Bibiana Steinhaus:Sie braucht keine roten Karten

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Bibiana Steinhaus zieht sich als Bundesliga-Schiedsrichterin zurück - und hinterlässt eine große Lücke. Ihr Weg soll Nachfolgerinnen inspirieren.

Von Sebastian Fischer, München

Zu den unmittelbaren Reaktionen auf den letzten Abpfiff ihrer Karriere zählten auch ein paar kurze Beschwerden, aber wahrscheinlich war das ganz in ihrem Sinne. Sie wünsche sich, "dass der Fokus allein auf dem Spiel liegt", so hatte Bibiana Steinhaus das vorher formuliert, als sie bekannt gab, dass der Supercup zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund ihre letzte Begegnung als Schiedsrichterin sein werde. Und es war natürlich dem Fokus aufs Spiel geschuldet, dass die 2:3 unterlegenen, gerade angreifenden Dortmunder gerne noch ein bisschen weitergemacht hätten, als Steinhaus die Partie nach drei Minuten Nachspielzeit beendete - allerdings so pünktlich und souverän, dass sich jeglicher Protest erübrigte und schnell den Glückwünschen wich.

Steinhaus, 41, ist sich am Mittwochabend treu geblieben in ihrem Wunsch, den alle Schiedsrichter haben, der aber bei ihr ein besonderer war: möglichst nicht aufzufallen. Sie wäre lange gern "unterm Radar" geflogen, so hat sie das 2017 gesagt, als sie als erste Frau in der Männer-Bundesliga pfiff. Sie hat eingesehen, dass das unmöglich war. "Ich bin nun mal die Einzige hier mit blondem Pferdeschwanz", so oder ähnlich sagte sie das mehrmals. Aber als sie nun abtrat, als erste Frau in einem Männerfinale, hat sie trotzdem Interviews abgelehnt, obwohl natürlich die TV-Sender angefragt hatten. Nur so viel erst mal, auch das per Pressemitteilung: "Über die Gründe meines Rückzugs werde ich mich zu gegebener Zeit nochmals etwas ausführlicher äußern."

Bibiana Steinhaus
:Noch einmal "die Erste" sein

Mit dem Supercup beendet Bibiana Steinhaus ihre Karriere als Schiedsrichterin auf dem Platz. In ihrem letzten Spiel gelingt ihr ein weiterer Pionierschritt.

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Diese Gründe, heißt es, dürften im Privaten liegen, Steinhaus ist mit dem ehemaligen englischen Spitzenschiedsrichter Howard Webb liiert. Der Rückzug, so viel ist auch schon bekannt, ist kein Ende ihrer Laufbahn im Schiedsrichterwesen. Sie habe einem Angebot von DFB-Schiedsrichterchef Lutz-Michael Fröhlich zugestimmt, als Video-Assistentin weiterzumachen, bestätigte sie am Donnerstag: So könne sie ihre "sportlichen Ambitionen unter anderen Vorzeichen weiterhin unter Beweis stellen". Und doch war das Thema auch die Lücke, die sie mit ihrem Abschied vom Platz hinterlässt, sechs Jahre vor Erreichen der Altersgrenze für Schiedsrichter. Als "außergewöhnliche Persönlichkeit und Pionierin in einer Männerdomäne" werde Steinhaus weiter ein Vorbild bleiben, sagte DFB-Präsident Fritz Keller.

Es galt schon 2017 als überfällig, Steinhaus zur Bundesliga-Schiedsrichterin zu befördern. Bereits 2007 stieg sie in die zweite Liga auf, siebenmal wurde sie zur Schiedsrichterin des Jahres gekürt. Bei den Frauen leitete sie seit 2009 internationale Turniere. In der Bundesliga pfiff sie 23 Spiele, kam dabei ohne rote Karte aus. 2015 hat ihr der spätere Nationalspieler Kerem Demirbay nach einem Platzverweis mal zugerufen, Frauen hätten auf dem Fußballplatz nichts verloren. Über eine damals offenbar noch zu wenig hinterfragte Denkweise verriet die Aufarbeitung des Vorfalls beinahe noch mehr: Demirbay leitete auf Anregung seines Klubs Fortuna Düsseldorf wie zur Strafe ein Mädchenspiel, im weißen Mantel.

Riem Hussein und Katrin Rafalski pfeifen in der 3. Liga

Mit Demirbay hat sich Steinhaus vertragen, von ähnlichen Vorfällen ist seitdem nichts bekannt. Am Mittwoch wurde sie von Lucas Hérnandez angeschrien, nachdem sie dem Münchner zu Recht Gelb gezeigt hatte, doch auch der Franzose zählte später zu den lächelnden Gratulanten.

"Ich hatte nie vor, einen Emanzipationsweg zu beschreiten", das ist noch ein typisches Steinhaus-Zitat. Sie hat diesen Weg beschritten, ohne es so zu sagen. Manchmal kam es trotzdem vor, dass sie äußerte, wo es Bedarf zur Verbesserung gebe. Im März, auch in München, beim Spiel gegen Augsburg am Weltfrauentag, zeigte sie sieben Finger in die Kamera - jedes siebte Mitglied im DFB ist weiblich. Bei 57 000 Schiedsrichtern sind es derzeit aber nur 2194 Frauen. Riem Hussein, 40, pfeift in der dritten Liga, Katrin Rafalski, 38, ist Assistentin in der zweiten Liga. Zu den Talenten zählen Karoline Wacker, 29, und Angelika Söder, 31. Bislang leiteten sie bei den Männern Spiele nur in der Regionalliga.

© SZ vom 02.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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