Start der 3. Liga:Komplettrasur im Betze-Land

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Pfälzer Dämmerung: Der Betzenberg über den Dächern Kaiserslauterns ist nur noch ein Drittliga-Spielort.

(Foto: Bernhard Kunz)
  • Der 1. FC Kaiserslautern ist aus der 2. Liga abgestiegen und versucht jetzt, in der 3. Liga wieder auf die Beine zu kommen.
  • An diesem Samtag kommt es zum Start der Saison zum großen Duell gegen 1860 München - und der Betzenberg wird wieder seine einzigartige Atmosphäre entfalten.

Von Tobias Schächter, Kaiserslautern

Am Donnerstag sah es im Erdgeschoss der Nordtribüne des Fritz-Walter-Stadions noch aus wie auf einer Baustelle: Maler arbeiteten im Presseraum an der Renovierung, die der Kabinentrakt schon hinter sich hat. Ein schweres Unwetter hatte im Juni zu Überschwemmungen und Verwüstungen in den Katakomben der Arena geführt. Aber an diesem Samstag sei alles funktionsfähig, heißt es beim 1. FC Kaiserslautern.

Die Fassade steht, wenn diesen Samstag (14 Uhr) der FCK zum Auftakt der Pflichtspielsaison auf 1860 München trifft. Die Vereine verbindet eine Fanfreundschaft und gemeinsame Zeit in der ersten Liga. Nun aber sehen sich die Traditionsklubs in der dritten Liga wieder, für den Zweitligaabsteiger FCK ist der Anpfiff zur ersten Drittligasaison der Vereinsgeschichte der Tiefpunkt eines Niedergangs mit langem Anlauf. Eigentlich.

Vor 20 Jahren feierten die Pfälzer die letzte ihrer vier deutschen Meisterschaften, seitdem manövrierte sich der Klub mit jeder Saison durch Größenwahn, Grabenkämpfe, Misswirtschaft und Unfähigkeit immer weiter Richtung Absturz. Dennoch pilgern die Fans jetzt hoffnungsfroh "nuff, uff der Betze", als sei der Abstieg nur ein Spuk.

Vorab sind fast 38 000 Karten verkauft, das Stadion auf dem Betzenberg wird wohl mit mehr als 40 000 Menschen gefüllt sein, der Drittligakick mit einer Kulisse orchestriert, die viele Erstligisten neidisch macht. Es ist schon seltsam: Jahrelang haderten die Fans und schimpften den Abstieg fast herbei. Nun herrscht eine sagenhafte Euphorie, ganz so, als seien der Wiederaufstieg nur Formsache und die finanziellen Altlasten, die den Klub zum Erfolg verdammen, eine Erfindung.

Martin Bader freut sich über den Kredit bei der Anhängerschaft, aber der Sportvorstand ist auch Realist, er sagt: "Wir wollen das Vertrauen zurückzahlen. Ziel ist natürlich der Aufstieg, aber es wird ein langer, holpriger Weg." Seit Ende Januar amtiert Bader beim FCK, der 50-Jährige weiß um die extremen Gefühlsschwankungen in Traditionsklubs. Lange Jahre leitete er die sportlichen Geschicke beim 1. FC Nürnberg und bei Hannover 96. Als Bader Anfang des Jahres auf dem Betzenberg übernahm, war der Abstieg nur noch theoretisch zu verhindern, die Stimmung destruktiv.

Die Verantwortlichen für den Misserfolg, die Aufsichtsratsbosse Nikolai Riesenkampff und Mathias Abel sowie der Vorstand Thomas Gries, stellten sich nicht zur Neuwahl, beziehungsweise sie traten zurück. Trainer Jeff Strasser, der im Herbst Norbert Meier abgelöst hatte, musste wegen Herzproblemen aufhören. Als eine seiner ersten Amtshandlungen holte Bader Trainer Michael Frontzeck, mit dem er in Hannover zusammengearbeitet hatte. Zwar konnte der ehemalige Nationalspieler den Abstieg nicht verhindern, aber mit 23 Punkten aus 15 Spielen und engagierten Leistungen gab es einen deutlichen Aufwärtstrend. "Die Leute haben gesehen, dass die Mannschaft alles versucht hat, das hat die Glaubwürdigkeit gestärkt", sagt der Schwabe und begründet so die große Unterstützung.

Das Stadion ist nicht das einzige finanzielle Problem

Dennoch bedeutet der Abstieg einen "großen Einschnitt" (Bader). Der Lizenzspieleretat musste auf 5,5 Millionen halbiert werden (Gesamtetat: 15,5 Millionen Euro). Die Drittliga-Lizenz wurde gesichert, weil die Stadt dem Klub bei der Stadionmiete erneut entgegengekommen war. Der FCK zahlt in der dritten Liga nur noch 425 000 Euro pro Jahr an die städtische Betreibergesellschaft und nicht 2,4 Millionen wie in der zweiten Liga. Doch das Stadion ist nicht das einzige finanzielle Problem des Klubs. Im August 2019 wird beispielsweise die Rückzahlung einer Fananleihe von mehr als sechs Millionen Euro aus der Ära von Vorstand Stefan Kuntz fällig.

Um zukunftsfähig zu bleiben, braucht der Klub Geld. Zuletzt gelang es, mit der Firmengruppe Layenberger einen potenten Haupt- und Trikotsponsor aus der Region für drei Jahre zu gewinnen. Jahrelang verhinderten die Traditionalisten eine Ausgliederung der Profifußballabteilung aus dem Gesamtverein, nun, in der größten Not, stimmten die Mitglieder in der Sommerpause doch dafür. Dabei baut man auf ein Vier-Säulen-Modell mit regionaler Ausrichtung. Im März, wenn die Lizenzierung für die kommende Runde ansteht, sollten Investoren gefunden sein, sonst wird es wieder eine Debatte um die Überlebensfähigkeit geben. Ob die Mannschaft, von der Konkurrenz zum Aufstiegsfavoriten erklärt, die Euphorie so lange aufrechterhalten kann?

Nur wenige Profis wie Stürmer Lukas Spalvis, 24, sowie die Mittelfeldspieler Mads Albaek, 28, und Gino Fechner, 20, blieben nach dem Abstieg. "Kleiner, jünger, regionaler" lautete das Motto bei der Zusammenstellung des 21 Feldspieler schlanken Kaders, 16 neue Profis kamen. Kapitän ist Rückkehrer Florian Dick, 33, zuletzt bei Arminia Bielefeld im Einsatz gewesen. "Eine ähnliche Komplettrasur habe ich einst als Spieler beim SC Freiburg erlebt", sagt Trainer Frontzeck.

Die Mannschaft wachse schnell zusammen, lautet sein Resümee nach sechs Wochen Vorbereitung und dem jüngsten Testerfolg gegen Zweitligist Dresden (2:1). "Die dritte Liga ist keine Schönspielerliga", sagt Dick. "Um erfolgreich zu sein, braucht man einen richtigen Haufen auf und neben dem Platz."

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