Start der 3. Liga:1860 ist jetzt ein entschleunigter Verein

Start der 3. Liga: Platzsturm nach dem Schlusspfiff: Die erste Saison nach der Rückkehr nach Giesing endet mit dem Drittliga-Aufstieg in der Relegation gegen den 1. FC Saarbrücken.

Platzsturm nach dem Schlusspfiff: Die erste Saison nach der Rückkehr nach Giesing endet mit dem Drittliga-Aufstieg in der Relegation gegen den 1. FC Saarbrücken.

(Foto: Sven Leifer/Foto2press/Imago)
  • Beim TSV 1860 tut sich Erstaunliches: Am Wochenende starten die Löwen in die 3. Liga und es herrscht große Zufriedenheit.
  • Das liegt an der Rückkehr ins Grünwalder Stadion und an einer Mannschaft voller Spieler, die aus der Region stammen.

Von Markus Schäflein

Das so genannte Catering findet rund ums Stadion statt. Vor dem Spiel trifft man sich im "Wienerwald", hinterher im "Schau ma moi" oder im "Riffraff", vor dem Ultras des TSV 1860 München postiert sind und sich penibel darum kümmern, dass niemand Gläser mit vor die Türe nimmt. Sie machen auch mal "Pssst!", wenn jemand zu laut wird.

Die Heimspiele des TSV 1860 München sind seit der Rückkehr nach Giesing ins Grünwalder Stadion vor einem Jahr zu Kneipenfestivals geworden, und weil die Sechziger den Stadtteil als ihr Wohnzimmer empfinden, achten die allermeisten Fans darauf, dass es gesittet und einigermaßen sauber zugeht. Sie wollen ja beweisen, dass das nach wie vor möglich ist: Profifußball mitten in der Stadt.

Dabei helfen nicht nur die Ultras mit. Praktischerweise hat Vizepräsident und Sponsor Hans Sitzberger eine Reinigungsfirma und nimmt das Unternehmensmotto "Mir kehr'n zam" nach Heimspielen wörtlich. Bei einer Infoveranstaltung für 120 besorgte Anwohner sagte er: "Grüß Gott, wegen Reinigung: Ich habe mehrere Kehrmaschinen und schicke schon vor dem Anpfiff zwei von ihnen los. Wenn das Spiel vorbei ist, dann fahren wir noch mal los! Und wenn zwei Maschinen nicht reichen, dann schicke ich noch eine dritte."

Selbst die Aufstiegsfeier nach dem Relegations-Erfolg gegen Saarbrücken hat der Stadtteil überlebt. Es gibt jetzt sogar Anwohner, die finden, dass ihr Viertel durch Sechzig lebenswerter geworden ist.

"Raus aus der Arena", das hatten die Fans viele Jahre lang plakatiert und gesungen, so lange der TSV 1860 beim ungeliebten Nachbarn FC Bayern München in der überdimensionierten Fröttmaninger Arena als Mieter spielte. Als die Mannschaft 2017 aus der zweiten Liga abstieg und der jordanische Investor Hasan Ismaik keine Drittligalizenz finanzierte, nutzte der Klub die Gelegenheit Regionalliga: Abkehr von den Geldspritzen des Jordaniers, Heimkehr nach Giesing. Keine Pläne für die Champions League mehr, sondern ein Fünfjahresplan für die Rückkehr in die zweite Liga. Radikale Entschleunigung.

Am Wochenende ist Mitgliederversammlung gewesen, über 1000 Menschen wählten den Verwaltungsrat. Dabei traten zwei Lager gegeneinander an. Diejenigen, die den Kurs des vergangenen Jahres befürworten: sportlicher Erfolg ja, aber nur im Grünwalder Stadion, das derzeit nicht zweitligatauglich ist, keine Logen und Vip-Bereiche hat und so gut wie keine Parkplätze. Zum Credo dieser Seite gehört es auch, keine Darlehen von Ismaik mehr anzunehmen. Die Opposition trat unter dem Namen "Team Profifußball" an und will genau das: wieder Zusammenarbeit mit Ismaik. Wieder Logen und Vip-Bereiche. Und endlich wieder Parkplätze. Ein neues Stadion also, wenn nötig an anderer Stelle.

Schuld waren ja die Spieler

Die Opposition verlor 0:9. Sie brachte keinen einzigen Kandidaten in das Gremium. Nicht einmal der frühere Torjäger Bernhard Winkler schaffte es. "Ein Hasan Ismaik kann nichts dazu, dass wir sportlich abgestiegen sind", erklärte Winkler bei seiner Wahlkampfrede, Schuld seien ja schließlich die Spieler und der Trainer. Dass aber Ismaik Beratern vertraute, die das Team zusammenstellten, war offenbar an Winkler vorbeigegangen. Er wurde ausgebuht, ausgelacht und musste sich ausgestreckte Mittelfinger gefallen lassen.

Die aktuelle Personalpolitik unter Trainer und Fanliebling Daniel Bierofka ist der Gegenentwurf zu Ismaiks Abstiegskader der Saison 2016/17, der absurde 18,2 Millionen Euro Personalkosten verursachte und Spieler aus 21 Nationen umfasste, mit denen der portugiesische und mittlerweile in China arbeitende Trainer Vitor Pereira "to the top" gehen wollte. In die dritte Liga startet 1860 nun mit 22 Spielern, die in Bayern geboren sind, acht davon in München. Die Zugänge aus der zweiten Liga etwa, Quirin Moll (Braunschweig) und Stefan Lex (Ingolstadt), kommen in die Heimat zurück.

Auch für diesen Kader musste Ismaik wieder Geld zuschießen - aber zwei Millionen Euro sind im Vergleich zu seinen Zuwendungen der Vergangenheit maßvoll, und vor allem handelt es sich nicht mehr um Darlehen. "Wenn, dann soll er uns das Geld schenken", hatte es der zusammenkehrende Vizepräsident Sitzberger einmal prägnant formuliert. Komplett überschuldet bei Ismaik ist und bleibt die Profifußball-KGaA aber; sie wird immer wieder auf Stundungen angewiesen sein. Dass Ismaik sein eigenes Investment gefährdet, weil der Verein sich so offensiv gegen ihn stellt, befürchten allerdings weder seine Befürworter noch seine Gegner. Letztere träumen davon, dass er seine Anteile endlich verkauft, er hat aber oft genug betont, dass er das nicht tun will.

Schritt für Schritt wollen die amtierenden Verwaltungsräte nun einen Ausbau des städtischen Grünwalder Stadions erreichen, zwei SPD-Kommunalpolitiker wurden praktischerweise in das Gremium gewählt. Vorerst hat die Fraktion eine Anfrage gestellt, wie es denn mit einem Ausbau auf 18 600 Plätze aussehe. Von Vip-Logen war keine Rede, das Catering findet ja auch außerhalb statt.

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