Für Baden-Württembergs Sportministerin Theresa Schopper ist die Aufklärung der von etlichen Turnerinnen angeprangerten Missstände durch eine vom Deutschen Turner-Bund (DTB) beauftragte Frankfurter Kanzlei unzureichend. „Wir brauchen eine andere Instanz zur Aufklärung als die Kanzlei“, sagte sie in einer Sitzung des Landtagsausschusses für Kultus, Jugend und Sport. Eine andere Variante müsse gefunden werden. „Eine unabhängige Aufarbeitung kann nur gelingen, wenn alle Betroffenen die Aufarbeitung akzeptieren. Dazu muss sie unabhängig von den Verbänden sein“, sagte die Grünen-Politikerin.
Zudem hat Schopper angekündigt, die Zuschüsse für den Turnsport einzufrieren, bis die Forderungen nach einer Aufklärung, die den Erwartungen des Ministeriums entspreche, erfüllt seien. „Das ist der Hebel, den wir haben“, sagte sie. Für das laufende Jahr ist eine Förderung von 1,6 Millionen Euro vorgesehen, wie einer Antwort auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Landtag zu entnehmen ist.
Ebenfalls am Donnerstag wurde bekannt, dass das in die Kritik geratene Stuttgarter Kunstturnforum einen neuen Stützpunktleiter erhält. Michael Breuning werde nach mehr als 38 Jahren in den Ruhestand gehen, teilte der Schwäbische Turnerbund (STB) mit, das Amt übernehme Nicolas Windelband, 35. Der Verband erhoffe sich „neue Impulse“. Windelband arbeitet seit 2020 beim Badischen Turner-Bund, zuletzt als Spitzensport-Koordinator.
Schilderungen über Missstände im Turnen beschäftigen seit Wochen den Sport und die Politik. Seit Weihnachten haben etliche ehemalige und aktive Turnerinnen, unter anderem Tabea Alt, Michelle Timm und Elisabeth Seitz, Vorwürfe über das Training zunächst am Stützpunkt Stuttgart, dann am Stützpunkt Mannheim erhoben. Kritisiert wurden unter anderem „systematischer körperlicher und mentaler Missbrauch“. Der schwäbische Turnerbund und der Deutsche Turner-Bund (DTB) haben eine Aufarbeitung eingeleitet; im Zuge dessen beauftragte der DTB die Frankfurter Kanzlei Rettenmaier, die Vorgänge in einem ersten Schritt zu klären. Die Untersuchung durch die Kanzlei stieß auf heftige Kritik: In einem offenen Brief bezweifelten viele ehemalige Spitzenturnerinnen die Unabhängigkeit einer anwaltlichen Untersuchung, die der Verband selbst bestellt hat.
Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat unterdessen ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Nötigung in mehreren Fällen eingeleitet, das sich gegen einen ehemaligen Trainer am Kunstturnforum richtet.