Starterfeld der Fußball-EM:Aufblähen für die Wiederwahl

Die EM in Polen und der Ukraine verspricht großen Sport mit den stärksten Nationen des Kontinents. Danach stockt die Uefa das Teilnehmerfeld auf - es wird Vorrundengruppen geben, die so leicht sind, dass man sie für Qualifikationsgruppen halten könnte. Dahinter steckt das Kalkül der Funktionäre.

Christof Kneer

Die Formulierung "aller Zeiten" ist eine schöne und sehr wahrhaftige Formulierung, weil sie dem Wunsch des Menschen entspringt, Ranglisten anzulegen und darin historische Größe zu würdigen. Auch die Gegenwart war zuletzt ja wieder recht historisch, es gab den trockensten November aller Zeiten, den langsamsten Castor-Transport aller Zeiten und natürlich den besten deutschen Bundestrainer aller Zeiten. Dieser Joachim Löw wird am Freitag gespannt verfolgen, gegen wen seine Elf im Juni spielen muss. Bei der besten Europameisterschaft aller Zeiten.

EM 2012: Spielplan und Stadien

Wo Deutschland den EM-Titel holen will: Klicken Sie auf das Bild, um die Grafik zu öffnen.

Leider ist die Formulierung "aller Zeiten" in Wahrheit völlig falsch. Sie tut so, als könne sie auch für künftige Zeiten sprechen, aber es gibt niemanden, der die Zukunft kennt und schon vorher alles besser weiß, außer vielleicht Louis van Gaal. "Aller Zeiten" meint also nichts anderes als "bisher".

Der bisher trockenste November, der bisher langsamste Castor-Transport, der bisher beste Bundestrainer. Wobei: Die anstehende EM wird wahrscheinlich wirklich die beste aller Zeiten. Denn so eine EM wird es nie mehr geben.

Die EM 2012 ist die letzte ihre Art. Wieder werden sich 16 Länder um einen Titel bewerben, wieder werden es 16 sehr gute Länder sein. Diesmal sind im Turnier sogar die 15 besten Länder der Uefa-Rangliste vollzählig versammelt, nur Polen kommt als Gastgeber von Platz 28 ins Starterfeld. Anders als eine WM ist eine EM immer ein Versprechen. Sie verspricht konkurrenzfähigen Sport vom ersten Wettkampftag an. Beziehungsweise: Sie versprach.

Im Sommer 2016, in Frankreich, wird das Turnier nicht wiederzuerkennen sein. Erstmals werden dann 24 Länder an den Start gehen, fast die Hälfte der Uefa-Mitgliedsverbände (53). Es wird Vorrundengruppen geben, die so leicht sind, dass man sie für Qualifikationsgruppen halten könnte. Was so niedlich nach Sympathie für die kleinen Länder aussieht, folgt in Wahrheit politischem Kalkül.

Die Aufblähung von Turnieren gilt unter Sportfunktionären als bester Trick aller Zeiten (bisher). João Havelange gelangte 1974 ins Amt des Fifa-Chefs, nachdem er eine Ausweitung der WM auf 24 Teams versprochen hatte; 1994 sicherte er sich eine letzte Amtszeit, weil er die WM auf 32 Länder vergrößerte.

Und Michel Platini erwarb sich vor seiner Wahl zum Uefa-Präsidenten die Dankbarkeit vor allem der osteuropäischen Verbände, indem er die EM auf 24 Teams aufpumpte. Der Funktionär Platini war übrigens mal einer der besten Fußballer aller Zeiten.

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