Cedrik-Marcel Stebe:Nummer 455 erreicht das Finale

Lesezeit: 3 min

Seit April wieder auf der Profitour zurück: Tennisspieler Cedrik-Marcel Stebe. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Nach langer Verletzungspause hat es Tennisprofi Cedrik-Marcel Stebe in Gstaad ins Finale geschafft - als der am schlechtesten platzierte Spieler in einem ATP-Endspiel seit zehn Jahren.

Interview von Lisa Sonnabend

Cedrik-Marcel Stebe reiste als 455. der Weltrangliste zum Tennisturnier nach Gstaad, 22 Monate lang hatte er kein einziges Match auf der ATP-Tour gewonnen, war monatelang wegen einer Handgelenksverletzung ausgefallen. Doch in der Schweiz gewann der 28-Jährige, der bei der Tennis-Base in Oberhaching trainiert, vier Matches in Serie und erreichte das Finale am Sonntag - als der am schlechtesten platzierte Endspiel-Teilnehmer bei einem ATP-Turnier seit zehn Jahren. Auch wenn Stebe 3:6, 2:6 gegen den favorisierten Spanier Albert Ramos-Viñolas verloren hat: Zu erkennen war wieder, wie viel Talent in dem Linkshänder steckt, wie zermürbend sein Grundlinienspiel ist und wie weit nach oben er wohl hätte kommen können, wenn er nicht so oft verletzt gewesen wäre. Durch den Finaleinzug ist er immerhin wieder die Nummer 257 der Welt.

SZ: Herr Stebe, Ihr Trainer Lars Uebel hat nach Ihrem Erstrundensieg gegen Corentin Moutet gesagt, diesen Erfolg solle man nicht überbewerten. Da haben Sie es ihm ja ganz schön gezeigt.

Cedrik-Marcel Stebe: Da hatte Lars schon recht, ein Match ist nicht aussagekräftig. Der Finaleinzug war wirklich nicht zu erwarten. Ich bin selbst mit der Einstellung in das Turnier gegangen, dass ich vielleicht eine Runde gewinne, maximal zwei.

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Warum ist es anders gekommen?

In der ersten Partie war ich noch gehemmt. Ich hatte immer im Hinterkopf, dass ich zuletzt jedes Mal verloren hatte. Doch nach dem Sieg hatte ich endlich das Selbstvertrauen, ich fühlte mich wohl in Gstaad, habe immer besser aufgespielt. Endlich war ich wieder frei im Kopf. Das gab den Ausschlag. Und dann habe ich einfach die ganze Woche lang frei weitergespielt.

Wie fühlt es sich an, plötzlich wieder als Sieger den Platz zu verlassen?

Wenn man oft gewinnt, wird das Gewinnen zu einer Art Gewohnheit. Man erwartet schon vorher, dass man gewinnt. Das hatte ich die letzten Monate überhaupt nicht, das Vertrauen war nicht da. Jetzt fühlt sich mein Spiel wieder ganz anders an, das habe ich mir durch die Siege in Gstaad erarbeitet. Mein Selbstvertrauen wurde von Runde zu Runde größer. Ich habe wieder das Gefühl, dass der andere mich erst einmal schlagen muss, wenn ich fit bin.

Im Finale gegen den Spanier Albert Ramos-Viñolas hat es dann nicht für den großen Triumph gereicht, Sie verloren mit 3:6 und 2:6 ...

Das frustriert mich ein bisschen, es wäre mehr drin gewesen, wenn ich bei 100 Prozent gewesen wäre. Am Samstag musste ich aber wegen Regenverschiebungen zwei Matches spielen, die haben mich ein bisschen gekillt. Das waren vier Stunden, sechs Sätze. Manchmal hat man halt Pech. Wenn es nicht so viel geregnet hätte, wäre das Finale vielleicht ganz anders ausgegangen.

Schmerzt Sie das Handgelenk gar nicht mehr?

Bei den letzten Turnieren hatte ich noch ein bisschen Schmerzen, weil sich das Narbengewebe erst lösen musste. Jetzt bin ich aber völlig schmerzfrei und muss nicht mehr an mein Handgelenk denken, wenn ich eine Rückhand schlage. Mir geht es gut, ich bin nur ein bisschen müde. So viele Matches in so kurzer Zeit - das hatte ich ja lange nicht mehr.

Sie haben eine ziemlich einmalige Verletzungsgeschichte. Von Oktober 2013 bis März 2016 fielen Sie aus. Dann schafften Sie es zurück unter die Top 75. Ehe Sie Ende 2017 erneut am Handgelenk operiert werden mussten und erst seit April wieder spielen können. Wie steht ein Sportler solche Phasen durch?

Es war nicht einfach. Man muss sich immer wieder in den Griff kriegen. Es gab Tiefpunkte, wo ich mich fragte, ob es überhaupt noch Sinn macht, weiterzumachen oder ob ich nicht besser aufhören sollte mit dem Tennis. Wenn man die Resultate verfolgt und sieht, wie Leute, die man eigentlich schlagen kann, immer höher kommen, ist das für den mentalen Zustand nicht gerade förderlich. Deswegen habe ich versucht, mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Auf Dinge, die mich ablenken.

Auf welche?

Ich habe Freunde besucht, war mehrmals im Urlaub. Ich habe Sachen gemacht, die man als Tennisspieler normalerweise nicht machen kann. Ich habe viel Klavier gespielt. Einfach die Seele baumeln lassen. Meine Familie und meine Verlobte haben mir dabei sehr geholfen. Und jetzt bin ich mega euphorisch, dass es geklappt hat.

Was sind Ihre nächsten Ziele?

Ich möchte erst einmal den Ball flach halten, schauen, dass ich mich nicht wieder verletze. Das Ziel war, dass ich nach den Australian Open im Januar 2020 in der Weltrangliste wieder unter den Top 200 bin - also in Grand-Slam-Qualifikations-Reichweite.

Nun haben Sie bereits einen Sprung von Rang 455 auf 257 gemacht.

Jetzt kann das natürlich recht schnell gehen, wenn ich gut spiele. Aber ich muss schauen, dass ich mich von den Siegen nicht zu sehr ablenken lasse.

Als nächstes steht das Turnier in Los Cabos in Mexiko für Sie an.

Ich stehe gerade am Flughafen. Ich musste viermal umbuchen, eigentlich wollte ich schon am Freitag fliegen. Das hat eine Stange Geld gekostet, aber das macht man natürlich gerne, wenn man so weit kommt. Am Dienstag muss ich schon wieder in der ersten Runde spielen. Weil es ja doch eine längere Reise ist, fliege ich jetzt Businessclass. Das habe ich mir gegönnt.

© SZ vom 30.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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