Start der Skisprung-Saison:Andreas Wellinger hat beim FC Bayern gelernt

Pyeongchang 2018 - Ski nordisch

Andreas Wellinger mit Silber bei Olympia - jetzt beginnt die neue Saison.

(Foto: dpa)
  • Andreas Wellinger geht voller Hoffnung und neuer Motivation in die jetzt startende Skisprung-Saison.
  • Im vergangenen Sommer hat er sich fortgebildet - und sich beim FC Bayern abgeschaut, wie man immer wieder Lust aufs Siegen entwickelt.

Von Volker Kreisl

Skispringen ist ein stetiger Prozess. Ruhst du dich auf deinem Erfolg aus, erklärt Andreas Wellinger, dann sind die Nächsten ganz schnell da - "so schnell kannst du gar nicht schaun". Und dann, sagt Wellinger, geht der Prozess weiter: Sind sie mal da, dann nehmen sie einem den Platz weg. Und verliert man seinen Platz, dann fängt man an zu überlegen, "und dann ist es zu spät".

Überlegen ist nämlich ganz schlecht im Skispringen, auch für einen Olympiasieger wie Wellinger. Der startet an diesem Wochenende zusammen mit rund 50 weiteren Weltcupspringern in Wisla in Polen in die Saison, und alle werden sie wieder mit diesem hinterlistigen Aspekt ihres Sports zu tun bekommen. Ein paar wenige werden ohne störende Zweifel frei aufspringen und weit vorne landen, sie werden sich dabei leicht und locker fühlen, weil alles wie von selber geht. Der Rest aber wird überlegen, woran es nur liegt, dass die Weite einfach nicht passt und in seinen Gedanken schlimmstenfalls immer stärker verkrampfen.

Wellinger ist von Natur aus unverkrampft. Er sagt, er neige manchmal zum Draufgänger, habe hin und wieder "a bissl einen Vogel". Diese Leichtigkeit war ein Vorteil für seinen Werdegang, mit 18 Jahren wurde er Weltcupgewinner und Team-Olympiasieger, und auch ein kapitaler Sturz aus großer Höhe hat ihn nicht aufgehalten auf seinem Weg nach oben und zu den großen Erfolgen der vergangenen Saison: Wellinger wurde Zweiter der Vierschanzentournee und holte dann bei den Winterspielen in Pyeongchang Gold auf der Kleinschanze und Silber auf der Großen. Und jetzt ist alles anders.

Als Gast beim FC Bayern ließ Wellinger sich von Fußballern inspirieren

Der Sommer nach dem ersten großen Titel ist immer eine Herausforderung. Auch Wellingers Motivation ließ plötzlich nach, weshalb er im April erst mal ganz weit weg geflogen ist, nach Mexiko. Seine Hauptbeschäftigung dort bestand darin, "nicht an Skispringen zu denken". Also auch nicht daran, wie er Monate zuvor seine Form aufgebaut hatte, wie er dann in jener legendären Samstagnacht von Pyeongchang durch die Kälte, den stürmischen Wind und die Dunkelheit mit einem grandiosen zweiten Sprung auf den ersten Platz flog, was sein Trainer Werner Schuster darauf in der eiskalten Mixed-Zone kommentierte, mit vielen Worten und nassen Augen.

Aber jetzt war Wellinger in Mexiko, um zu besichtigen, zu surfen und durchs Land zu reisen. Und weil Mexiko noch nicht genug Ablenkung brachte, hängte Wellinger im Sommer noch eine USA-Reise dran, und zwar mit den Fußballern des FC Bayern, der dort ein Trainingslager bezog und dessen Anhänger Wellinger ist. So eine Fanreise wirkt auf den ersten Blick etwas unreif, tatsächlich ging es Wellinger aber weniger ums Staunen, als ums Dazulernen.

Er ist der Teamleader der Deutschen

Er lernte, wie sich Arjen Robben trotz dauernder Titelgewinne immer wieder motiviert, wie diese Profis ihren Alltag organisieren, wie sie "immer hungrig bleiben". Und weil er das später seinen Skisprungkollegen ausführlich vortrug, war der 23-Jährige schon mal in jener Rolle, die im Skispringen immer inoffiziell ist, in die er aber vielleicht trotzdem mal schlüpft: die des Teamleaders.

Wellingers Bildungsreise inspirierte, war aber eben Theorie. In der Praxis, beim Wiederaufbau der Form, war er zuletzt nicht unter den Besten im Team, im Sommer Grand Prix war er nur viermal dabei. Der Oberstdorfer Karl Geiger hat sich in diesem Übergangswettbewerb als Gesamtzweiter empfohlen, mit starker Frühform trainierten zuletzt auch Markus Eisenbichler und Richard Freitag, der Zweite im Gesamtweltcup 2017/18. Wellinger gilt also zunächst nicht als Favorit auf Siege, aber er ist bekannt dafür, dass er länger braucht, um weit zu fliegen, und er hat derzeit eine andere Situation.

Große Titel verändern den Athleten, und bei einem Skispringer ist das nicht leicht. Wellinger hat nun etwas zu verteidigen, hat mehr Verantwortung für seinen Erfolg. Er muss wieder hungrig werden, wie er es von den Fußballern gehört hat, und doch ist ein Skispringer kein Fußballer. Wenn er anfängt, sich zu zwingen, verliert er die Lockerheit. Gut, dass ein Skisprung-Olympiasieger auf Erlebnisse zurückgreifen kann, die ihn wieder an den Anfang zurück tragen, wie Wellinger beim Heimatklubempfang in Ruhpolding. "Da standen die Kinder, die selber mit Skispringen anfangen", erzählt er, "und sie kriegen große Augen, und ich denk', so lang ist's auch nicht her, da ging's mir genauso."

Seine Form sucht Wellinger noch

Am Samstag wird in Wisla im Team gesprungen, am Sonntag folgt dann das erste Einzelspringen der Saison. Insgesamt sind bis Ende März wieder die Vierschanzentournee, die WM im Februar in Seefeld sowie 21 Weltcupstationen geplant. Andreas Wellinger will sich dabei langsam verbessern - wie genau, erklärt er mit einem typischen Skispringer-Satz: "Ich will die Leichtigkeit finden, um mir meinen Sprung zu erarbeiten."

Also losspringen, ohne zu überlegen.

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