Steueraffäre um Uli Hoeneß:Willkommen beim FC Trotzig

FC Bayern, München, Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß

Zusammenhalten in schweren Zeiten: Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge (links) und Präsident Uli Hoeneß.

(Foto: dpa)

Die Entscheidung löst Verwunderung und Kritik aus: Uli Hoeneß bleibt trotz seiner Steueraffäre Chef des Bayern-Aufsichtsrates. Den Münchnern ist das egal - sie scharen sich jetzt erst recht um ihren Präsidenten.

Von Claudio Catuogno

Am Tag danach, das kann man sagen, ohne irgendwelchen Ermittlungen vorzugreifen, ist der FC Bayern sehr zufrieden mit sich selbst gewesen. In einem zufriedenen FC Bayern ist wenig Platz für Zwischentöne, Nachdenklichkeit, Demut.

Das hat man zum Beispiel schön dem Statement des Vorstandsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge entnehmen können, der von der dpa mit dem Satz zitiert wurde, "die Entscheidung des Aufsichtsrates" sei "Beweis der Qualität, Einheit und Stärke dieses Gremiums". Der Aufsichtsrat der FC Bayern AG hatte am Montag entschieden, dass Uli Hoeneß, 61, weiter den Vorsitz in diesem wichtigsten Kontrollgremium des Klubs führen kann, trotz seiner Steuerhinterziehungs-Affäre. Das hatte Irritationen ausgelöst, schließlich gehören dem Gremium Wirtschaftsbosse wie Martin Winterkorn (VW), Rupert Stadler (Audi), Herbert Hainer (Adidas) und Timotheus Höttges (Telekom) an, die in ihren Firmen die Mitarbeiter auf penible Verhaltensregeln verpflichten.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, Aufsichtsratsmitglied bei Borussia Dortmund, war nicht der einzige, der die Entscheidung eher als Beleg für die Schwäche und die Konstruktionsfehler des Aufsichtsrates wertete. Hoeneß hätte sein Mandat wenigstens ruhen lassen müssen, findet Steinbrück, "der Aufsichtsrat hat die Pflicht, ihm dies nahezubringen". Und Sylvia Schenk, die Sportbeauftragte von Transparency International, ist der Meinung, die Bayern-Aufsichtsräte gingen nun "das Risiko ein, dass die Glaubwürdigkeit in ihren eigenen Unternehmen erheblichen Schaden nimmt".

Aber auf miesepetrige Leute wie Steinbrück oder Schenk geht ein zufriedener FC Bayern gar nicht erst ein. Der Aufsichtsrat habe die Entscheidung pro Hoeneß "mit großer Seriosität und hohem Verantwortungsgefühl getroffen", sagte Rummenigge weiter. Punkt, Aus, Ende. "Sie zeigt: Der Klub steht sehr eng zusammen."

Das steht er ganz sicher, der Klub, was angesichts der Rolle, die Uli Hoeneß im Bayern-Gebilde seit mehr als 30 Jahren ausfüllt, wohl auch weder verwunderlich noch verwerflich ist. Der derzeit verletzte Mittelfeldspieler Toni Kroos zeigte sich am Montag in Berlin, wo der DFB-Pokal an die Autoritäten der Hauptstadt übergeben wurde anlässlich des Endspiels am 1. Juni. Auch Kroos begrüßte im Namen der Spieler die Entscheidung vom Vorabend. "Jeder in der Mannschaft ist der Meinung, dass Uli Hoeneß zum Verein gehört", sagte Kroos. Bayern sei ohne Hoeneß "nicht vorstellbar". Dieser Sichtweise hatten sich offenbar auch die Aufsichtsräte nicht entziehen können, die am Montagnachmittag mit ihren Limousinen in den Bauch der Arena gerauscht waren zur mit Spannung erwarteten Zusammenkunft.

Aufsichtsräte lehnen Rücktritt ab

Dabei war zuvor tagelang insbesondere von Vertretern der Autobauer zu hören gewesen, als Aufsichtsrats-Chef sei Hoeneß allenfalls bis zum Champions-League-Finale Ende Mai zu halten. Danach müsse er wenigstens pausieren. Laut der offiziellen Darstellung des Klubs hat Hoeneß in der Sitzung dann genau dies angeboten: das Amt ruhen zu lassen, "bis die zuständigen Behörden über die strafbefreiende Wirkung seiner Selbstanzeige entschieden haben". Und die Aufsichtsräte? Hätten dieses Angebot dann nach intensiver Diskussion "einvernehmlich" abgelehnt. Um die sportlichen Ziele nicht zu gefährden.

Ob diese Darstellung den tatsächlichen Sitzungshergang beschreibt oder eine für solche Vorgänge durchaus übliche Sprachregelung ist?

Am Tag danach war aus Sponsoren-Kreisen jedenfalls zu hören, man habe ein Ruhen-Lassen des Amtes, also die softe Lösung, für aktienrechtlich problematisch gehalten. Und Hoeneß ganz rauszuschmeißen, das sei angesichts der zu erwartenden Unruhe schlicht unmöglich gewesen. Andere Kreise berichteten, Hoeneß' Verbleib sei vorab längst ausgehandelt gewesen. Dafür spricht, dass der Verein das 8:0-Votum schon anderthalb Stunden nach Beginn der Sitzung mit einer augenscheinlich vorbereiteten Pressemeldung verkündete.

Und am Dienstag schickte dieser FC Trotzig dann noch eine weitere Erklärung hinterher, darin "begrüßen" nun auch Präsidium und Verwaltungsbeirat des Klubs "die Entscheidung des Aufsichtsrates (. . .) und stimmen dieser vollinhaltlich zu". Für das Präsidium zeichnet dies Vizepräsident Karl Hopfner, für den Verwaltungsbeirat dessen Chef Edmund Stoiber. Beide sitzen auch im Aufsichtsrat, loben sich also de facto vollinhaltlich selbst.

Den Vertrag des Vorstandschefs Rummenigge hat der Aufsichtsrat übrigens am Montag bis 2016 verlängert. Außerdem bestellte das Gremium noch ein weiteres, fünftes Vorstandsmitglied: Jörg Wacker soll bei den Bayern ab sofort den Bereich "Internationalisierung und Strategie" verantworten. Wacker war vorher Deutschland-Direktor des Sportwetten-Anbieters bwin.

Und wenn man jetzt bedenkt, dass die von ihm selbst eingestandene "Zockersucht" des Präsidenten Uli Hoeneß an der Börse den Bayern gerade ein paar Probleme beschert, dann entbehrt diese Personalie auch nicht dieses speziellen, fast trotzigen Bayern-Charmes.

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