Steffen Weinhold bei Handball-WM:Rückraum-Wühler mit Pflegebedarf

Weinhold of Germany is blocked by Dibirov and Evdokimov of Russia during their preliminary round of the 24th men's handball World Championship in Doha

Steffen Weinhold (li.): Nicht gerade kontaktscheu

(Foto: REUTERS)
  • Steffen Weinhold ist für die DHB-Handballer in Katar unentbehrlich - bereits zweimal wurde er zum "Man of the Match" gewählt.
  • Seine Spielweise ist kraftraubend: Er wühlt sich durch die Abwehr und zwängt sich durch kleinste Lücken.
  • Hier geht es zu der Tabelle und den Ergebnissen der Handball-WM.

Von Joachim Mölter, Doha

Nach jeder Partie bei dieser Handball-Weltmeisterschaft in Katar wird ein "Man of the Match" geehrt, ein "Spieler des Spiels", am Dienstagabend war das Steffen Weinhold, der Linkshänder im Rückraum der deutschen Auswahl. Beim 30:30 (16:16) im Vorrundenspiel gegen den WM-Zweiten Dänemark war er mit acht Treffern der beste Torschütze gewesen, zum zweiten Mal schon in diesem Turnier. Zum 29:26-Erfolg über Polen im Auftaktspiel hatte er sogar neun Tore beigetragen.

Bereits dafür hatte Weinhold eine Uhr bekommen, die es als Preis für den "Man of the Match" gibt, die zweite hat er deshalb dem Physiotherapeuten seines Teams versprochen, Peter Gräschus, "weil der uns so gut pflegt", wie Steffen Weinhold sagt. Und ihn muss Gräschus ganz besonders gut pflegen. "Ich spiele ja eine Rolle, die körperlich schon sehr anstrengend ist", sagt der 28-Jährige.

Eine äußerst kraftraubende Spielweise

Weinhold ist bei dieser WM nicht nur gefordert, weil er nach dem Rücktritt von Holger Glandorf, des Weltmeisters von 2007, nun die unbestrittene Nummer eins auf der Position im rechten Rückraum ist: Im verjüngten Team des neuen Bundestrainers Dagur Sigurdsson ist er auch einer der international erfahrenen Akteure, ihm fällt eine Führungsrolle zu, die er bisher sehr gut ausfüllt. "In den schwierigen Phasen, wo wirklich Gegenwind war, ist Steffen vorneweg marschiert", sagt Sigurdsson. Weinhold hat quasi den Weg geebnet, der die deutschen Handballer (5:1 Punkte) vorläufig auf Platz eins der Vorrunden-Gruppe D geführt hat, mit guten Perspektiven auf das Achtelfinale.

Aber körperlich anstrengend ist vor allem Weinholds Spielweise. Mit seinen 1,91 Metern ist er eher klein für einen Rückraumspieler, ihm fehlt auch die Sprungkraft, um über ausgestreckte Arme von hochhüpfenden Verteidigern zu werfen. Auf seinem Weg zum Torerfolg wühlt sich Weinhold eher durch einen Abwehrblock hindurch und zwängt sich durch die kleinsten Lücken. Dabei nimmt er in Kauf, gerempelt und geknufft, gezogen und gehalten, geschubst und gepiekst zu werden. Physiotherapeut Gräschus muss die blauen Flecken dann jedes Mal wieder wegmassieren und -kneten. Wegen Weinholds kraftraubender Spielweise im Angriff befreit ihn Bundestrainer Sigurdsson häufig von der Abwehrarbeit und gewährt ihm Verschnaufpausen auf der Bank.

Abgesehen von der Sprungkraft aber fehlt Weinhold kaum noch etwas zu einem Weltklassemann. "Er ist ein kompletter Spieler, torgefährlich, stark im Spiel eins gegen eins, mit einem guten Auge für die Situation, schwer aus dem Spiel zu nehmen", lobte ihn Dänemarks Trainer Gudmundur Gudmundsson nach dem Unentschieden.

Der Isländer kennt den Linkshänder noch aus den Tagen, als er die Rhein-Neckar Löwen trainierte und Weinhold beim Champions-League-Sieger SG Flensburg-Handewitt spielte. Doch nach seinem Wechsel zum deutschen Rekordmeister THW Kiel im vergangenen Sommer hat sich der gebürtige Franke nun noch einmal weiterentwickelt - durch "andere Mitspieler, die andere Ideen haben, die einem andere Inspirationen geben, einen neuen Input", wie er erzählt.

Weinholds Torgefahr stellt die Gegner vor Probleme

Diesen Entwicklungsschritt in der Bundesliga hat der seit Sommer für Dänemark tätige Gudmundsson offensichtlich verpasst, er sagt jedenfalls: "Ich gehe davon aus, dass wir anders gegen Steffen Weinhold spielen würden, wenn wir noch mal auf Deutschland treffen. Aber wie, das werde ich nicht verraten."

Wie man Weinhold bremsen kann, haben die Russen am Sonntag eine Halbzeit lang gezeigt. Mit einer offensiven Defensive drängten sie die deutschen Rückraumspieler Paul Drux und Martin Strobel weiter zurück, als denen lieb war; und weil Weinhold der einzige war, der unermüdlich dahin vordrang, wo es wehtut, schlossen die Russen ihre Reihen dort enger und machten die Lücken quasi mit einem eisernen Vorhang dicht. Durch den konnte sich selbst der Wühler Weinhold nicht mehr zwängen. Erst als seine Nebenleute nach dem Wechsel mutiger wurden und auch mal eine Lücke rissen, gelang es den deutschen Handballern, die Partie noch zu drehen und zu gewinnen (27:26).

Deutschland erwartet eine offensive Abwehr

Im vorletzten Vorrundenspiel am Donnerstag gegen Argentinien (17 Uhr/Sky) erwartet die Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) eine ähnlich offensive Abwehr, wahrscheinlich eine sogar noch ungewohntere. Bundestrainer Dagur Sigurdsson "wird sich dafür noch was einfallen lassen", sagt Steffen Weinhold, und er selbst will sich auch noch mit den Kollegen Strobel und Drux zusammensetzen, "um uns zwei, drei Dinge zu überlegen".

Womöglich überlegen sich aber auch die Argentinier, wie sie Weinholds Tordrang stoppen können. Den 28-Jährigen würde es nicht ärgern, wenn er nicht so zum Zug käme wie gegen die starken Polen und Dänen, sein Ego ist nicht so groß wie die Torgefahr, die von ihm ausgeht. "Wir haben viele Spieler, die Verantwortung übernehmen können, und das kann in jeder Partie ein anderer sein", sagt er und fügt hinzu: "Letztendlich geht es ja nur darum, dass man das Spiel gewinnt. Und ich freue mich, wenn ich dem Team mit meiner Leistung dabei helfen kann."

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