Stadt gegen 1860-Pläne:Nie mehr Grünwalder

Eine Rückkehr des Fußball-Zweitligisten 1860 München ins altehrwürdige Grünwalder Stadion ist endgültig vom Tisch. Die Löwen müssen weiter Mieter des FC Bayern bleiben.

M. Schäflein

Man muss ganz oben stehen, da, wo früher der Gästeblock war, um dieses Stadion zu begreifen; schade, dass hier schon lange keine Gäste mehr waren. Sonst hätten sie durch den Zaun hinuntergeblickt auf den Wettersteinplatz, hätten die Menschen an der Straßenbahnhaltestelle warten sehen und die Autos auf der vierspurigen Straße in den Vorort fahren. Sie hätten die Kirchtürme gesehen und die Wohnblocks des alten Münchner Arbeiterstadtteils Giesing. Es ist die Lage, die das Stadion an der Grünwalder Straße im Vergleich zu den neuen Arenen so außergewöhnlich macht. Es liegt nicht zwischen einer Autobahnausfahrt und einem Gewerbegebiet; es liegt zwischen einer Apotheke, einem Supermarkt und der Gaststätte Wienerwald.

Diese Lage ist dem Stadion, dem die Anhängerschaft des Fußball-Zweitligisten 1860 München so radikal hinterhertrauert, nun zum Verhängnis geworden. Die Stadt hat einen Antrag des Vereins, dort eine bundesligataugliche Arena zu errichten, am Dienstagmittag nach einem zweistündigen Gespräch mit Klubvertretern abgeschmettert - wie erwartet. Neben der ungeklärten Finanzierung ging es vor allem um das Baurecht: Lärmschutz, Sicherheit, Verkehr, solche Sachen. An dieser Stelle ist ein Stadion heute nicht mehr genehmigungsfähig - und aus Sicht der Lokalbaukommission handelte es sich bei dem Plan nicht um einen Umbau, sondern um einen Neubau.

Jeder 1860-Anhänger hat Erinnerungen an dieses Stadion, das den Löwen einst gehörte, ehe sie es im Jahre 1937 für 357560 Reichsmark an die Stadt München verkauften. Wie 1860 und der FCBayern dort kickten, als die Bundesliga noch eine neue Idee war; wie der TSV dort Meister wurde, 1966; wie 1972 das Olympiastadion als neuer Standort für Profifußball festgelegt wurde und die Stadt den Rückbau des Grünwalders zur Bezirkssportanlage beschloss; wie den Löwen zehn Jahre später die Profilizenz entzogen wurde und nun Bayernliga-Fußball vor enormen Kulissen im Grünwalder stattfand; wie dort 1982 ein neuer Zuschauerrekord für die Amateuroberliga aufgestellt wurde, mit 28000 Zuschauern gegen Unterhaching; wie am 3. Juni 1995 gegen Kaiserslautern das letzte Erstligaspiel in Giesing stattfand, weil der damalige Präsident Karl-Heinz Wildmoser den endgültigen Umzug ins Olympiastadion durchgesetzt hatte.

Selbst viele ganz junge Fans verehren heute das Grünwalder, obwohl sie nie ein Profiligaspiel dort erlebt haben; sie haben sich erzählen lassen, dass früher alles besser war. Bei allem Charme des Stadions, bei all den Geschichten, die es zu erzählen hat - die große Liebe erklärt sich auch durch die tiefe Abneigung der Blauen gegen die Arena, in der sie mittlerweile spielen. Sie ist viel zu groß, viel zu teuer und gehört zu allem Übel dem Lokalrivalen FC Bayern. Wer die Gegenwart hasst, verklärt die Vergangenheit - so erklärt sich die seit Jahren schwelende Obsession der Blauen, zurückzukehren.

Alle Träume sind seit Dienstag ausgeträumt. Die Stadt schreibt nun die Aufträge für den geplanten drittligatauglichen Umbau aus, denn die Amateurmannschaften von Bayern und 1860 spielen weiter dort. Eine kleine Chance haben die Sechziger noch, dass ihre erste Mannschaft nach Giesing zurückkehrt: Sie müsste absteigen.

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