Stevens in Hoffenheim:Experte für Krisenfälle

Huub Stevens

Huub Stevens: Neue Aufgabe in Hoffenheim

(Foto: dpa)

Von Tobias Schächter, Sinsheim

Markus Gisdol verbrachte den trainingsfreien Sonntag in seiner württembergischen Heimat auf einer Familienfeier. Ernsthaft wird der Trainer der TSG Hoffenheim nicht damit gerechnet haben, am Montag ab 15 Uhr das von ihm angesetzte Training der Profimannschaft noch leiten zu dürfen. Zu trostlos geriet das 0:1 am vorigen Freitag gegen den Hamburger SV. Statt eines Befreiungsschlages in der Krise fühlte sich nach der Pleite alles an wie ein Ende. Zweieinhalb Jahre trainierte der Mann aus Geislingen die TSG, er bewahrte sie in fast aussichtsloser Situation im Mai 2013 vor dem Abstieg. Nun, zwei Jahre danach, übergibt Gisdol den Klub auf einem Abstiegsplatz. Nur sechs Punkte aus zehn Ligaspielen, ein frühes Pokal-Aus beim Zweitligisten 1860 München und eine stetige Abwärtsspirale seit mehr als zehn Monaten machten die Trennung notwendig.

Mit Gisdol müssen auch dessen Assistenten Frank Kaspari und Frank Fröhling gehen. Die verunsicherte Mannschaft braucht einen neuen Impuls. Es ist nicht ohne Ironie, dass dieser nun von Huub Stevens kommen soll. Der 61 Jahre alte Niederländer übernimmt bis zum Saisonende. Unter Stevens war Gisdol 16 Monate lang Assistent beim FC Schalke. Am Dienstag wird der neue Coach offiziell präsentiert.

Kaum ein neuer Spieler erfüllt bislang die Erwartungen

Stevens machte sich in den letzten beiden Spielzeiten einen Namen als freischwebendes Rettungskommando von Baden-Württemberg: Zweimal rettete er den VfB Stuttgart vor dem Abstieg. In Hoffenheim könnte Stevens sein altes Motto helfen: Hinten muss die Null stehen! Die TSG kassierte notorisch am Ende eines Spiels Gegentore, die Punkte kosteten. Gisdol hatte es nicht geschafft, dem Team eine Balance zwischen Offensive und Defensive zu vermitteln, sein Vorwärtsverteidigungsfußball war dafür nicht geeignet. Die Elf wirkte zudem durch zu hohe Erwartungen blockiert. Aber vielleicht ist diese Mannschaft auch nicht gut genug, um Europapokal-Hoffnungen zu rechtfertigen. Andererseits ist sie auch nicht so schlecht, wie sie derzeit als Vorletzter dasteht.

Die TSG verlor im Sommer ihren besten Spieler, den Brasilianer Roberto Firmino, für die Rekordablöse von 41 Millionen Euro an den FC Liverpool. Zudem trennte sich Gisdol nach einer bitteren Rückrunde von den Routiniers Sejad Salihovic (China) und Andreas Beck (Besiktas Istanbul). Dass nun in Anthony Modeste ein Stürmer beim nächsten Gegner 1. FC Köln reüssiert, dem Gisdol kein Vertrauen geschenkt hatte, warfen Kritiker dem Trainer ebenfalls vor. Kaum ein neuer Spieler erfüllte bislang die Erwartungen. Und dennoch wirft die Art der Trennung von Gisdol wieder mal ein Licht auf die Strukturen bei der TSG.

Gespräch zwischen Hopp und dem Mannschaftsrat

In der vorigen Woche hatte Mäzen, Gesellschafter und Mehrheitseigner Dietmar Hopp den Mannschaftsrat um Kapitän Pirmin Schwegler, Eugen Polanski und Kevin Volland in seinen Golfklub in St. Leon-Rot zitiert. Dass sich die Profis zum Trainer bekannten, rettete diesem wohl bis zum Spiel gegen den HSV den Job. Gisdol und Sportdirektor Alexander Rosen erfuhren von dem Treffen erst später. "Am enttäuschendsten" für Rosen war dabei, dass er von diesem Gespräch zwischen Hopp und den Profis am nächsten Tag in der Zeitung hatte lesen müssen.

Nach der Pleite gegen den HSV hatte Rosen erklärt, er glaube noch an die Konstellation mit Gisdol. Der 36 Jahre alte ehemalige Nachwuchschef der TSG war 2013 mit Gisdol ins Amt gehievt worden. Nach einem Gespräch am Samstag mit Hopp war auch Rosen klar, dass Gisdol gehen sollte. Hopps Verhältnis zum Trainer erlitt schon bei der schleppenden Vertragsverlängerung im Frühjahr (Kontrakt bis 2018) erste Risse. Nun war Gisdols Kredit aufgebraucht.

Peter Görlich, Leiter der Nachwuchsakademie, rückt auf

Die Trennung zeigt anschaulich, wer letztlich bestimmt: Hopp. Der senkte auch den Daumen bei der Freistellung von Geschäftsführer Peter Rettig am Sonntag. Rettig wollte die Neustrukturierung der Geschäftsleitung nicht mittragen und musste ein Jahr vor Ablauf des Vertrages gehen. Neuer Geschäftsführer "Kommunikation, Sport & Innovation" ist der bisherige Leiter der Nachwuchsakademie, Peter Görlich. Wenn künftig nach Spielen mit Stevens hinten häufiger die Null stehen sollte, wäre das bei dieser TSG zunächst einmal Innovation genug.

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