Veröffentlichung nun detailliert mit den Vorwürfen auseinander setzen. Im Berliner Olympiastadion findet am 9. Juli das WM-Finale der zweiten Weltmeisterschaft auf deutschem Boden nach 1974 statt.

Nur geringe Mängel wurden in München, Hannover, Nürnberg und Köln festgestellt. Als besonders vorbildlich wurden das Frankenstadion in Nürnberg und die Allianz Arena in München gelobt.

Ein Überblick über die Eckdaten aller geprüften Arenen...

Stadien mit "erheblichen Mängeln"

1. Olympiastadion Berlin: fast keine Fluchtmöglichkeit durch tiefen Graben, lange Ausgangstreppen im Fanblock, fehlende Sprinkleranlagen in Logen. Umbau für 242 Millionen Euro, Sitzplätze: 66.021, Ort des Endspiels am 9. Juli.

2. Veltins-Arena Gelsenkirchen: keine Fluchtmöglichkeit auf das Spielfeld, Fluchtwege von Logen nur über Innenbereich, im Gastronomiebereich zu wenig Rauchabzüge. Neubau für 192 Millionen Euro, Sitzplätze: 43.324, privat finanzierte, Multifunktions-Arena mit verschließbarem Dach.

3. Zentralstadion Leipzig: keine Fluchtmöglichkeit aufs Spielfeld, große Fallhöhe von unterer Rangabgrenzung, problematische Fluchtwege durch Tunnel, vermeidbare Brandgefahr. Neubau für 116 Millionen Euro Sitzplätze: 38.898, einzige Spielstätte in den neuen Bundesländer.

4. Fritz-Walter-Stadion Kaiserslautern: lange Fluchtwege, steiler oberer Rang mit zu geringer Stufentiefe, Nordtribüne mit rauchgefährdetem oberen Umgang, keine Brandmelder, ungünstiger Rauchabzug, kein Feuerwehraufzug. Erweiterung für 48,3 Millionen Euro, Sitzplätze: 41.513, Risse in der Dachkonstruktion sorgten im Dezember für Negativschlagzeilen.

Stadien mit "deutlichen Mängeln"

1. AOL-Arena Hamburg: nur teilweise Rettungstore zum Spielfeld, steiler oberer Rang mit geringer Stufentiefe, keine Brandmelder im Logenbereich. Neubau für 100 Millionen Euro, Sitzplätze: 45.442, Probleme bereitete bislang mangels Luft und Licht nur der Rasen.

2. Commerzbank-Arena Frankfurt/Main: ungünstige Eingangsgestaltung, Fluchtwege von Logen-Tribünen nur über Innenbereich, niedrige Brüstung im Rang, vermeidbare Brandgefahren. Neubau für 188 Millionen Euro, Sitzplätze: 43 324, Probleme in der Dachkonstruktion sorgten für Pannen beim Confederations Cup und in der Bundesliga

3. Westfalenstadion Dortmund: keine Rettungstore an Nord- und Südtribüne, teils komplizierte Fluchtwege, zu hohe und unregelmäßige Stufen, viele vermeidbare Brandgefahren. Umbau für 31 bis 36 Millionen Euro, Sitzplätze: 60.285 - Spielort der deutschen Nationalmannschaft im zweiten Gruppenspiel gegen Polen am 14. Juni.

4. Gottlieb-Daimler-Stadion Stuttgart: teils ungünstige Fluchtwege von den Logen, dort auch keine Sprinkler, keine Steigleitung, Feuerwehr-Wege nicht optimal. Modernisierung für 53 Millionen Euro, Sitzplätze: 47.757, darf entgegen der FIFA-Regel seinen "Sponsoren-Namen" auch während der WM behalten.

Stadien mit "geringen Mängeln"

1. AWD-Arena Hannover: viele Rettungstore, günstige Fluchtwege, keine Markierung der Rettungstore, Stolperrisiken durch lange Treppenabgänge, teilweise unregelmäßige Stufen. Umbau für 63 Millionen Euro, Sitzplätze: 39.297, eine Beschwerde wegen "unzulässiger Beihilfe" wurde von der EU-Wettbewerbskommission abgewiesen.

2. Allianz-Arena München: schmale und abschließbare Rettungstore, oberer Rang steil, teilweise unübersichtliche Fluchtwege im Gastronomiebereich, vermeidbare Brandgefahren - Neubau für 342 Millionen Euro, Sitzplätze: 59.416, Ort des Eröffnungsspiels zwischen Deutschland und Costa Rica.

3. Frankenstadion Nürnberg: viele Rettungstore, aber große Fallhöhe von unterer Rangabgrenzung zum Spielfeld, Fluchtwege von Logen nur über Innenbereich, Logenbereich mit wenigen Wandhydranten, keine durchgängige Feuerwehrumfahrt. Umbau für 56,2 Millionen Euro, Sitzplätze: 36 898, Statik-Probleme in der Nordtribüne wurden im Vorjahr behoben.

4. Rhein-Energie-Stadion Köln: nur seitliche Rettungstore mit Fluchtmöglichkeit über Tunneleinfahrten, teils ungünstige Fluchtwege von den Logen, teilweise hohe Stufen auf Tribünen, vermeidbare Brandlasten. Umbau für 110 Millionen Euro, Sitzplätze 40.590, gehört einer Besitzgesellschaft, der unter anderem mehrere Banken, die Stadt Köln und der 1. FC Köln angehören.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: