Start der Diamond League:Wenn Bolt zu Hause bleibt

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Usain Bolt: Schaut 2015 in der Diamond League drei Mal vorbei

(Foto: Yuri Kadobnov/AFP)
  • Ungerechte Preisgelder und eine verwirrende Präsentation: Die Diamond League wirft mit ihrem nächsten Start alte Fragen auf.
  • Weltrekordler Usain Bolt hat sich immerhin für drei von sieben Meetings eingeschrieben, bei denen seine Disziplin im Programm geführt wird.
  • An der Diamond League lässt sich vor allem ablesen, wie groß der Reformstau im Leichtathletik-Weltverband tatsächlich ist.

Von Johannes Knuth

Es klang wie der Beginn einer wundervollen Partnerschaft, die der Fernsehsender Eurosport vor einer Woche verkündete: Man werde die Diamond League bis 2019 im deutschsprachigen Raum übertragen, das "Premium-Produkt" des Leichtathletik-Weltverbands IAAF. Es wird also Bilder geben, live vom Ort des Geschehens, wenn Kugelstoß-Weltmeister David Storl an diesem Freitag beim ersten Wettkampf der Serie in Doha/Katar auftritt, wenn Speerwerferin Christina Obergföll am Sonntag in Schanghai, der zweiten Station, nach rund eineinhalb Jahren Babypause wieder die Geschäfte aufnimmt.

Es werden verschlüsselte Bilder sein, Eurosport speist sie in seinen zweiten Kanal ein, aber immerhin: In den vergangenen Jahren wurden in Deutschland, einem Kernmarkt des Sports, überhaupt keine Fernsehbilder verbreitet. Das erzählt einiges über eine Serie, die der Weltverband gerne als Fünf-Sterne-Produkt bewirbt.

Die Diamond League startet am Freitag in eine neue Saison, ihre sechste. Die IAAF hatte den Vorgänger, die Golden League, 2010 abgewickelt. Der Nachfolger sollte nicht nur in Europa Halt machen, mittlerweile sind es 14 Zwischenstopps, zehn in Europa, zwei in Asien und in den USA. Sie wollten dem etwas unübersichtlichen Alltag der Leichtathletik eine Dramaturgie verpassen, mit unverwechselbaren Darstellern und Orten, wie im Wintersport mit seinen Weltcups.

Tatsächlich stiftet die Serie bis heute oft Verwirrung. Manche Disziplinen hat der Verband in eine zweitklassige Wettkampfserie abgeschoben, die "World Challenge", die Hammerwerfer und Geher werden dort gehalten wie ungeliebte Stiefkinder. In anderen Disziplinen meiden die Besten die große Bühne. Vor allem die 100-Meter-Sprinter wurden zuletzt nur dann vorstellig, wenn es ihnen (und ihren Managern) in den Kram passte. Usain Bolt, das bekannteste Gesicht der Branche, schwänzte die Serie 2014 komplett. Diesmal hat er sich immerhin für drei von sieben Meetings eingeschrieben, bei denen seine Disziplin im Programm geführt wird.

Einige Athleten meiden die Serie aus anderen, aus finanziellen Gründen. Die IAAF hat für dieses Jahr erneut acht Millionen Dollar Preisgeld zusammengekratzt. Wer in seiner Disziplin den Gesamtsieg erwirtschaftet, wird mit 40 000 Dollar entlohnt, wer ein Meeting gewinnt, dem werden 10 000 Dollar überwiesen. Das Gefälle ist allerdings groß.

Mancher Starter muss draufzahlen

Arne Gabius, Deutschlands Bester im Langstreckengewerbe, kam im vergangenen Jahr über die 5000 Meter mal als Elfter, mal als Zwölfter ins Ziel, es waren gute Platzierungen gegen starke Mitbewerber, aber einen zwölften Platz prämiert die IAAF eben nur noch mit 300 Dollar; abzüglich Steuern bleiben rund 150 übrig. Viele junge, talentierte Kollegen treten mittlerweile fast exklusiv bei besser dotierten Straßenläufen an, hat Gabius beobachtet, "die können sich die Diamond League einfach nicht leisten". Manche Veranstalter erstatten nicht sämtliche Kosten für Flug und Hotel. Dann wird die Premiumserie zum Zuschussgeschäft.

Es muss sich etwas verändern, da sind sich die meisten einig, nicht nur beim Preisgeld, auch bei der Präsentation. Aber wie reformiert man eine Serie, ohne den Charakter der Sportart zu verwässern? Den Springern weniger Versuche gestatten, um die Zeitpläne zu straffen und mehr Disziplinen unterzubringen? "Stabhochsprung ist sehr anspruchsvoll", sagt Renaud Lavillenie, der Weltrekordhalter aus Frankreich, das sei ohne limitierte Versuche schon schwer genug. Den Sport auf den Marktplatz und zu den Menschen tragen? Weniger Meetings, als Zugabe eine "Straßen-Serie" schaffen, wie sie Sebastian Coe vorschlägt, der Anwärter auf den IAAF-Präsidentenposten?

"Wir dürfen nicht glauben, dass die Straße unsere Zukunft ist", sagt Lavillenie, "es ist etwas völlig anderes, vor 3000 Zuschauern in der Stadt oder vor 80 000 im Stadion zu springen, im Einklang mit den anderen Disziplinen". Gabius glaubt derweil, dass sich bereits mit kleinen Änderungen große Wirkung erzielen ließe. Derzeit tragen die Athleten oft einheitliche Trikots, "da läuft dann Neon gegen Neon", sagt Gabius. Warum könne man dem Führenden der Gesamtwertung nicht ein unverwechselbares Leibchen überstülpen, wie in anderen Sportarten? "Wir haben tolle Wettkämpfe", sagt Gabius, "aber wir müssen die richtig transportieren."

Derzeit lässt sich an der Diamond League vor allem ablesen, wie groß der Reformstau im Leichtathletik-Weltverband tatsächlich ist. Vorschläge gibt es, doch die verstauben seit Jahren in den Gremien. Lamine Diack, scheidender Präsident, lässt auf Anfrage ausrichten: "Wenn man ein Projekt initiiert, das 14 Wettkämpfe in elf Ländern vereint, wird man immer auf Herausforderungen treffen." Trotzdem habe die Serie "die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit wie keine andere Leichtathletik-Veranstaltung ergriffen", Olympische Spiele und große Meisterschaften ausgenommen.

Gabius ist sich da nicht so sicher, neulich hat er ein paar Sportfreunden von seinen Wettkämpfen in der Diamantenserie erzählt. "Die hatten davon noch nie gehört", sagt er. "Die dachten, es geht um Diamantenkartelle."

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