Start der Fußball-Bundesliga:Giftige Rivalitäten zugunsten des Geschäfts

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Der Kleinere springt höher: Münchens Mario Götze und Dortmunds Henrikh Mkhitaryan beim Supercup (Foto: REUTERS)

Die Arbeiterstadt Dortmund fordert München als Hauptstadt des Chichi heraus: Vor dem Start der Fußball-Bundesliga könnte der Dualismus zwischen dem FC Bayern und Borussia Dortmund fortgeschrieben werden. Von dieser polarisierenden Dramaturgie profitieren beide Klubs - der Rest der Liga ist im Nachteil.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

An diesem Freitag geht die Bundesliga in ihre 52. Saison, und die Nachricht, der kurz vor Anpfiff die größte Aufmerksamkeit gehört, ist keine sportliche. Sondern eine aus der Wirtschaft: Borussia Dortmund hat eine Kapitalerhöhung angekündigt. Der einzige börsennotierte Klub der 18 Erstligisten wird in Kürze neue Aktien an eine Sportartikelfirma (Puma), eine Versicherung (Signal Iduna) und einen Mischkonzern (Evonik) ausgeben.

Die Kapitalerhöhung wird insgesamt 140 Millionen Euro einspielen, Borussia will damit auch die Stadion-Hypothek tilgen. Der Klub wäre schuldenfrei. Man kann den Schritt auch so deuten: Dortmund stärkt seine Handlungsfähigkeit in einem globalen Markt, dessen finanzielle Grenzen erst noch zu definieren sind.

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Zum Start der Bundesliga sollte sich einiges ändern: Das musikalische Unwesen der Helene Fischer in den Stadien muss aufhören. Der Dauerstreit zwischen Dortmund und München braucht einen Mediator - und wir verspüren Haar-Nostalgie.

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Wer an einen Zufall glaubt, dass diese Nachricht gerade jetzt kommt, ist auf der falschen Fährte. Denn der Zufall ist eingekreist, der Zufall ist im Fußball allenfalls noch für das reserviert, was auf dem Rasen passiert. Tore sind dort die rare Ware, mit der dieses Spiel handelt, was der Dramatik keinen Abbruch tut; im Gegenteil, wie am 13. Juli in Rio de Janeiro zu bestaunen war.

Lange fiel kein Tor im WM-Endspiel, nicht in der ersten, nicht in der zweiten Halbzeit, nicht für Deutschland, nicht für Argentinien, doch wer ergründen will, warum dieses Spiel so wertvoll ist, warum es Konzerne in Millionen-Investitionen treibt, erhielt dort Anschauungsunterricht. Der Spannungsbogen entwickelte sich bis zur 113. Minute, in der Mario Götze den Ball in einer eleganten Bewegung zum Tor des Jahres im Netz platzierte.

Mitbieten beim Monopoly mit Menschen

Gerade dieser Mario Götze spielt jetzt eine zentrale Rolle in der Nachrichtenlage rund um die Kapitalerhöhung der Borussen. Sein aktueller Klub, der Titelverteidiger FC Bayern, eröffnet an diesem Freitag gegen den VfL Wolfsburg die Saison. Im Frühsommer 2013 gehörte Götze noch zum Personal in Dortmund, heute jedoch erklären die Münchner, wie sie um diesen 22-Jährigen ihre Zukunft bauen wollen. Es schmerzt in Dortmund, dass es nicht gelang, den Jungstar zu halten, auch das beschleunigte den Entschluss, die Finanzkraft zu stärken. Die Borussen wollen mitbieten können bei diesem Monopoly mit Menschen. Die Nachricht vom frischen Geld ist deshalb indirekt eine Kampfansage an die Bayern.

Konkret auf die Saison bezogen, fürchten nicht wenige, dass sich der Dualismus der vergangenen vier Spielzeiten fortschreibt. Zweimal gewann Dortmund den Titel (2011, 2012), eine Demütigung des Rekordmeisters aus München, der daraus die Energie zog, machtvoll zurückzuschlagen. Wirtschaftlich zum Beispiel durch den Götze-Kauf für 37 Millionen Euro, sportlich durch die Blitz- und Rekord-Meisterschaften 2013 und 2014.

Weiterhin hat die nicht-börsennotierte FC Bayern AG mit den Dax-Konzernen Adidas und Allianz sowie der Tochter Audi des Dax-Konzerns VW die hochkarätigeren Sponsoren. Weiterhin liegen die Münchner im Umsatz deutlich vorne. Zuletzt ausgewiesen wurden 431 Millionen Euro, das ist im Vergleich zu Dortmund ein Vorsprung von 170 Millionen. Und weiterhin gehen sie in die Saison mit dem prominenteren Ensemble.

Zu ihm zählen sechs Weltmeister von Rio. Wenn jetzt die Vormacht der Münchner dennoch gefährdet erscheint, so aus zwei Gründen: Zum einen waren die Spielzeiten nach großen Turnieren immer diejenigen, in denen dem FC Bayern beizukommen war. Zum anderen sind sie plötzlich, obwohl der Kader längst stehen sollte, hektisch im Schlussverkauf auf dem Transfermarkt unterwegs. Erstaunlich ist, dass in München die Folgen der WM-Strapazen offenbar falsch eingeschätzt wurden.

Alternative für die letzten Romantiker des Fußballs

Trotzdem dürfte diese Spielzeit die Bestätigung bringen, dass das duale System der Bundesliga gestärkt wird. Beide Klubs entwickeln eine immer giftigere Rivalität, die die Chefs Rummenigge (München) und Watzke (Dortmund) durch persönliche Animositäten bedienen. Das muss fürs Geschäft nicht nachteilig sein, zumal munter die folkloristischen Kontraste gepflegt werden: Die Bayern bekennen sich bundesweit zu ihrem Identifikationsmodell für all jene, die zum Erfolg streben, die gerne ganz oben stehen. Dortmund geriert sich als Alternative für die letzten Romantiker des Fußballs. Die Arbeiterstadt fordert die Hauptstadt des Chichi heraus. Mit dieser polarisierenden Dramaturgie lässt sich der Rest der Liga in die Schranken weisen.

Wer sonst marginale Chancen auf den Titel hat? Allenfalls vier Klubs, die jeweils einen Konzern im Rücken wissen, Schalke (Gazprom), Leverkusen (Bayer), Wolfsburg (VW) oder Hoffenheim (SAP). Es bedarf allerdings schon unwahrscheinlich vieler Zufälle, um die beiden Großen in ihrer Inszenierung einer gewinnbringenden Animosität zu stören.

© SZ vom 22.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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