Ski alpin„Ich fühle mich körperlich wie 22“

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Er ist wieder da: Stefan Luitz steht nach vielen Verletzungen und einem Rücktritt wieder in den Skistiefeln.
Er ist wieder da: Stefan Luitz steht nach vielen Verletzungen und einem Rücktritt wieder in den Skistiefeln. (Foto: Harald Steiner/Gepa pictures/Imago)

Er galt einst als größtes deutsches Skitalent, dann ereilten Stefan Luitz reihenweise Verletzungen und Rückschläge. Mit 32 Jahren gibt der Allgäuer sein vielleicht letztes Comeback – in Beaver Creek, wo er einst seinen größten Erfolg feierte.

Von Korbinian Eisenberger

Der Hintergrund ist verdunkelt, im Licht sitzt ein Mann im weißen T-Shirt und erzählt. Die Szenerie wirkt unspektakulär, umso mehr entfalten die Worte des Mannes im Licht Wucht: was er sagt, und wie er das sagt. Teilweise stockt ihm die Stimme, mehrmals muss er tief Luft holen, an zwei Stellen ringt er mit den Tränen.

Der Skirennläufer Stefan Luitz war länger von der Bildfläche verschwunden. Anfang Dezember tauchte er nun in einer bewegenden Kurzdoku über seinen Karriereweg auf, den man auch als sportlichen Leidensweg bezeichnen könnte. Vor zwölf Jahren galt der damals 20 Jahre alte Allgäuer als größtes Talent im deutschen Skisport, ehe seine Laufbahn mehr und mehr zu einer Rehaserie wurde. Wohl kaum ein anderer aktiver Skirennläufer im Weltcup musste eine solche Anzahl an schweren Verletzungen und Rückschlägen verkraften wie Luitz, zuletzt hatte er sich im Oktober 2023 beim Training einen Knöchel gebrochen und die Syndesmose gerissen. Damals dürften die wenigsten daran geglaubt haben, dass er nun, mit 32, noch einmal sein Comeback gibt. Vielleicht ein letztes Mal? Jedenfalls auf jener Piste in Colorado, die ihm einst den größten Erfolg bescherte.

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Zuletzt waren Luitz und der Skiweltcup nicht mehr die besten Freunde. Fast schon filmreif war die Szene im Dezember 2022, als ihn nach seiner Fahrt beim Riesenslalom von Alta Badia unten im Zielraum ein Ordner aus der umzäunten Zone bitten wollte, nur weil Luitz’ Zugangskarte nicht um seinen Hals baumelte. Doch Luitz blieb standhaft. Wie so oft, wenn andere aufgegeben hätten.

Die Dokumentation der Produktionsfirma Heimpel Media dauert nur knapp neun Minuten, und doch geben die Aufnahmen einen guten Einblick in einen Bereich des Sports, der im schnelllebigen Alltag der Profiszene nur schwer zu ergründen ist: die Rolle des Kopfes, der Psyche und der Gedanken von Sportlern. Der Film trägt den Titel „From setbacks back to the thrill“, könnte aber auch heißen: Der Sport im Kopf.

Der 2. Dezember 2018 sei zu einem seiner "prägendsten Tage“ geworden, „der mental enorm viel mit mir gemacht“ hat, sagt Luitz

Und es ist wahrscheinlich kein Zufall, dass das Filmprojekt kurz vor dem Weltcupwochenende in Beaver Creek veröffentlicht wurde. Genau hier war Luitz am 2. Dezember 2018 zu seinem ersten Weltcupsieg gerast, vor dem Österreicher Marcel Hirscher und Thomas Tumler aus der Schweiz. Seinerzeit trauten ihm viele Beobachter die ganz große Skikarriere zu, da war er ja erst 26. Doch dann kam es ganz anders.

Diesen Dezembertag vor fast genau sechs Jahren habe er als „einen der schönsten in meiner sportlichen Karriere“ in Erinnerung, erzählt Luitz im Film. Gleichwohl sei er später auch zu „einem meiner prägendsten Tage“ geworden, „der mental enorm viel mit mir gemacht und auch einiges verändert“ hat.

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Tatsächlich hatte Luitz zu diesem Zeitpunkt gerade erst seinen zweiten Kreuzbandriss auskuriert, die Vollendung schien nahe zu sein, endlich. Stattdessen ging das Drama in die nächste Runde: Ein Betreuer eines konkurrierenden Teams hatte fotografiert, wie Luitz zwischen den Läufen – auf 3000 Metern Höhe – künstlichen Sauerstoff inhalierte. Im Reglement des Skiweltverbands (Fis) ist dies während des Rennens verboten. Der DSV hatte sich aber am Regelwerk der Welt-Anti-Doping-Agentur orientiert, das den Einsatz gestattet. Die Fis nahm Luitz, der sich auf die Einschätzungen seiner Vorgesetzten verlassen hatte, den Sieg zunächst ab. Später revidierte der Internationale Sportgerichtshof den Spruch. Luitz behielt seinen Weltcupsieg, aber niemand hat wohl jemals so sehr darum kämpfen müssen wie er.

Das hinterließ Spuren. Fortan sei ihm „zum ersten Mal bewusst geworden, was dieser Druck im Leistungssport mit einem Menschen machen kann“. In seinem Fall damals wendeten sich die Dinge zum Schlechten. Von dem rasanten Riesenslalomspezialisten war plötzlich kaum mehr etwas übrig. Die Intuition für Ski und Schnee wich der Verunsicherung. „Ich bin teilweise am Start gestanden und ich wusste nicht mal, wie ich jetzt ins Ziel kommen soll, wo ich die Schwünge ansetzen soll“, berichtet Luitz. „Es hat sich bissl so angefühlt, als hätte ich das Skifahren verlernt.“ Am tiefsten Punkt dann die Entscheidung: „Da häng’ ich die Skier lieber an den Nagel.“

Die Doku untermalt Luitz’ Sätze mit emotionalem Sound, und teilweise vergisst man dabei fast, dass es hier „nur“ um Skifahren geht und nicht um ganz große Themen des Lebens. Für Luitz allerdings, auch das wird deutlich, zählt Skifahren in diese Kategorie. Und so kam es, wie es kam: ein Flug ins Warme mit der Familie, einige Wochen Kitesurfen, neue, frische Gedanken. Kurze Zeit später dann der Anruf: Ob er es nicht doch noch mal probieren möchte?

Luitz trainiert seither mit dem internationalen Privatteam Global Racing und nicht mehr beim Deutschen Skiverband (DSV). Dem Vernehmen nach ist das Verhältnis zu den ehemaligen Trainern und Kollegen entspannt, auch wenn Luitz im Film berichtet, dass er sich aufgrund mehrerer Weggänge im DSV-Trainer- und Betreuerteam dort zuletzt nicht mehr wohlgefühlt habe. Am Sonntag beim Riesenslalom von Beaver Creek wird er aller Voraussicht nach im weißen Tiger-Rennanzug des DSV starten – und sagt: „Ich fühle mich körperlich wie 22.“ Trotz einer Schiene, nach einem Handbruch in der Vorbereitung, wie könnte es auch anders sein. „Beim Fahren stört’s mich nicht“, lässt Luitz in einer Whatsapp-Sprachnachricht wissen. „Ich habe eigentlich keine Schmerzen, anschieben und Hocke fahren geht.“ Bei seiner Verletztenakte ist so ein Handbruch ohnehin höchstens ein kleiner Kratzer.

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